6834608-1975_07_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Anwälte des „Volkszorns“…

Werbung
Werbung
Werbung

Mit dem Begriff „psychische Gewalt“ wird ein Druck bezeichnet, welcher von öffentlichen und halböffentlichen Stellen ausgeübt wird, um bei (schwächeren) Minderheitenangehörigen einen Zustand zu schaffen, in dem sie sich der Assimilation als „geschichtlicher Notwendigkeit“ nicht nur fügen, sondern diese selbst noch fördern.

Der langsame aber unaufhörliche Druck lähmt nach und nach die Widerstandskraft von Minderheitsangehörigen, welche sich ihrer Bürgerrechte dann nicht mehr bewußt sind — so Monsignore Rudolf Klinec in seinem Vortrag „Die Minderheitenproblematik im Lichte des Natur- rechtes, der christlichen Ethik und der Kirchengesetzgebung“, Triest 1971.

Aber jedenfalls assimilieren sie sich nicht gerade mit Freude, denn mit der Assimilation geht auch das geistige Erbe einer jahrhundertelangen kulturellen Überlieferung verlo ren, welche den Charakter jedes einzelnen Menschen prägt. In einem anderen Volkstum ist es aber nicht möglich, von heute auf morgen geistige und kulturelle Dimensionen zu erreichen.

Der soziale Entwicklungstrend von (unabhängiger) Bauernbevölkerung zu (abhängigen) Arbeitern und Angestellten begünstigt in Südkäm- ten die Assimilation, denn damit wird die Möglichkeit des psychologischen Drucks größer.

Die zweisprachigen Ortstafeln erweckten aber unter der Minderheit die Hoffnung, daß sie allmählich zu ihren Bürger- und Sprachrechten gelangen könne, womit ihre Assimilationswilligkeit abzunehmen schien. Mit dem Ortstafelsturm mußte ihr aber bewußt werden, daß sie sich aus dem Teufelskreis eines psychischen Drucks nicht retten kann.

Daß es sich im Herbst 1972 nicht um bloße Ereignisse in einer Dorf kneipe handelte, zeigte sich bald. Die politischen Parteien im Lande distanzierten sich zwar vom Ortstafelsturm, gleichzeitig aber — mit FPÖ und ÖVP an der Spitze — wurde Verständnis für den „Volks- zom“ und somit für die Verletzung eines von der sozialistischen Mehrheit „einseitig“ verabschiedeten Bundesgesetzes ausgedrückt, in der Hoffnung, dadurch (deutsčh)-nationale Stimmen zu gewinnen. Die Gemeinderatswahlen im Frühling 1973 brachten tatsächlich Verluste der regierenden Kärntner SPÖ — unter anderem deswegen, weil die Kärntner Slowenen nunmehr selbständig auftraten.

ÖVP und FPÖ kritisierten seltsamerweise nicht die Berechtigung der sozialistischen Minderheitspolitik an sich, sondern den sozialistischen „Alleingang“. Demgegenüber stellten sie sowohl auf der Landesais auch auf Bundesebene das Verlangen nach der sogenannten Min derheitenfeststellung nach dem Bekenntnisprinzip. Gleichzeitig aber trafen sie keine Maßnahme, um den psychischen Drude auf die Minderheit ernsthaft zu beseitigen. Im Gegenteil. In die von Bundeskanzler Kreisky’ einberufene Ortstafelkommission entsandte die ÖVP als ihren Vertreter demonstrativ gerade einen für die Kärntner Slowenen unannehmbaren Gesprächspartner, nämlich den Obmann des Bundes der Windischen (der assimilationswilligen Kärntner Slowenen), Einspieler, und verhinderte somit eine Teilnahme der Slowenen in der genannten Kommission.

Weiters wurde das von Landeshauptmann Sima in der Kärntner Landesregierung gegründete Referat für Fragen und Kultur der Minderheit sowohl von der FPÖ als auch von der ÖVP als „Alleingang“ Simas heftig ins Kreuzfeuer genommen, was Simas Nachfolger Wagner dazu bewegte, dem Referat die Arbeitsanweisung zu entziehen.

Am unerbittlichen Bestehen der ÖVP (zusammen mit der FPÖ) auf einer Minderheitenfeststellung brach auch die Mitarbeit der Kärntner Slowenen in dem von der Bun desregierung gegründeten Kontaktkomitee zusammen, denn die Vertreter der Minderheit lehnen unter den gegenwärtigen Umständen bekanntlich eine solche Feststellung ab. Die SPÖ beugte sich mittlerweile dem Verlangen nach Minderheitenfest- stellung, was nun aber auch außenpolitische Komplikationen verursacht und von Jugoslawien, dem Mitunterzeichner des Staatsvertrages, den Grund für die Behandlung des Gesamtproblems vor der UNO bilden wird.

Mittlerweile geht der psychologische Druck auf die Minderheit, welcher nunmehr auch die Sozialisten mitzieht, weiter. Der ÖVP-Lan- desobmann fordert in der gegenwärtigen Kampagne zu den Landtagswahlen von den Kärntner Slowenen ein „absolutes Ja zum ungeteilten Kärnten und zum freien Österreich“. Jüngst erwähnte er in einer Pressekonferenz auch die Aufsicht der Schulbehörden über das slowenische Gymnasium in Klagenfurt.

Die nationalen Parolen wirken wieder einmal integrierend, Kärnten bleibt Kärnten. Hoffentlich ein österreichischer Spezialfall.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung