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Zwei Lager auch zehn Jahre danach

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Am 6. Juli 1972 beschloß die SPÖ mit hauchdünner Mehrheit das Ortstafelgesetz. Im Herbst folgte der Ortstafelsturm. Zehn Jahre danach sind die Probleme nicht kleiner geworden.

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Am 6. Juli 1972 beschloß die SPÖ mit hauchdünner Mehrheit das Ortstafelgesetz. Im Herbst folgte der Ortstafelsturm. Zehn Jahre danach sind die Probleme nicht kleiner geworden.

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Zehn Jahre sind seit der Annahme des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1972 durch das österreichische Parlament vergangen, mit dem Bestimmungen über die Anbringung von zweisprachigen topographischen Bezeichnungen und Aufschriften in den Gebieten Kärntens mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung getroffen worden sind.

Mit dem „Kärntner Ortstafelsturm4' wurde im Herbst 1972 der Realisierung staatsvertraglicher Verpflichtungen ein jähes Ende bereitet. Landeshauptmann Hans Sima, der sich für die Ortstafelregelung eingesetzt hat, wurde durch Landeshauptmann Leopold Wagner abgelöst.

Eine Dreiparteieneinigung führte in der Folge zum Volksgruppengesetz vom 7. Juli 1976. Die 205 im Ortstafelgesetz 1972 vorgesehenen zweisprachigen Ortstafeln wurden im Wege von Durchführungsverordnungen zum Volksgruppengesetz auf 90 reduziert. Von diesen wurden bisher erst rund 25 auch tatsächlich aufgestellt.

Nach außen trat nach der Annahme des Volksgruppengesetzes 1976 zwar eine Beruhigung ein, im Inneren der Volksgruppe gärt es jedoch nach wie vor. Die Volksgruppe verweist darauf, daß sie in 36 zweisprachigen Gemeinden Südkärntens autochthon siedelt, die Ortstafelregelung aber topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache nur in acht Gemeinden—größtenteils lediglich in Gebietsteilen solcher Gemeinden — vorsieht.

Auch die Zulassung der slowenischen Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache gilt nur in dreizehn von 36 zweisprachigen Gemeinden. Jedoch auch in jenen Gemeinden, in denen die Zweisprachigkeit bei den Amtern gesetzlich vorgesehen ist, läßt diese manches zu wünschen übrig.

Die Kärntner Slowenen sind darüber verbittert, daß bei der Verwirklichung staatsvertraglicher Bestimmungen ihre Argumente und Vorschläge keine Berücksichtigung finden. Seit der Annahme des Volksgruppengesetzes durch das Parlament wird seitens der im Kärntner Landtag vertretenen Parteien immer wieder wiederholt, der Staatsvertrag sei hinsichtlich der Minderheitenschutzbestimmungen erfüllt.

Es ist seit dem Kärntner Ortstafelsturm 1972 nicht gelungen, die gegensätzlichen Standpunkte zwischen der Volksgruppe und den politischen Parteien im Lande zu überbrücken. Nach wie vor, stehen sich in Kärnten zwei Lager gegenüber.

Es ist zu bedauern, daß es in den Jahren, seit das Volksgruppengesetz vom, Parlament beschlossen worden ist, in der Volksgruppenfrage kaum zu Initiativen gekommen ist, die eine spürbare Verbesserung der Situation ermöglicht hätten. Es ist außerdem zu bedauern, daß man Probleme, die im Volksgruppenbereich erneut wieder stärker sichtbar werden, kaum zur Kenntnis nimmt. Das ständige Ignorieren brennender Lebensfragen einer Volksgruppe kann in Kärnten zu einer Entwicklung führen, vor der rechtzeitig gewarnt werden soll.

Die slowenische Volksgruppe hat in den vergangenen Jahren angesichts der unveränderlichen Haltung der Parteien in der Volksgruppenfrage ihre ganze Kraft auf Aktivitäten im kulturellen Bereich konzentriert. Neue Chöre und Instrumentalgruppen entstanden. Absolventen des Bundesgymnasiums für Slowenen tragen viel zur Belebung der Kulturarbeit in Kulturvereinen bei.

Von den 709 Maturanten, die bisher das Bundesgymnasium für Slowenen verlassen haben, haben viele bereits das Universitätsstudium in Osterreich abgeschlossen. Uber 160 dieser Absolventen wurden an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Klagenfurt für die Unterrichtserteilung als Lehrer an zweisprachigen Pflichtschulen für befähigt erklärt.

Auch im politischen Bereich macht sich das stete Ansteigen von Absolventen des Slowenischen Gymnasiums bemerkbar. In den Universitätsstädten Wien, Graz, Salzburg und Klagenfurt sind slowenische Studenten bemüht, ihre deutschsprachigen Kollegen über die Situation der Kärntner Slowenen zu informieren und sie für ihre Anliegen zu gewinnen. Noch nie sind in den Universitätsstädten so viele Abhandlungen zum Kärntner Minderheitenproblem in deutscher Sprache erschienen.

Der Umstand, daß man seitens der staatstragenden politischen Parteien in Osterreich zuwenig um Kontakte mit der slowenischen Volksgruppenführung bemüht war, brachte es allerdings mit sich, daß sich die Zentralorganisationen der Kärntner Slowenen immer stärker an Jugoslawien angelehnt haben. Seit junge slowenische Intellektuelle auch in der Kommunistischen Partei Österreichs mitarbeiten, dürfte Jugoslawien mit einer noch viel größeren Aufmerksamkeit die Entwicklung in der slowenischen Volksgruppe verfolgen.

Es gibt nicht wenige in den Organisationen der Kärntner Slowenen, die sich eine größere finanzielle Unabhängigkeit von Jugoslawien wünschen würden. Die Frage, wer den Apparat der Volksgruppenorganisationen, die Minderheitenpresse, die Kulturarbeit, die Institutionen der Volksgruppe usw. erhalten soll, vermochte bisher allerdings niemand zu beantworten. Die für die Volksgruppen in Österreich vorgesehenen alljährlichen Mittel aus der Volksgruppenförderung würden die Bedürfnisse dieser Volksgruppen — auch wenn man die vorgesehenen Mittel zur Gänze flüssig machte - bei weitem nicht decken. Auf jeden Fall trifft dies für die Kärntner Slowenen zu.

Die im Kärntner Landtag vertretenen Parteien werden sich auf jeden Fall bezüglich der politischen und ideologischen Entwicklung in der slowenischen Volksgruppe in Kärnten die Frage stellen müssen, ob sie nicht an dieser Entwicklung auch mitschuldig sind. Sie täten gut daran, ihr Verhältnis zur Volksgruppe zu normalisieren und sich in Wien für gerechte Lösungen von Volksgruppenfragen einzusetzen.

Der Autor ist Ko-Vorsitzender des Deutsch-slowenischen Koordinationsausschusses der Diözese Gurk-Klagenfurt, Schulaufsichtsorean für das Slowenische Gymnasium und Fachinspektor für den Slowenischunterricht an höheren und mittleren Schulen.

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