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Loyalität für die neuen Herren

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Es liegt auf der Hand, daß jener Slowene, der in seinem Volkstum nicht stark verwurzelt war, nicht als Jugoslawienfreund und österreich-oder. Deutschtumsfeind gelten wollte, zumal dadurch sein berufliches Fortkommen erschwert gewesen wäre. Die Erfindung der Bezeichnung „Windische“ oder „windisch“ nur für diese deutschfreundlichen Slowenen, die auf Bernhard Scheichelbauer14 zurückgeht, auf volkswissenschaftlichem Gebiet aber von Martin Wutte15 erst mit vollem Erfolg ausgeformt wurde, lag sozusagen in der Luft; sie sollte eine klare Unterscheidung zwischen jenen Slowenen bringen, die sich als solche bekannten und fühlten, und jenen, die zwar den Kärntner Dialekt des Slowenischen (der sehr viele deutsche Lehnwörter und sonstige deutsche Worteinsprengungen, aber eine rein slawische Syntax und Grammatik hat) sprachen, aber sich dem deutschen Kulturkreis zugehörig fühlten. Dieser Teil der Slowenen, der allmählich wohl die Mehrheit der Volksgruppe ausmachte, verzichtete bewußt auf völkische Forderungen und akzeptierte zustimmend die Bezeichnung „Windische“ im Sinne der Antithese zu den richtigen, das heißt, den volksbewußten „nationalen“ Slowenen. Diese „Windischen“, deren Geburtsstunde um die Jahre 1920/30 zu verlegen ist, waren durchweg dem angestammten katholischen Glauben fremd geworden und traten parteipolitisch in liberale, antiklerikale“ deutsche Parteien, wie den Kärntner Landbund, den Kärntner Heimatschutz (als Partei „Heimatblock“ genannt) und in die Großdeutsche Volkspartei ein, später dann auch in die NSDAP. Zwar haben auch die Nationalslowenen 1938 dem Nationalsozialismus Loyalitätserklärungen abgegeben16, doch wird man dem wohl nur mit dem Lächeln der Auguren folgen können.

Sprach-, aber nicht Volksgruppe

Es ist nun hinreichend geklärt, daß es keine windische Sprache gibt (sowenig wie zum Beispiel eine vorarlbergisch-alemannische, obwohl der Vorarlberger alemannische Dialekt sieh vom Hochdeutschen weit stärker unterscheidet als das Kärntner Windische vom Hochslowenischen), und die führenden deutschen Sprachforscher Kärntens haben das klar genug immer wieder gesagt17. Es steht auch fest, daß es kein windisches Volk im ethnischen Sinne gibt. Allerdings ist damit nicht gesagt, ob die Windischen, unter denen man heute Angehörige der Kärntner Dialektform der slowenischen Sprache zu verstehen hat, etwa dem slowenischen Volk angehören. Noch 1920 war es unbedenklich, dies zu bejahen, und die ganze Propaganda in Kärnten unterstrich ja, daß ein sehr großer Prozentsatz der Slowenen damals für Österreich stimmte. Hätte es ein eigenes win-disches Volk gegeben, so wäre diese Argumentation, die 1945 bis 1947 wiederum eine ganz entscheidende Rolle bei der Abwehr der jugoslawischen Gebietsansprüche spielte, in sich widersprüchlich und unverwendbar gewesen18. Aber: Jahrzehnte dieses Einhämmerns des Unterschiedes zwischen den „heimattreuen“ Windischen und den dazu in Gegensatz stehenden Nationalslowenen haben doch zum Ergebnis, daß heute jene, die sich betont als Windische bezeichnen und die Bezeichnung „Slowene(n)“ ablehnen, nicht ohne weiteres mehr der slowenischen Volksgruppe, sondern nur noch der slowenischen Sprachgruppe zuzurechnen sind.

Schwebendes Volkstum

Unter dem Gesichtspunkt der Volkszugehörigkeit sind sie entweder — wie die zahlenmäßig minimalen Angehörigen des „Bundes der Windischen“, der politisch der ÖVP und der FPÖ mit verteilten Rollen anhängt — zu Angehörigen des Mehrheitsvolkes geworden oder aber sie stehen noch zwischen den Völkern. Hierfür hat die Volkswissenschaft schon vor langem den Begriff „schwebendes Volkstum“ ausgebildet und auch die Windischen, deren Existenz zu leugnen falsch wäre, da sie sich ja selbst so bezeichnen und sehen, gehören dem „schwebenden Volkstum“ zu. Vergleichsbeispiele liefern heute der Elsaß, die Flamen in Nordwestfrankreich, vielleicht auch die „Speckdänen“ und die Luxemburger, während in der Vergangenheit das slowakische Oberungarn das Paradigma lieferte. Da die „Windischen“ eine politische Minderheit darstellen, (als Mittel zur Reduzierung des volksbewußten Slo-wenentums), sind sie aber nicht nur potentielle Angehörige des Mehrheitsvolkes (sobald sie die slowenische Haus- und Familiensprache aufgeben), sondern ebenso sehr auch der slowenischen Volksgruppe. Am Tage einer Gebietsabtretung wären sie sicher Slowenen.

In jüngster Zeit hat sich allerdings die Stimme eines deutschsprachigen Kärntners, also eines Anonymus (was oft zu Bedenken Anlaß gibt) erhoben, die unter Ablehnung des deutschnationalen Denkens bei gleichzeitiger Bejahung und Glo-riflzierung der Partisanen in Kärnten und Krain gegen die Nationalslowenen zu Felde zieht und für die Windisch-Theorie eine Lanze bricht: „Die Minderheitenfrage Kärntens“ in der Monatsschrift „Der österreichische Standpunkt“19. Darin werden bei höchst einseitiger Literaturauswahl die volksbewußten Slowenen als „Miniaturnationalisten“ bezeichnet und wird gesagt, daß 40 000 „Windische“ fast nur noch deutsch sprächen, also gar keine Slowenen mehr seien. Die Mißverständnisse und heftigen Diskussionen, die um eine Publikation des katholischen Mainzer Universitätsprofessors Doktor Anton Hilckman, eines bekannten Minderheitenfachmannes, der aber in der Kärntner Windischen-Frage es wohl am nötigen Respekt vor dem Generalvikar der Diözese Gurk-Klagenfurt fehlen ließ, entstanden sind80, zeigen, daß man mit polemischen Darstellungen zum Windischen-Problem nichts Brauchbares beitragen kann. Dieses Problem ist die Quelle allen Mißbehagens und kann nur von der Volks- und Sprachwissenschaft, nicht von der Politik her gelöst werden. Es ist daher zur Zeit unlösbar, da die deutschnätionalen Kreise Kärntens in den Windischen Janitscharen sehen, während die Nationalslowenen in ihnen potentielle Nationalslowenen erblicken, die es zurückzugewinnen gelte.

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