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Adresse: am Ballhausplatz

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In Kärnten ist der Wahlkampf vorbei. Hoffentlich auch ein Klima, das reit 1945 kaum irgendeinen Wahlkampf kennzeichnete. Resseniiippnts und’ längst totgeglaubte Phobien aus der untersten politisciien’’Kade feierten schäbige Urständ. Ein Wahlkampf auf dem Buckel der Minderheit.

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In Kärnten ist der Wahlkampf vorbei. Hoffentlich auch ein Klima, das reit 1945 kaum irgendeinen Wahlkampf kennzeichnete. Resseniiippnts und’ längst totgeglaubte Phobien aus der untersten politisciien’’Kade feierten schäbige Urständ. Ein Wahlkampf auf dem Buckel der Minderheit.

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Man muß sich fragen, was das Wahlergebnis nunmehr für das Zusammenleben der Volksgruppen in Kärnten bedeutet: Kann es im Zuge einer Beruhigung zu einem echten Ausgleich kommen? Oder haben jetzt erst diejenigen Oberwasser, die im Wahlergebnis einen honorierten Sieg ihrer „Volkstum“-Konsequenz sehen?

Die Slowenen haben kein Mandat gewonnen. Jetzt rächt es sich doppelt, daß die Minderheit in sich zerstritten aufgetreten ist. Eine ferngelenkte und von Belgrad bestellte Wahlempfehlung für die KPÖ wird sich möglicherweise auch weiterhin rächen.

Zwei Lehren könnten die Kärntner Slowenen Vertreter aber jetzt ziehen:

• Jugoslawien will im Zusammenhang mit der Minderheitenfrage nur sein eigenes Süppchen kochen. Man sollte keinen Zweifel daran lassen, daß die Hauptadresse für die Minderheitsvertreter der Ballhausplatz und nicht ein Ministeramt in Belgrad ist.

• Die Kärntner Einheitsliste (KEL) hat sich — auch ohne Mandatsgewinn — als Integrationsfaktor erwiesen. Man sollte die KEL als politisches Sprachrohr weiterbestehen lassen. Pavel Apovnik hat weit über Kärnten hinaus — gerade durch sein nüchternes und ehrliches Auftreten im Wahlkampf — Sympathien erworben. Die Kärntner Slowenen dürfen versichert sein: Sie haben in ganz Österreich unzählige vernünftige Verbündete, die man mobilisieren kann.

Alle drei großen Parteien haben sich auf eine „Minderheitenfeststellung besonderer Art“ geeinigt. Vor dem Kärntner Wahltag. Bekanntlich wird aber nie so heiß gegessen wie gekocht. Mit gutem Grund lehnen — von ihrem Standpunkt aus — die Slowenenvertreter die Minderheitenfeststellung ab. Man wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß man die Minderheit nicht zur Mitwirkung an einer durchzufüihrenden Volkszählung zwingen kann. Es ist nämlich das gute Recht der Minderheit, sich nicht — auf welche Weise immer — über ihre Sprach-, Volkstums- oder Gruppenzugehörigkeit von Statistikern ausfragen zu lassen. Und damit wird die Minderheitsfeststellung — welcher Art immer — obsolet.

Aber es ist einfach auch festzuhalten, daß im Staats vertrag 1955 die Durchführung der Schutzbestimmungen für die Minderheit von ihrer Feststellung abhängig gemacht wurde. Was immer „Feststellung“ sein mag.

Österreich ist seit 1955 säumig geworden und die internationale Öffentlichkeit wird uns wegen des angeblichen österreichischen Charmes nicht aus unseren Staatsvertragsverpflichtungen entlassen. Man führe also endlich das durch, was man schon 1955 tun hätte sollen!

Für die Durchführung des Staatsvertrages 1955 ist die Volkszählung 1951 eine sehr exakte Grundlage. Wievttele slowenisch sprechende Kärntner 1955 in den Gemeinden am Fuß der Karawanken lebten, sollte der damals letzten Volkszählung entnommen werden.

Dennoch ist festzuhalten: Selbst im Falle einer Lösung der Frage im oben vorgezeichneten Rahmen zusammen mit den Vertretern der Minderheit muß jetzt jener unselige Geist in Kärnten ausgerottet werden, der einen Teil der Mehrheit offenbar erfaßt hat. Selbst wenn sich auf politischer Ebene alle Beteiligten einigen, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen — kann dann garantiert werden, daß diese auch nicht wieder weggerissen oder beschmiert werden?

Es sollte — nach den Aufregungen der Tage vor dem 2. März — ein vorrangiges Anliegen des nunmehr gewählten Landeshauptmannes und des ganzen Landtages sein, die Einstellung zu revidieren, die man bislang an den Tag legte. Kann es dem Fremdenverkehrsland Kärnten gleichgültig sein, ob es ganz Österreich einer permanenten Blamage aussetzt? Ist es zu rechtfertigen, daß man einer Gruppe von Österrei chern, die sich heute fast einmütig voll und ganz zur demokratischen Republik bekennen, ein Recht verweigert, das Italien in Triest und Görz seinen Slowenen längst gewährt hat — und das auch in Südtirol längst außer Diskussion stand — zweisprachige Ortstafeln nämlich?

Geling es nämlich nicht, den Geist der Unduldsamkeit in Kärnten zu bannen, wird ganz Österreich ohne Zweifel in eine außerordentlich miese internationale Situation geraten. Jugoslawien genießt nun einmal volle Sympathien bei der überwiegenden Mehrheit der UNO-Mitglieder; und wer die Kommentare in der westlichen Presse zur Kärntner Wahl gelesen hat, weiß, daß in Europa und den USA auch nicht das geringste Verständnis für eine Tafelverweigerung besteht. Abgesehen davon, daß wir einfach den Staatsvertrag, die Grundlage unserer Souveränität, im zwanzigsten Jubiläumsjahr nicht in eine Diskussion ziehen sollten, die überhaupt nicht notwendig ist. Nicht hier und nicht mehr heute, 1975.

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