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Nur mehr Intellektuelle?

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Die Maturanten und — später teilweise — Akademiker, die aus dem Slowenischen Gymnasium hervorgehen, dürften in ihrer Heimat vollauf Beschäftigung finden. Gelegentlich wird freilich die Meinung vertreten, daß die Umkehr eines normalen Minderheitenschulsystems wie in Kärnten (volle Erfüllung der Minderheitswünsche bei höheren Schulen, Fehlen des elementarschulischen Unterbaues) dazu führen könnte, daß die Kärntner Slowenen eines Tages nur noch aus Intellektuellen bestünden, dem das breite Volk fehlt. Es ist nicht möglich, hierzu Prognosen zu stellen.

Zur Durchführung der Minderheitenschutzbestimmungen des österreichischen Staatsvertrages ergingen, gewiß nicht zuletzt wegen der diesbezüglichen slowenischen Memoranden vom Herst 1955, das bereits erwähnte Minderheitenschulgesetz und gleichzeitig das Gerichtsspraohenge-setz für Kärnten (BGBl. Nr. 102/1959). Dieses ist bisher, obwohl der Staatsvertrag auch für die Burgenlandkroaten eine ähnliche Berücksichtigung vorschreibt und es im Burgenland auch Kroaten in nennenswertem Ausmaß gibt (zum Unterschied von den in Wirklichkeit so gut wie nicht vorhandenen, aber im Staatsvertrag doch genannten Slowenen in der Steiermark), die einzige gesetzgeberische Berücksichtigung einer Minderheitensprache bei österreichischen Gerichten. In Art 7 Z. 3 des Staatsvertrages heißt es: „In den Verwaltung«- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen.“ Auch wenn man die authentischen Texte in den anderen drei Sprachen der Staatsvertragspartner zum Vergleich heranzieht, kann unter „Bezirk“ nur der Gerichtsbezirk für die Gerichtssprache im Sinne der jeweils gültigen Gerichtsorganisationsbestimmungen, für die Verwaltung nur der politische

Bezirk (Stadt mit eigenem Statut oder Verwaltungsbezirk mit einer Bezirkshauptmannschaft an der Spitze), nicht aber die „politische Expositur“ gemeint sein, wie es solche gerade für den Bezirk Klagenfurt-Land mit seiner teilweise slowenischen Bevölkerung (Expositur Ferlach) gibt.

Keine „ethnische Verformung“

Eine Änderung der gemischtsprachigen Gerichtsbezirke wäre an sich formell zum Nachteil der Sprachminderheit zulässig. Als der Bundesminister für Justiz, Dr. Christian Broda, eine ziemlich umfassende Auflassung von sogenannten „einspännigen“ Bezirksgerichten in Österreich erwog, hat er die in Kärnten vorgeschlagene Auflassung der kleinen doppelsprachigen Bezirksgerichte Eisenkappel und Bleiburg ausdrücklich deshalb abgelehnt, weil sich dadurch die slowenische Minderheit für beschwert erachten könnte. Tatsächlich würde dies notwendigerweise zum Verlust von Bezirksgerichten mit slowenischer (wahlweiser) Gerichtssprache geführt haben, da diese Sprengel zu dem derzeit rein deutschsprachigen Bezirksgericht Völkermarkt gekommen wären. Eine solche „ethnische Verformung“ (um einen Ausdruck des Londoner Memorandums 1954 für das TLT Triest zu übernehmen) wäre sicher mit dem Geist des Staatsvertrages und übrigens auch mit der Menschenrechtskonvention nicht zu vereinbaren. Daß der Justizminister an diese, nicht ohne weiteres von selbst aufstoßende Seite der Frage gedacht hat, verdient Hervorhebung.

Das Kärntner Gerichtssprachengesetz ist eine erfreuliche Erfüllung von Art. 7 des Staatsvertrages. Nur hat es Schönheitsfehler. Statt, wie es einem Gesetz auf dem Gebiete des Spradienrechtes allein angemessen wäre, für die dem Gesetzgeber vorschwebende Mindestzahl von 20 Prozent der Bevölkerung der Minderheitssprache in dem jeweiligen Bezirk alle nach der letzten Volkszählung sich in irgendeiner Variante zur Sprachminderheit der Slowenen bekennenden Inländer zusammenzuzählen, wurden nur solche Personen gezählt, die Slowenisch oder bei Mischtypen Slowenisch an erster Stelle als ihre Umgangssprache 1951 angegeben hatten. Dadurch kamen nur die Gerichtsbezirke Eisenkappel (31,4 Prozent), Bleiburg (22,4 Prozent) und Ferlach (20 Prozent) in den Katalog der Gerichtsbezirke, in denen Slowenisch als Gerichtssprache zugelassen ist. Wäre die Volkszählung

1961 zugrunde gelegt worden, so ergäbe sich für die Varianten „slowenisch“, „slowenisch-deutsch“ und „slowenisch-windisch“ nur noch in einem der drei Gerichtsbezirke die 1951 noch vorhandene 20prozentige Mehrheit, nämlich in Bleiburg mit 1070 von insgesamt 4633 Bewohnern. Rechnet man aber, wie man dies für das Sprachkriterium tun müßte, alle Varianten der angegebenen slowenischen Sprachvarianten zusammen, so müßte die Gerichtssprache bei Anwendung der 20-Prozent-Klausel neben Deutsch auch Slowenisch sein.

Nicht nur die Gerichtsbezirke des Kärntner Gerichtssprachengesetzes (Eisenkappel, Bleiburg und Ferlach), sondern auch Eberndorf und Rosegg selbst mußten nach der für Kärnten viel zu hoch gegriffenen 20-Prozent-Quotengrenze doppelsprachige Bezirksgerichte haben. Da aber die Festlegung im Gesetz keine Rücksicht auf Veränderungen der Sprachenzusammensetzung nimmt, müßte richtigerweise überhaupt von solchen Fixierungen abgegangen und, solange es in dem Sprengel noch Gemeinden mit mindestens 20 Prozent Angehörigen der Sprachminderheit gibt, das betreffende Bezirksgericht als doppelsprachig erklärt werden. Das allein entspräche dem Art 7 des Staatsvertrages.

Man könnte nun einwenden, daß nur sehr wenige Prozeßparteien und Einschreiter bisher bei den drei doppelsprachigen Gerichten slowenische Eingaben, Klagen usw. eingebracht haben. Das ist richtig. Die genaue Zahl hat der Verfasser in einem größeren Werk zur Veröffentlichung vorgesehen. Aus der Nichtbeanspru-chung der slowenischen Gerichtssprache aber zu schließen, daß kein entsprechend geschütztes Rechtsgut vorhanden sei, wäre irrig. Volksgruppenrechte erlöschen ja nicht binnen ganz kurzer Zeit durch Verjährung oder Nichtgebrauch. Vor allem kann es Österreich nichts schaden, wenn es in diesen Bezirken der Minderheit die rechtliche Möglichkeit gibt, in ihrer Spräche bei den Gerichten einzuschreiten.

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