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Kompromiß zwischen Licht und Dunkel

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Die Entwicklung der letzten Monate hat der Kärntner Minderheitenfrage nichts von ihrer Irrationalität und Unberechenbarkeit genommen. An der Oberfläche haben sich wohl die Wogen geglättet. Österreichs südlicher Nachbar und Staatsvertragspartner Jugoslawien scheint sich - zumindest im Vergleich zu früheren Eskapaden - derzeit eher in Zurückhaltung und abwartendem Leisetreten zu üben. Auch die in Kärnten auf beiden Seiten recht zahlreich vertretenen Hitzköpfe übertrumpfen einander nicht mehr Tag für Tag in extremistischen Provokationen. Sie werden von ihren Organisationen gerade noch unter Kontrolle gehalten.

Trotz dieser rein äußerlichen Ruhe präsentiert sich die Lage in Kärnten nicht ausgesprochen rosig. Bis zum vorläufigen Schlußstrich unter den Kärntner Minderheitenstreit, bis zum Inkrafttreten der Verordnung über die emotionell so aufgeschaukelte Ortstafelfrage, gilt es vermutlich, noch einige Hürden zu nehmen - Hürden, die teilweise erst lange nach dem Start von den Volksgruppenvertretem oder von den Anhängern des viel zu einflußreichen Kärntner Heimatdienstes den Re- kordläufem der politischen Parteien heimtückisch zwischen die Beine geschoben werden.

Eine solche Hürde wäre der durchaus mögliche Boykott des slowenischen Volksgruppenbeirates durch die Slowenenvertreter. Hier dürfte in den nächsten Tagen die Entscheidung fallen. Weigern sich die Slowenen tatsächlich, die ihnen durch das Volksgruppengesetz gegebenen Möglichkeiten der besonderen Interessenvertretung wahrzunehmen, dann könnte die ganze sich abzeichnende Lösung wie eine Seifenblase in der Luft zerplatzen. Dann wäre der Status quo aus der Zeit der Ortstafel-Piraterie wahrscheinlich wiederhergestellt. Dann hätten aber die Slowenen auch ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielt, zumal sie schon seit vielen Jahren eine der Konstruktion der Volksgruppenbeiräte sehr ähnliche „Volkstumsabteilung” fordern.

Nicht nur bei den Slowenen, auch in den Reihen der Freiheitlichen, insbesondere der Kärntner Freiheitlichen, geht es um die Frage: Wer gewinnt Oberwasser, die Falken oder die Tauben?

Kärntens FPÖ-Landesparteiob- mann Ferrari-Brunnenfeld ging als erster von allen Parteienvertretem nach einem provozierenden Telegramm des Heimatdienstobmannes Josef Feldner in die Knie. Feldner hatte zwei Toge vor dem jüngsten Kontaktkomitee vom 31. Jänner alle Parteizentralen wissen lassen, daß er von der beabsichtigten Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in zwölf Gemeinden nichts halte: „Der KHD erblickt in dieser beabsichtigten Vorgangsweise eine Kapitulation vor jenen Kräften, die in extrem antidemokratischer Weise gegen die von allen drei Parteien befürwortete Zählung aufgetreten sind, wobei bekanntlich Extremisten sogar vor verbrecherischen Akten nicht zurückschreckten, ohne hiefür bisher zur Verantwortung gezogen worden zu sein.”

Ferrari hat prompt reagiert: Für seine Kärntner FPÖ lehnte er jedenfalls die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in zwölf Gemeinden ab und plädierte dafür, mit höchstens vier oder fünf Gemeinden das Auslangen zu finden. Damit provoziert Ferrari zwei Dinge gleichzeitig: Daß das Parteienübereinkommen zwischen den drei Parlamentsparteien vom l.Juli 1976 an der Kompromßlosigkeit der FPÖ zerbricht, und zweitens, daß die Kärntner Landesparteien neuerlich einen fröhlichen Wettstreit um die nationalen Herzen der ,f)eutsch-Kämt- ner” entfachen. In sinnloser Anknüpfung an Landeshauptmann Wagners Hitlerjugend-Bekenntnisse unseligen Angedenkens.

Der angepeilte Terminablauf bietet Chancen und Gefahren: Da er bewußt in die Länge gezogen ist, könnten Emotionen doch leichter unter der Decke gehalten werden, ein sattes Desinteresse an der Frage könnte in breiteren Kreisen Einzug halten, was einer sachlichen Lösung allemal noch zum Vorzug gereicht hat. Zugleich droht aber die Gefahr, daß die Slowenenvertreter immer neue Forderungen in die Verhandlungen einbringen und daß sie diese Forderungen erledigt wissen wollen, bevor sie der Ortstafel-Verordnung, die noch für die Zeit vor dem Sommer angekündigt ist, ihre Zustimmung geben. Ein Ortstafelwirbel sozusagen als allerletzte und höchste Trumpf karte in den Händen der Slowenen. Als solche neuentdeckte Forderungen zeichnen sich bereits Wünsche hinsichtlich der Kindergärten, hinsichtlich der Medien und auch in der Wirtschaftsförderung ab.

Aus völkerrechtlicher Sicht wäre es bestimmt besser, mit der Ortstafelregelung die letzte noch offene Verpflichtung aus dem Staatsvertrag einer Lösung zuzuführen, als unentwegt neue Themenkataloge anzuschneiden. Dieser Priorität könnte auch das eine oder andere politische Zuckerl geopfert werden, das man den Slowenen in der Ortstafelfrage hinwirft. Wäre es hier nicht sogar überlegenswert und sachlich, im Interesse einer toleranten Gesprächsatmosphäre nicht nur zwölf Gemeinden mit zweisprachigen Ortstafeln zu versehen, sondern sogar jene 21, in denen die Einführung der slowenischen Amtssprache geplant ist? Im Ausgleich dafür wäre es dann vielleicht weniger schwierig, den Slowenen einige ihrer wirklich unverhältnismäßigen Wünsche zu versagen.

Manchmal wäre es wünschenswert, daß in Kärnten weniger das Herz regiert.

In Bosnien gab es seinerzeit sogar viersprachige Ortstafeln: In deutsch, serbo-kroatisch, ungarisch und türkisch. Und in Kärnten…?

In der Schweiz wurde kürzlich ein Gesetz beschlossen, wonach alle Kinder des französischen Teiles ab einer bestimmten Schulstufe Deutsch lernen müssen. Damit die Eidgenossen untereinander nicht in Englisch verkehren müssen. Und in Kärnten…?

Manchmal wäre es wünschenswert, daß in Kärnten mehr die Vernunft regiert.

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