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Versöhnung in Kärnten

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Mit dem folgenden Beitrag einer edlen Gesinnung schließt die „Furche“ zur Zeit ihre Veröffentlichungen zu der Südkärntnerfrage ab.

Wenn man in reifen Jahren im gesegneten Kärntner Land seine Wahlheimat gefunden hat und diese im Alter als echte Heimat liebt, mit der man sich verbunden fühlt, weil sie einem als ein Stück Altösterreich geblieben ist, so berührt es einen tief schmerzlich, den Streit der beiden hier beheimateten Nationen zu erleben, in dem die eine auf die andere mit Mißtrauen und Lieblosigkeit blickt und eine der anderen ihre Rechte und Ansprüche nicht gönnt. Wenn vielleicht schon im alten Österreich der Nationalitätenstreit auch in Kärnten nicht unbekannt war, so ist er sicher seit der den ersten Weltkrieg beendenden Volksabstimmung im Jahre 1920 schärfer und bitterer geworden. Das erfreuliche Ergebnis, daß mit einem großen Teil slowenischer Stimmen Kärntens Verbleib bei Österreich entschieden wurde, ist nämlich in dem Sinn entstellt worden, als „Kärnten ungeteilt“ — die Losung für die Abstimmung — wie „Kärnten deutsch“ ausgelegt wurde. Das konnte nicht beitragen, die Kärntner Slowenen, die anders gestimmt hätten, zur Einsicht zu bewegen, es mußte sie eher abstoßen und ihre Einstellung, nach welcher sie für die Abtrennung gestimmt hatten, bestärken, um so mehr, als „Deutschösterreich“ um diese Zeit selbst sich von der altösterreichischen Vergangenheit lossagte

Nicht nur, daß nichts (oder wenig?) getan wurde, um das Bekenntnis der österreichtreuen Slowenen anzuerkennen, mit Entgegenkommen zu honorieren und sie zu befriedigen, ihnen zu beweisen, daß sie nicht nur eine geduldete Minorität sind, sondern gleichberechtigte Kärntner : man hat vielmehr alle Slowenen in einen Topf geworfen und alle als Heimatfeinde gestempelt, indem man aus den österreichtreuen Slowenen einfach „Windische“ gemacht und sie zu den national fühlenden Slowenen in Gegensatz gebracht hat. Zu diesem Zweck wird erklärt, daß die windische Umgangssprache überhaupt nicht slowenisch ist. Als ob man die natürliche, aus dem Nebeneinanderleben beider Nationen entstandene Assimilation des schwächeren Teiles an den stärkeren (die sich schon aus wirtschaftlichen Gründen ergab, nachdem das slowenische Nachbarland durch unübersteigbare Grenzen abgetrennt war) zu einer Negierung der slowenischen Abstammung und Verwandtschaft verwenden könnte 1 Die Assimilierung ist so weit fortgeschritten, daß ein großer Teil der windischen Bewohner Kärntens selbst sich nicht mehr als Slowenen bekennt. Hätten vor 40 Jahren die für Österreich stimmenden Slowenen je zugegeben, daß sie nicht Slowenen wären? Als Slowenen haben sie ihre Stimme für Österreich abgegeben. Trotzdem ist eine sich slowenisch bekennende, treu gebliebene österreichtreue Minderheit noch im Lande, die auch österreichisch fühlte, handelte und litt, als ein großer Teil der Deutschen Kärntens Österreich den Rücken kehrte und sich dem Dritten Reich verschrieb.

Als Österreich nach dem Grauen der Zerstörung wieder aufstand, sich unter Führung von Männern, die an Österreich glaubten, wieder erhob und aufbaute, da wäre es an der Zeit gewesen, die verfolgten österreichtreuen Slowenen in Kärnten zu gewinnen, ihnen zu zeigen, daß der Geist des „Anschlußösterreich“, unter dem sie gelitten hatten, vorbei ist, daß das neue Österreich, wie einst das alte, wieder Heimat für alle Menschen ist, die sich zu Österreich bekennen, gleichwohl welche Sprache sie sprechen. Es hätte den Slowenen volle Gerechtigkeit gewährt werden müssen, ihre Sprache und nationale Kultur hätte nicht verachtet und herabgesetzt werden dürfen, ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen hätte Rechnung getragen werden müssen. Ich glaube nicht, daß solches in ausreichendem Maß geschehen ist, so daß die Slowenen das Gefühl hätten bekommen können, Österreich sei ihre echte Heimat. Leider gibt es genug Slowenen in Kärnten, die nicht österreichtreu sich gebärden. Gibt es nicht solche Leute auch bei anderen Volksgruppen, anderen Parteien? Es ist dies nicht Grund genug, den Slowenen überhaupt das Recht auf volle Gleichberechtigung zu nehmen. Wenn die Bundesregierung ein Schulgesetz für die Slowenen gegeben hat, wenn sie ein Sprachengesetz vorbereitet, so möchten wir annehmen, daß sie es nicht bloß unter dem Zwang des Staatsvertrages tut, sondern aus richtigem Gerechtigkeitsbedürfnis. Die Deutschkärntner stellen sich dagegen: das ist ungerecht. Der Mensch ist zur Gerechtigkeit, die eine hohe Tugend ist, verpflichtet. Gerechtigkeit aber verlangt auch Opfer, Opfer der Selbstverleugnung, denn Gerechtigkeit ist Liebe. Wenn wir mit einem Opfer den slowenischen Nächsten versöhnen und gewinnen können, dann ist solches das Opfer wert. Und ist es denn wirklich ein so großes Opfer für einen Deutschkärntner, neben der deutschen Ortsnamensbezeichnung eine slowenische zu lesen? Oder in Verlautbarungen neben dem deutschen auch einen slowenischen Text zu sehen? Oder gar ■- die slowenische Sprache in der Schule zu erlernen? Immer war es ein Zeichen höherer Bildung und Kultur, auch eine zweite Sprache zu beherrschen. Gerechtigkeit zeigt Seelengröße, Gerechtigkeit gegen den Schwächeren, selbst mit Opfern!

Bei der Jubiläumsfeier für die Volksabstimmung am 10. Oktober I960 wurden schöne Reden gehalten, nach denen es ausschauen sollte, als ob den Slowenen Gerechtigkeit widerfahren würde. Es war leider keine echte Versöhnung gemeint.

Sollte nicht Österreich mit der Regelung der slowenischen Frage der heutigen Welt, in der so viel Unduldsamkeit herrscht, ein Beispiel großzügiger Lösung geben können?

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