6836539-1975_18_04.jpg
Digital In Arbeit

Es gibt Mythenbildungen

Werbung
Werbung
Werbung

Zwar hat die letzte Sitzung der Studienkommission für die Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten („Ortstafelkommission“) darunter gelitten, daß sie nur drei Stunden dauerte und dann beendet wurde, da der Saal nicht länger zur Verfügung stand — für die von weither anreisenden Mitglieder eine Belastung —, und es wäre wohl vermessen, aus den drei Stunden Beratungen Schlußfolgerungen zu ziehen, doch hat man sich immerhin an Hand eines der möglichen Gesetzentwürfe für ein Verwaltungs-Amtssprache-gesetz in Kärnten weiterhin in etwa geeinigt, soweit es eben diesen Entwurf anlangt. Die nächste Sitzung vom 9. Mai wird sich mit weiteren Entwürfen zu befassen haben.

Immerhin beginnt sich so etwas wie ein Ende der Arbeiten abzuzeichnen, wobei uns zwei diametral einander entgegenstehende Grundauffassungen vorliegen: Einerseits die Auffassung, daß es eine Volks- oder Sprachzählung „besonderer Art“ geben soll, deren Ergebnisse unter Be-dachtnahme auf noch zu fixierende Prozentsätze das gemischtsprachige Territorium definieren helfen sollen, auf welchem es zweisprachige Ortstafeln geben und wo vor den Behörden und Gerichten neben der deutschen auch die slowenische Sprache als Amtssprache zugelassen sein soll; und auf der anderen Seite die Auffassung, daß eine solche Min-derheitenermiittlung von Amts wegen — darauf läuft die Volksoder Sprachzählung besonderer Art hinaus — von allen volksbewußten Slowenen abgelehnt wird, weil sie zur Reduzierung der Volksgruppe in einem so krassen Ausmaß führen müßte, daß es in Kärnten bis auf zwei oder drei Gemeinden keine gäbe, wo das Slowenische zusätzlich zum Deutschen überhaupt zuzulassen ist. Gewiß, man könnte den Prozentsatz so niedrig halten, daß auch bei einer Volkszählung besonderer Art eine große Zahl von Gemeinden und Gemeindeteilen zweisprachig wären. Aber es wäre wohl irreal, zu glauben, daß bei Prozentsätzen von fünf und weniger Prozent der Gesetzgeber sich noch für Zweisprachigkeit entscheiden würde. Die echte Alternative zur Volkszählung besonderer Art ist nur die Heranziehung der Ergebnisse der Volkszählung von 1951 (Sprachzählung nach Umganesspraehe) als die letzte vor dem Staatsvertrag, bei deren Berücksichtigung man auch Prozentsätze zwischen 10 und 20 Prozent Minderheitenangehörigen im Gebiet der

damaligen Gemeinden akzeptieren könnte.

Es gibt — wie überall — auch hier Mythenbildungen. Ein solcher Mythos ist die Behauptung, die „Ortstafelkommission“ habe sich für eine Volkszählung besonderer Art (im Jahre 1976) entschieden. In Wirklichkeit hat der Bundeskanzler verlangt, die Kommission solle die Modalitäten ausarbeiten, wie eine solche Sprachzählung mit entsprechender Geheimhaltung durchgeführt werden könnte. Die Kommission hat eine solche Zählung besonderer Art als ein mögliches Modell der Festlegung des Territoriums, auf welchem das Slowenische neben dem Deutschen als Amtssprache zuzulassen ist (inklusive Ortstafeln) befunden und die Durchführungsmodalitäten einhellig festgelegt (dies mit sehr wirksamer Hilfe des Statistischen Zentralamtes). Ob eine Volkszählung besonderer Art stattfinden soll, was die Erfüllung einer von extrem deutschnationaler Seite in Kärnten erhobenen Forderung mit eindeutig antislowenischem Charakter wäre, oder ob man auf anderen Kriterien aufzubauen hat, ist nicht entschieden und kann nur vom Bundeskanzler entschieden werden, der vor den Herbstwahlen vermutlich aus parteitaktischen Gründen gar keine Entscheidung fällen wird.

Was die Studienkommission derzeit erarbeitet, ist zweifellos beachtlich, ob dabei aber etwas wirklich Minderheitenfreundliches herauskommt, steht noch immer in den Sternen. Denn darüber, was minderheitenfreundlich ist, gehen die Meinungen zu sehr auseinander. Daß man dazu die Minderheiten hören soll, dürfte freilich jedem Anhänger freiheitlicher Demokratie evident sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung