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Südkärntner Klassensturm

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Die slowenische Volksgruppe ist um ihren Weiterbestand ernstlich besorgt. Die Volkszählungsergebnisse 1981 sind alarmierend. Die Volksgruppe ist in den letzten drei Jahrzehnten um 25.000 Personen zurückgegangen.

Immer wieder sind wir Zeugen dessen, wie deutschnationalistische Kräfte positive und im Interesse der Slowenen und des österreichischen Staates getroffene Entscheidungen unterlaufen bzw. unmöglich machen. So ist unter dem Deckmantel des Elternrechtes 1958 im Bereich des PflichtSchulwesens Südkärntens eine Minderheiten-Schulregelung gefallen, die Landes- und Bundespolitiker bei Verhandlungen um den österreichischen Staatsvertrag als vorbildlich hingestellt haben.

Auf Grund der Schulverordnung vom 3. Oktober 1945 wurde allen schulpflichtigen Kindern des zweisprachigen Gebietes unbeschadet ihrer Volkszugehörigkeit an den ersten drei Schulstufen der Unterricht in deutscher und slowenischer Sprache erteilt. Ab der vierten Schulstufe war Deutsch ausschließlich Unterrichtssprache, Slowenisch wurde im Ausmaß von vier Wochenstunden als Gegenstand unterrichtet.

Kaum war der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet, formierten sich in Kärnten die deutsch-nationalistischen Kräfte. Als Erfolg ihrer Aktionen wurde die obligate zweisprachige Schule in Südkärnten abgeschafft. Auf Grund des Minderheiten-Schulgesetzes müssen die Eltern ihre Kinder zum zweisprachigen Unterricht anmelden.

Ähnliches geschah mit den zweisprachigen Ortstafeln. Das österreichische Parlament beschloß 1972 das sogenannte Ortstafelgesetz. Deutschnationalistische Kräfte verhinderten dessen Durchführung. Der Gesetzgeber wich vor den Ortstafelstürmern zurück, die im Ortstafelgesetz 1972 vorgesehenen 205 zweisprachigen Ortstafeln wurden auf 90 reduziert.

Folgt nun in Südkärnten dem „Ortstafelsturm" ein „Klassensturm"?

Sowohl der Kärntner Heimatdienst als auch die Freiheitliche Partei streben eine Änderung des Minderheiten-Schulgesetzes 1959 mit folgender Stoßrichtig an: die gemeinsame Erziehung deutschsprachiger und slowenischsprachiger Kinder soll unterbunden, der Geltungsbereich des Minderheiten-Pflichtschulwesens eingeengt und die im Jahre 1976 erfolgte mißglückte Volkszählung besonderer Art als Minderheitenfeststellung anerkannt werden.

Im Zusammenhang mit dem geplanten Volksbegehren des Kärntner Heimatdienstes zur Abänderung des Minder heitenschulgesetzes und dem im Kärntner Landtag von den Abgeordneten der FPÖ eingebrachten Antrag, es solle sichergestellt werden, daß Pflichtschüler, welche von ihren gesetzlichen Vertretern nicht zum slowenischen bzw. zweisprachigen Unterricht angemeldet wurden, „in eigenen Klassen oder Schulen" unterrichtet werden sollen, hat der Deutsch-Slowenische Koordinationsausschuß der Diözese Gurk-Klagenfurt, der um das Zusammenleben der beiden Volksgruppen im Lande bemüht ist, folgende Stellungnahme gegen eine Änderung des Minderheiten-Schulgesetzes bezogen:

• „Die Argumentation scheidet die Geister, je nachdem, ob man das Volksgruppenproblem in Österreich durch Aussterben der Slowenen oder durch ihre voll gleichberechtigte Integration in das österreichische Staatsvolk lösen will.

• Trennt man in den Orten Südkärntens ansonsten im Nachbarschaftsbezug zusammenlebende Kinder in der Pflichtschule, dann bewirkt das eine Stärkung des Bewußtseins der Verschiedenartigkeit der Menschen: der nächste Schritt zur .Artfremdheit' ist älteren noch in Erinnerung!

• Die Trennung in Schulen ,für Deutsche' und solche ,für Slowenen' ist Apartheidpolitik, die darauf abzielt, eine numerische Minderheit mit dem Stigma der Minderwertigkeit zu zeichnen.

#. Eine solche Apartheidpolitik führt zu berechtigter Unzufriedenheit der Volksgruppe, zu einer verständlichen Suche nach einer .Schutzmacht' und verstärkt so die Möglichkeit eines neuerlichen überregionalen Konfliktes.

#. Ziel einer vernünftigen Volksgruppenpolitik in Kärnten sollte die völlig .normale' Integration der Eigenart der Slowenen in die Gesellschaft Kärntens und Österreichs sein, also nicht einmal als bewußtes besonderes Entgegenkommen geschehen.

#. Daß deutschsprachigen Kindern auf Grund der jetzigen Regelung des Minderheiten-Schulwesens keine Nachteile erwachsen sind, beweist auch ihr Fortkommen nach Ubertritt in eine Hauptschule, Mittel- oder höhere Schule."

Das Argument, daß Deutschkärntner Schüler auf 50 Prozent ihrer Unterrichtszeit verzichten müssen, stimmt nicht, denn die Stillarbeit dient zur Zeit, in der die zum Slowenischunterricht angemeldeten Schüler in slowenischer Sprache unterrichtet werden, der Vertiefung, Erweiterung und Festigung des vorher gemeinsam erarbeiteten Lehrstoffes. Die Stillarbeit ist auch in rein deutschsprachigen Schulen in Österreich ein integrierender Bestandteil der Unterrichtsarbeit.

Eine Änderung des Minderheiten-Schulgesetzes hätte die Auflösung zahlreicher jetzt zweisprachig geführter Schulen zur Folge. Schüler, die derzeit höher organisierte zweisprachige Schulen besuchen, würden in einem noch viel größeren Ausmaß als bisher im Rahmen eines Abteilungsunterrichtes — also an nieder organisierten Schulen — unterrichtet werden. Der Besuch des Unterrichtes an Schulen außerhalb des derzeitigen Schulsprengels der Schüler würde nicht nur slowenische, sondern auch deutsche Schüler treffen.

Die Ideologie einer getrennten Entwicklung in der Schule hätte Auswirkungen nicht nur auf den außerschulischen Bereich, sondern wäre außerdem ein Schlag gegen die gemeinsame Erziehung zum Frieden, zur Völkerverständigung und zum Zusammenleben der beiden Volksgruppen in Kärnten. Die Bereitschaft zur Lösung von Fragen gemeinsamen Interesses erfordert aber auch den Eintritt und die Mitarbeit von Vertretern der slowenischen Volksgruppe im Volksgruppenbeirat, dessen gesetzliche Aufgabe es ist, die Bundesregierung in Volksgruppenangelegenheiten zu beraten.

Der Autor führt gemeinsam mit Ernst Waldstein den Vorsitz im Deutsch-Slowenischen Koordinationsausschuß der Diözese Gurk-Klagenfurt und ist Leiter der Minderheiten-Schulabteilung beim Landesschulrat für Kärnten.

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