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Ein Jubiläum aus Kärntner Sicht

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Österreich, zwischen 1945 und 1955 viergeteilt in verschiedene Zonen, ausländischen Besatzungsmächten unterworfen und seiner Freiheit beraubt, hat gerade in dieser Zeit, im Nachklang an die Schrecken des Krieges und den damaligen Verlust seiner Eigenständigkeit und in der Bewährung des Wiederaufbaues, zu sich selbst gefunden.

Seit diesen schweren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Österreicher - anders als zu den Zeiten der Ersten Republik - keine Zweifel mehr an der Lebensfähigkeit dieses Staates und ist bereit, die Rolle Österreichs als neutraler Kleinstaat zu akzeptieren. Und wenn nun Verlust der Staatlichkeit, Krieg, Wiederaufbau und Besatzungsregime zu einem Zusammenrük-ken innerhalb der österreichischen Schicksalsgemeinschaft geführt haben, so war dies nur möglich über den Weg der Identifikation des Österreichers mit seiner engeren Heimat, dem Bundesland seiner Herkunft. Das ist wohl darauf zurückzuführen, daß die österreichischen Bundesländer, historisch gesehen, nicht nur Regionen mit verschiedenen Landschaftstypen und mit Menschen verschiedener Dialektfärbung sind. Die österreichischen Bundesländer sind Territorien, die schon seit Jahrhunderten - jedes mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet - miteinander verbunden sind.

So ist Kärnten bereits seit tausend Jahren eine politisch-administrative Einheit mit Selbständigkeitsbefugnissen und mit einer das Landesbewußtsein in besonderem Maße prägenden eigenen Geschichte. Auch die Zeit von 1945 bis 1955, die Zeit vor dem österreichischen Staatsvertrag, hat für die österreichischen Bundesländer je nach Besatzungsmacht verschieden hohe Belastungen und Folgen gezeigt. Verständlich auch, daß daher der Staatsvertrag und der Abzug der Besatzungsmächte in den verschiedenen Teilen Österreichs mit verschiedener Intensität herbeigesehnt wurde. Eine österreichische Sonderstellung nimmt hiebei Kärnten ein. Nicht ein allzu bedrückendes Besatzungsregime war die Hauptsorge des Landes, sondern die Ungewißheit über seine Grenzen.

Kärnten ist das einzige Bundesland, dessen gebietsmäßige Integrität, wie schon nach dem Ersten so auch nach dem Zweiten Weltkrieg, durch jugoslawische Gebietsforderungen gefährdet worden ist. Erst mit dem Abschluß des Staatsvertrages von 1955 wurde in klarer Weise dokumentiert, daß Österreich in den Grenzen von 1937 zu verbleiben habe. Die Gebietsforderungen wurden damit durch einen völkerrechtlichen Akt, der die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, abgewiesen.

Jugoslawien hat übrigens diese Ent-

Scheidung akzeptiert, ist dem Staatsvertrag sogar beigetreten und hat durch eine Fülle von sonstigen auf die gemeinsame Grenze bezogenen Abkommen und politischen Erklärungen Kärntens und Österreichs Grenzen anerkannt. Durch diese Haltung wurde und wird ein unbelastetes, gutnachbarliches Verhältnis zwischen Kärnten und seinem südlichen Nachbarn ermöglicht.

Der Staatsvertrag enthält noch eine neben dem Burgenland und der Steiermark im besonderen sich für Kärnten auswirkende Bestimmung, nämlich den Artikel 7, in dem Österreich verpflichtet wird, seinen slowenischen bzw. kroatischen Minderheiten bestimmte Rechte einzuräumen. Seit vielen Jahrhunderten leben in Kärnten, neben- und miteinander, Menschen verschiedener

Sprachzugehörigkeit. Alle Probleme und Schwierigkeiten, die sich daraus er-geben und die sich insbesondere seit dem Erwachen des nationalen Gedankens in den Völkern seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ergeben haben, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Menschen dieses Landes eine historisch begründete Schicksalsgemeinschaft vereint; eine Schicksalsgemeinschaft, die auch in kultureller Hinsicht beeinflußt und geprägt ist aus der Verschmelzung deutscher und slawischer Kultur.

Der Anteil der Kärntner, die sich heute zur slowenischen Volksgruppe bekennen, ist, gemessen an früheren Jahrhunderten oder auch früheren Jahrzehnten, klein geworden. Gerade der daraus abgeleitete Impuls nach Erhaltung des klein gewordenen Bestandes der Volksgruppe führt immer wieder zu heftigen und scharfen Forderungen und Beschuldigungen aus der Volksgruppe und zu dementsprechen-den Reaktionen von Gruppen im Mehrheitsvolk. Es ist dies keine nur auf Kärnten und die hier lebende Bevölkerung bezogene Besonderheit, sondern ein weltweites Problem, das es fast überall gibt, wo Volksgruppen innerhalb eines Mehrheitsvolkes leben.

Für die 3 Prozent der Kärntner, die sich zum slowenischen Volkstum bekennen, stehen über 80 Volksschulen mit zweisprachigem Unterricht, Hauptschulen, mittlere und höhere Schulen mit slowenischem Sprachunterricht und ein eigenes Bundesgymnasium für Slowenen zur Verfügung. In über 70 slowenischen Vereinen und in 35 slowenischen Chören sowie in täglichen Rundfunksendungen kann der Kärntner Slowene seine kulturelle Eigenart pflegen.

Eigene Zeitungen, Druckereien, Buchhandlungen und Verlage ermöglichen es den Kärntner Slowenen, ihre nationalen Interessen frei zu äußern. Für Kärnten ist der Artikel 7 des Staatsvertrages erfüllt. Die Verpflichtung, um ein Klima des Vertrauens bemüht zu sein, bleibt sowohl für Regierung, Mehrheitsvolk wie Minderheit eine ständige Aufgabe.

Der Kärntner hat in Vergangenheit und Gegenwart oft den Eindruck erhalten müssen, daß die besonderen Anliegen und Probleme des Landes in unserer größeren österreichischen Gemeinschaft nicht immer auf das entsprechende Verständnis stoßen. Wir haben damit zu leben gelernt. Unser föderalistisches Selbstbewußtsein und unsere feste Uberzeugung, daß die Bundesländer in diesem Bundesstaat alles das besorgen sollen, zu dessen sachgerechter Lösung sie allein, ohne Benachteiligung oder Schädigung der übrigen Bundesländer oder des Gesamtstaates, befähigt sind, wird hiedurch nur gestärkt.

Solche Anliegen, die geradezu Lebensinteressen unseres Landes betreffen und die wir sehr oft nur gegen - jedenfalls anfängliche - Widerstände realisieren konnten und noch realisieren werden müssen, sind die Schaffung und noch weitere Ausgestaltung der Verkehrsverbindungen nach Kärnten. Was andere Landeshauptstädte seit Jahrhunderten haben, eine Universität als geistiges Zentrum, mußte von uns erst mühselig und mit hohen eigenen Aufwendungen erkämpft werden.

In den 25 Jahren seit dem Staatsvertrag ist es uns auch gelungen, durch eine Gemeindereform und eine lebens- und bürgernahe Verwaltung die Basis für eine wirtschaftliche Entfaltung im Lande zu stärken.

Durch große gemeinsame Anstrengungen ist es gelungen, beispielhafte Erfolge auf dem Gebiete des Umweltschutzes zu erreichen - unsere Kärntner Seen, eine Hauptgrundlage des Tourismus im Lande, haben Trinkwasserqualität.

Kärnten ist heute kein armes Land mehr, sondern ein Land, das eine gefestigte Wirtschaft mit weitgehend gesicherten Arbeitsplätzen hat, und es ist ein Land, in dem fleißige und tüchtige Menschen die Garantie dafür bieten, daß es gut weitergehen kann.

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