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Forderungen der „anderen“ Seite

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Auf deutschbetonter Kärntner Seite wird seit Jahr und Tag eine amtliche Minderheitenfeststellung für die Slowenen verlangt35. Die nationalen slowenischen Verbände sprechen sich ebenso entschieden dagegen aus3'. Die Forderung nach einer solchen Feststellung ist jungen Datums und geht auf die Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrages von 1955 zurück, der in Artikel 7 außer den Burgenlandkroaten auch den Slowenen in Kärnten und Steiermark bestimmte Minderheitsrechte sichert, wobei Sprachenrechte (Gerichts- und Verwaltungsbehörden, topographische Aufschriften) auf Verwaltungs- und Gerichtsbezirke beschränkt sind, die eine slowenische oder eine gemischte Bevölkerung aufweisen. Es erscheint verständlich, daß die Mehrheitsvertreter meinen, diese Vorschriften hätten nur für solche Bezirke zu gelten, die eine gewisse Mindestzahl von Minderheitsangehörigen aufweisen. Außer im Kärntner Gerichtssprachengesetz, das die berechtigten Interessen der Minderheit aber nicht annähernd hinreichend berücksichtigt, wie die Europäische Menschenrechtskommission in

Straßburg in ihrem Spruch zum Beschwerdefall Isop37 mit kaum überbietbarer Deutlichkeit ausgesprochen hat, ist man bisher in keinem Falle von dem Erfordernis einer bestimmten Zahl Minderheitsangehöriger ausgegangen, die den staatsvertraglichen Schutz mit sich bringe. Ein

Minderheiten-Verwaltungssprach-Gesetzentwurf38 ist' an dem erbitterten Protest der deutschbetonten Organisationen und Gruppen deshalb gescheitert, weil es auf überliefert gemischtsprachigen Bezirken aufbaute und nicht von einer vorherigen Ermittlung der heutigen Minderheitsangehörigen (gesetzliche Minderheitenfeststellung) ausging.

Ein rechtliches Unikum

Dieses Verlangen nach einer amtlichen Minderheitenfeststellung stellt im internationalen Minderheitenrecht ein Unikum dar, weil damit eine Versteinerung eines Volkstumsbestandes herbeigeführt würde. Der Grundgedanke des nationalen Katasters, der im alten Österreich (Mähren, Bukowina) entwickelt worden ist, geht zwar auf Feststellung der ethnischen Zugehörigkeit und hat sich damals ausgezeichnet bewährt. Aber: Einerseits standen sich die Nationalitäten in den betreffenden Gebieten (zum Beispiel Stadt Brünn) in einem gewissen Gleichgewicht gegenüber, das eine Majorisierung so ziemlich ausschloß, und anderseits diente damals der nationale Kataste- ja gerade einer gewissen Trenn, ng und der Sicherung autonomer Einrichtungen der betreffenden Nationalitäten. Diese Regelung war wirklich mustergültig39. In Kärnten soll die Minderheitenfeststellung aber nicht der Schaffung autonomer Einrichtungen dienen, in denen die Minderheit sich dann unabhängig von ihrer Zahl frei entwickeln und

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Da die Kärntner Slowenen heute i ihre Loyalität gegenüber Österreich i formell erklären (ohne übrigens zu i mehr als einer Gesetzesloyalität verpflichtet zu sein“, ihnen aber, soweit sie den sogenannten Nationalslowenen angehören, immer vorgeworfen wird, sie seien für Jugoslawien, obwohl das durchwegs nicht zutrifft, würde die Minderheitenfeststellung durch Abstimmung (Bekenntnis) eine erheblich geringere als die tatsächliche Slowenenzahl schon aus politischen Alibigründen ergeben.

Zweifelhafte Spekulationen

Die Slowenen machen schon seit dem ersten Weltkrieg geltend, daß für sie eine Minderheitenfeststellung nur dann akzeptabel sei, wenn sie nach dem Prinzip der objektiven Merkmale statt des Bekenntnisprinzips erfolge. Sie sind damit eine der sehr wenigen nationalen Minderheiten, die das Bekenntnisprinzip ablehnen, das sonst immer von den Volksgruppen bejaht und gefordert wird (darunter auch von der Südtiroler Volksgruppe). Schwache, von Um-volkung bedrohte Minderheiten mit Elementen schwebenden Volkstums neigen zwecks Substanzrettung zum Prinzip der objektiven Merkmale. Würde man als objektives Merkmal nur die Muttersprache nehmen, die ja am ehesten objektiv eruierbar ist, so mag es noch angehen, die Slowenen kommen aber immer wieder auf andere objektive Merkmale, vor allem die Haus- und Familiennamen, zurück. Ginge man darnach vor, so wäre halb Kärnten von Slowenen bewohnt und manche deutschkärntnerischen Führer der letzten Jahrzehnte (Wutte, Schumy, Ferlitsch) wären darnach Slowenen gewesen und mancher national führende Slowene (Grafenauer, Grill, Tischler, Mikl) Deutschkärntner. Mit solchen Spekulationen, die höchst unfruchtbar sind, ist nichts geklärt.

Eine Minderheitenfeststellung ist demnach überflüssig, ja höchst bedenklich. Es müßte genügen, den fördernden Schutz der slowenischen Sprache auf jene Bezirke zu erstrecken, in denen nach der letzten Volkszählung zum Beispiel 7 Prozent (nach finnischem Muster) in irgendselbst verwalten könnte, sondern der Abgrenzung von Verwaltungsbezirken mit Minderheitenschutz im Sinne des Staatsvertrages von 1955 mit der eingestandenen Zielsetzung, diese Gebiete zu dezimieren, ja möglichst überhaupt verschwinden zu machen.

Auch hier ist wiederum die Windischen-Frage dominierend. Sicherlich würde, wenn diese deutschkärntnerischen Forderungen durchgingen, bei der Minderheitenfeststellung das nationale (ethnische) Bekenntnis der Befragten ermittelt werden und nicht die Haus- oder Umgangssprache, nach der man ja in den Volkszählungen gefragt hat und deren Zugehörige daher (mit den erwähnten Fehlerquellen) ermittelt wurden. Man würde also nach der Volkszugehörigkeit fragen, wie dies bisher einmal, nämlich in der Volkszählung 1939 geschehen ist. Damals hat man, offensichtlich zu dem Zweck, möglichst viele Personen slowenischer oder windischer Muttersprache mit Bekenntnis der deutschen Volkszugehörigkeit zu ermitteln, neben der Sprachzugehörigkeit auch die Volkszugehörigkeit ermittelt. Nach dem Ergebnis der Befragung (reines Bekenntnis ohne Rücksicht darauf, ob dieses Bekenntnis der objektiven Wahrheit entSDrachi wurden ermittelt40:

einer Variante die Minderheitszügehörigkeit der Sprache nach angeben Noch besser wäre es, man könnt< sich über den räumlichen Rahmer mit den beiden slowenischen Organisationen einverständlich einigen.

Unter den gegebenen Umständen, auf die Ermacora in einem nur von den Slowenen positiv aufgenommenen, vielbeachteten Aufsatz hingewiesen hat*', würde man bei einer Befragung nach Volkszugehörigkeit jenen Personenkreis, den man heute die „Windischen“ nennt, eliminieren.

Vor allem aber muß von einer Minderheitenfeststellung abgesehen werden, wenn und solange die befugten Sprecher der Minderheit selbst eine solche ablehnen. So, wie man in Südtirol über die berechtigten Wünsche der Südtiroler nicht die Italiener oder die Dissidenten nach dem Muster Raffeiners entscheiden lassen kann, sondern nur jene, die die deutschsüdtiroler Volksgruppe repräsentieren, also die SVP, kann man in Kärnten doch nicht über Ansichten und Wünsche hinweggehen, die die Minderheit selbst durch ihre befugten Sprecher (Volksrat und Verband slowenischer Organisationen) als existenzentscheidend ansieht. Es sei denn, diese Wünsche gefährden Bestand und Sicherheit Österreichs.

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