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„Aus einem Spruchbeutel schöpfen“

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Die vom ORF, FS 2, ausgestrahlte umfangreiche Sendung „Fremde in der Heimat“, die am 18. Juni ein abendfüllendes Programm darstellte, gibt zu verschiedenen Erwägungen Anlaß.

Zunächst läßt sich die Frage stellen, warum der ORF den an den Film anschließend in einer Diskussion in Klagenfurt herangezogenen Diskussionsteilnehmern keine Gelegenheit gab, sich den Film vorher anzusehen und demgemäß sich auf die Diskussion vorzubereiten. Dann wären vermutlich manche Härten bei den drei Parteipolitikern (Abgeordneter Kerstnig für die SPÖ, Nationalratsabgeordneter Deutschmann für die ÖVP und Nationalratsabgeordneter Scrinzi für die FPÖ) gemildert worden und hätten sich diese Diskutanten vorsichtiger verhalten. Die „andere“ Seite, die man als die slowenische oder pro-slowe-nische bezeichnen könnte, hatte es insofern einfacher, als die Drehbuchverfasserin und Interviewerin Brandstaller ja den Film „gemacht“ hatte und um seine Stärken wie Schwächen und daher auch die zu gewärtigenden Einwände der betont deutschkärntnerischen Diskutanten (Politiker) in etwa zum voraus wissen mußte.

Ob die Auswahl der Vertreter der drei politischen Parteien sehr glücklich gewählt war, wenn man sich um

Versöhnung in Kärnten bemühen wollte, sei dahingestellt. Man hätte sicherlich in den drei Parteien durchaus maßgebliche Repräsentanten gefunden, die nicht so extrem in nationalpolitischen Glaubensartikeln, wie sie vom Kärntner Heimatdienst und anderen vorfabriziert wie austauschbare Bausteine angekarrt zu werden pflegen, festgefahren sind. Wobei der unelastischeste übrigens weder der Vertreter der ÖVP noch jener der FPÖ, sondern jener der SPÖ war. Die Diskussion wurde dadurch ziemlich unfruchtbar, vor allem aber erhärtete sie den von den Politikern erbittert zurückgewiesenen Vorwurf, die Kärntner Slowenen könnten sich nach der ihnen ge-

seilschaftswirklich zuteilwerdenden Behandlung durch die Deutschkärntner nicht als gleichberechtigt fühlen, sondern nur als „Fremde in der Heimat“.

Der Film sollte, seinem Titel nach, dieses Faktum aufzeigen. Daß, wie der SPÖ-Vertreter in der Fernsehdiskussion sagte, damit ein neues Schlagwort in den Volkstumskampf in Kärnten geworfen werde, das nicht mehr verschwinde, ähnlich dem Schlagwort von der „Urangst“ der Deutschkärntner, ist möglich, aber nur dann, wenn die Situation von heute aufrechtbleibt. Es ist bedauerlich, daß auch in dem Film die einzig wirklich zur Versöhnung beitragende Aktion, nämlich jene des

Koordinationsausschusses der Diözese Gurk mit dem „Gemeinsamen Kärnten“, mit keinem Wort positiv beurteilt wurde, wohl aber von einem Deutschnationalen eine sehr abschätzige Beurteilung fand. Das mag vom Buch her beabsichtigt gewesen sein, um die Deutschnationalen besonders schlecht abschneiden zu lassen, kann aber außerhalb Kärntens das Gegenteil bewirkt haben. Und außerdem muß man doch sagen, daß von slowenischer Seite jenseits der Karawanken diese Diözesan-Aktion mehrfach sehr heftig als „faschistisch“ und antislowenisch bezeichnet wurde.

Tatsächlich ist die Bezeichnung „Fremde in der Heimat“ kein neues Schlagwort. Schon lange geht doch die Auseinandersetzung um den Begriff „Heimattreue“ und Kärnten als Heimat für Kärntner beider Sprachgruppen mit zugleich einem Bekenntnis zu Österreich. Der Film hat den Begriff Heimat nicht erläutert und nicht sichtbar gemacht. Dabei gibt es heute eine Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Recht auf die Heimat, zuletzt ausgearbeitet durch den Franzosen Marc Lenge-reau und den Niederländer Dubuy. Davon war in dem Film aber nicht viel zu spüren. x

Der Film entwarf ein düsteres Bild von der ethnopolitischen Lage in Kärnten, und wenn Gatterer den Deutschnationalen larmoyante Aggressivität vorwarf, wobei er auch Vergleiche zur Diskriminierung der Südtiroler durch das faschistische Italien anstellte (er ist Südtiroler und hat das miterlebt, gab aber in

der Diskussion das Land nicht an, wo er diese Erlebnisse hatte), so mußte er bei den Parteipolitikern auf Widerspruch stoßen. Sicher war der Film auch im übertragenen Sinne in Schwarz-Weiß gemalt, denn den Vertretern der Slowenen, darunter besonders viele einstige Partisanen, was das Bild zusätzlich verzerrte, wurden mit wenigen Ausnahmen wie dem Landtagsvizepräsidenten Guttenbrunner (SPÖ) nur solche Angehörige des Mehrheitsvolkes gegenübergestellt, von denen man mit Sicherheit vorauswußte, daß sie die Falle gar nicht bemerken und aus einem Spruchbeutel schöpfen würden, der in politisch gemäßigteren Zonen Österreichs auf Ablehnung oder doch Verwunderung stoßen würde. Damit wurde Kärnten vor dem übrigen Österreich — die Filmmacherin betonte in der Diskussion, daß der Film nicht für Kärnten, sondern vor allem für Nicht-kärntner gemacht worden sei und fehlende Information liefern solle — in ein weitaus schlimmeres Licht gesetzt, als gerechtfertigt ist. Es mag alles, was da an Slowenenverfolgung gezeigt und gesprochen wurde, stimmen, aber es wurde zugleich alles verschwiegen, was an Bemühungen versöhnlicher Gruppen zu verzeichnen ist. Wäre es nicht richtig gewesen, auch Heinrich Drimmel zu interviewen, dem die Slowenen das eigene Gymnasium verdanken, oder den ehemaligen Minister Ludwig Weiss?

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