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Ist die Blamage notwendig?

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Österreichs Minderheitenfrage in Kärnten gehört zu jenen Problemen, deren Lösung immer schwieriger wird, je länger man sie vor sich herschiebt. Als Österreich 1955 froh war, den Staatsvertrag endlich bekommen zu haben, wären die Kärntner wahrscheinlich noch bereit gewesen, sich an zweisprachige Ortsschilder zu gewöhnen. In den Augen der Slowenen hat purer innen- und lokalpolitischer Opportunismus damals verhindert, daß Österreich seine staats vertraglich festgelegte Pflicht erfüllte. Mag sein, daß auch die Regierung Kreisky allzu eilig vor dem Volkszom zurückgewichen ist, daß mit mehr Härte damals noch einiges erreicht hätte werden können. Wie immer es sich damit auch verhalten mag: Österreich muß sich nun klar darüber werden, daß dje Internationalisierung des Kärntner Ortstafelstreites nun nicht mehr vermieden werden kann.

Es gibt jetzt für Österreich nur noch zwei Möglichkeiten. Österreich kann die Dinge weiter treiben und eine UNO-Debatte auf sich zukommen lassen. Dies würde gerade deshalb, weil das Image eines Staates, der Minderheiten unterdrückt, wirklich in keiner Weise zu Österreich paßt, eine ganz besondere Blamage für dieses Land bedeuten. Die andere Möglichkeit, und die einzige, eine solche Entwicklung der Dinge zu verhindern, bestünde darin, daß Österreich sofort etwas unternimmt, um die Erörterung des Problems vor der UNO zu verhindern, indem es ihr durch Maßnahmen zugunsten der Kärntner Minderheit zuvorkommt.

Die „Minderheitenfeststellung besonderer Art“, wie sie sich die Regierung vorstellt, soweit man überhaupt erahnen kann, wie sie sich dies vorstellt, ist keine solche Lösung. Sie ist eine schwache Abmilde-

Griechenland ist nicht, was es war. Aus den Wahlen des Sonntags ging eine Volksvertretung hervor, die wenig mit den griechischen Parlamenten der vor-obristischen Ära gemein hat. Millionen Griechen haben nicht „ihre“ Parteien gewählt, sondern Karamanlis als einigendes Element, und auch Karamanlis als den Garanten des Überganges vom Militärregime (oppositionelle Militärs haben ihn ja geholt!) zur Demokratie. Zu einer neuen Demokratie, die hoffentlich auch in Zukunft nicht mit Zersplitterung, Fanatisierung und Arbeitsunfähigkeit identisch sein wird. Karamanlis hat alle Chancen. Griechenlands Zukunft als stabile Demokratie liegt heute in seinen Händen.

Man würde jetzt auch Portugal einen Karamanlis wünschen; und daß die Wahlen im März auch tatsächlich stattfinden; und daß es so freie Wahlen werden wie in Griechenland. Überdies, eine regierungsfähige Mehrheit einer Partei mit einer integren demokratischen Opposition — das ist es, was auch Portugal, als Ergebnis seiner Wahlen, braucht.

Portugal hat es schwerer als Griechenland. Wohl vor allem deshalb, weil es keinen Spinola mehr und weniger demokratische Erfahrung hat. Denn Völker werden politisch nicht reifer und weiser, wenn man sie länger niederhält.

rung dessen, was einige Deutschnationale in Kärnten wollen. Sie wollen bekanntlich eine Volkszählung, bei der die Minderheit auf den rein slowenisch-sprachigen Kern reduziert und der Rest, einschließlich der Zweisprachigen und der großen Gruppe der „Windischen“, dem deutschen Lager einfach einverleibt und anschließlich unter dem sozialen Druck der Umgebung zwangsgermanisiert wird.

Eine „Minderheitenfeststellung besonderer Art“ soll wohl — wie sonst? — von besonders höflichen Kommissionen durchgeführt werden; aber sie entspricht in keiner Weise den Bedürfnissen der slowenischen Minderheit — und ihren staatsvertraglichen Rechten. Der Staatsvertrag wurde 1955 unterschrieben. Keine wie immer geartete Zählung, die 1975 durchgeführt wird, kann den Ansprüchen gerecht werden. Man könnte hingegen über eine Feststellung des zweisprachigen Gebietes nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1951 sprechen. Das käme vielleicht am ehesten dem Geist des Staatsvertrages nahe. Man könnte vielleicht auch versuchen, mit den Slowenen darüber zu sprechen, ob und wieweit das Slowenische als Amtssprache jene zweisprachigen Ortsschilder ersetzen kann, neben die man nun einmal keine Dauerbewachung stellen kann.

Österreich müßte, wie gesagt, schnell, sehr schnell, handeln, denn das Problem wird demnächst von der UNO erörtert. Und Österreich müßte sich zu einer Lösung durchringen, die nicht darauf abzielt, jene Verluste, die das slowenische Volkstum durch den zwanzigjährigen Aufschub der staatsvertraglichen Maßnahmen erlitten hat, auszunützen.

Bislang vermissen die Kärntner Slowenen von österreichischer, sprich Deutsch-Kärntner-Seite wirkliche Anzeichen von Entgegenkommen, die kleinste Andeutung von Großzügigkeit, Großherzigkeit. Dies ist einer der Gründe für ihr Beharren auf den Buchstaben des Staatsvertrages. Sie haben 20 Jahre lang beobachtet, wie Österreich für Südtirol alles das verlangt hat, was es seiner eigenen Minderheit verweigerte, obwohl es in einem internationalen Vertrag zugestanden war.

Die Kärntner Slowenen können sich nicht vorstellen, daß ihre deutschsprachigen Landsleute wirklich Angst vor jugoslawischen Ansprüchen haben. Jugoslawien hat den Stkatsvertrag mitunterschrieben und Österreichs Grenzen formell anerkannt. Je weniger Österreich seiner Kärntner Minderheit schuldig bleibt, desto weniger Möglichkeiten wird Jugoslawien haben, durch außenpolitische Drohgebärden und Kraftakte Wind zu machen und von seinen eigenen Problemen abzulenken.

Aber die Kärntner Slowenen können sich auch nicht vorstellen, daß ihre deutschsprachigen Landsleute Angst vor einer „Slawisierung“ haben. Glauben sie denn wirklich, das slowenische Volkstum hätte in Österreich auch nur die geringste Chance zur Ausbreitung? Die slowenischen Kärntner können nur noch bewahren, nur noch das Dahinschwinden der kulturellen und sprachlichen Eigenständigkeit verlangsamen.

Darüber sollten die Verhinderer jeder Lösung einmal nachdenken. Aber bis zur UNO-Debatte über die Slowenenfrage haben sie zum Nachdenken nicht mehr viel Zeit.

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