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Slowenisch war gestrichen

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Wahrend der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurden die utraquistischen Schulen zunächst unangetastet gelassen, ja, man versprach den Slowenen sogar einen Ausbau ihres Schulwesens, doch änderte sich dies mit dem deutschen Überfall auf Jugoslawien 1941 schlagartig, und die slowenische Sprache wurde aus den Schulen verbannt.

Aus eben diesem Grunde setzte nach Kriegsende eine gegenläufige Entwicklung ein. Unter dem nachhaltigen Einfluß der britischen Besatzungsmacht, wozu der Verfasser noch einige bisher unbekannte Fakten beisteuern könnte, und des ernannten katholischen slowenischen Mitgliedes der prov. Kärntner Landesregierung (Dr. Josef Tischler) sowie des kommunistischen Landesregierungsmitgliedes Tschofenig erließ die Landesregierung am 3. Oktober 1945 die „Verordnung zur Neugestaltung der zweisprachigen Volksschulen im südlichen Gebiete Kärntens“ (mit Änderung vom 31. Oktober 1945). Darnach kehrte man zur echten utraquistischen Schule aus der Zeit vor 1914 zurück, wies dem Slowenischen aber noch darüber hinausgehende Berücksichtigung zu, praktisch mit der Muttersprache als Unterrichtssprache in den drei ersten Schulstufen und dann erst Übergang zur deutschen Unterrichtssprache. Von besonderer Wichtigkeit ist für die spätere polemische Diskussion gewesen, daß eine bestimmte Anzahl Gemeinden namentlich angeführt wurde, in welchen zweisprachige (öffentliche) Volksschulen zu errichten seien. Auf deutsch-kärntneri-scher Seite wurde die Zahl dieser Gemeinden, obwohl sie sich im großen und ganzen mit jenen des gemischtsprachigen Gebietes der Volkszählungen 1923 und 1934 (und der damals freilich nicht bekannten Volkszählung 1939) decken, als überhöht bezeichnet. Tatsächlich sind einige Gemeinden als für die Schule zweisprachig erklärt worden, in denen es kaum noch Slowenen, in welcher Sprachkombination auch immer, gegeben hat, so St. Martin am Techeisberg, Emmersdorf (heute Nötsch), Wernberg, Velden a. W., Lind ob Velden, Maria Rain. Bei Grafenstein, Hörtendorf und Maria Wörth war die Zahl der Slowenen schon so sehr zurückgegangen, daß eine volle Doppelsprachigkeit mit Zwang zur Erlernung des Slowenischen auch durch Kinder deutscher

Muttersprache kaum noch verantwortbar und mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang zu bringen war. Der Haupteinwand gegen diese Schulsprachenverordnung — deren juristische Gültigkeit berechtigten Zweifeln begegnen mußte — war der, daß dadurch die Kinder deutscher Muttersprache und Volkszugehörigkeit im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens gezwungen wurden, auch ihrerseits diese echt-utra-quistischen Schulen zu besuchen, also „die zweite Landessprache“, nämlich Slowenisch, zu erlernen.

Die andere Seite

Hier liegt ein Unterschied zur Doppelsprachigkeit des utraquistischen Schultyps von 1914 vor. Damals und auch nach 1920 wünschte die Mehrzahl der slowenischen Eltern ihrerseits, daß ihre Kinder neben dem Slowenischen auch das Deutsche als Staatssprache erlernten und auch als Unterrichtssprache hätten. Das Deutsche war dabei aber so dominierend gewesen, daß auch die damals doch sehr wenigen deutschsprachigen Kinder in mehrheitlich slowenischen Gemeinden sich mit dem umgekehrten Zwang zum Erlernen des Slowenischen abfinden konnten. In deutschen Gemeinden gab es ohnehin die rein deutsche Schule. Jetzt sollten aber Kinder deutscher Muttersprache in einem weit überhöhten Ausmaß (nach der Verordnung im gesamten zu 50 Prozent der ganzen Volksschulunterrichtszeit) Slowenisch lernen, eine Sprache also, mit der sie außer ins Nachbarland nirgendwohin Zugang finden konnten. Auf deutsch-kärntnerischer Seite wurde berechtigterweise von einer Sprachenzwangsverordnung gesprochen, die es abzuschütteln gelte. Da bei nur 50 Prozent Deutschunterricht aber auch die slowenischen Kinder nicht hinreichend Deutsch lernten, das sie doch künftighin brauchten, stellten sich auch die „nationalen“ slowenischen Eltern gegen die Verordnung.

Erst im Jahre 1958 ist diesen Bestrebungen ein Erfolg beschieden gewesen, da die SPÖ, die in Kärnten die Mehrheit innehat, ihren gleich den Slowenen gegen das Elternrecht gerichteten Standpunkt 1956 aufgab. Dies wurde erzwungen durch einen Warnstreik der Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schickten beziehungsweise in der Zeit vom 29. September bis 1. Oktober 1958 schicken wollten (in Bleiburg und Umgebung wurde der Streik schon vorher durchgeführt)4'. Mit Erlaß des — zweifellos Slowenen freundlichen — Landeshauptmanns Wedenig, der in Briefen an den Verfasser dies auch zum Ausdruck gebracht hat, vom 22. September 1958 wurden die Bezirksschulbehörden angewiesen48, Anträge der Erziehungsberechtigten um Befreiung

slowenischen Sprache raschestens zu erledigen. Die Eltern haben sturmartig darauf reagiert. Von 12.774 Schülern an den Pflichtschulen im Geltungsbereich der Schulsprachen-Zwangsverordnung 1945 wurden 10.588 (= 83 v. H.) vom Slowenischunterricht abgemeldet; 2399 Schüler verblieben beim Slowenischunterricht. 213 wurden zu einem freiwilligen Slowenischunterricht wieder angemeldet. Man hat diese Entscheidung der Eltern, unter denen sicherlich auch sehr viele „nationale“ Slowenen waren, mit Recht als Volksabstimmung angesehen. Nur: eine Abstimmung im Sinne der Preisgabe des slowenischen Volkstums und des Wunsches nach raschester Eindeutschung, wie dies verschiedentlich von Autoren mit Abwehrtendenzen gegen die Slowenen gesehen worden ist, kann man nicht annehmen. Es handelt sich vielmehr um eine Art zweiter Kärntner Volksabstimmung im Sinne einer Absage an einen Anschluß an Jugoslawien. Denn wenn, wie es bei Fortgeltung der Schulsprachen-Zwangsverord-nung der Fall gewesen wäre, die Zahl der slowenischen Kinder, die die deutsche Staatssprache nicht mehr beherrschten und ausreichend erlernten, sehr angewachsen wäre und auch viele Kinder deutscher Muttersprache dieser Muttersprache zugunsten des Slowenischen entfremdet worden wären, hätte ihre künftige Blickrichtung im Erwachsenenalter ja nur nach Jugoslawien gehen können, wo allein sie eine sprachliche, kulturelle und geistige Heimat (in Slowenien) gehabt hätten. Dem wäre wohl früher oder später auch eine politische Blickrichtung dorthin gefolgt. Das aber wollten die Eltern des gemischtsprachigen Gebietes nicht, und so sprach man von einer zweiten Kärntner Volksabstimmung.

Endlich ein Schulgesetz

Erst nach diesen recht dramatischen Ereignissen wurde dann vom Bund, der nach einem Verfassungs-gerichtshofs-Rechtssatz41' in allen Angelegenheiten des Volksgruppenrechts alleinige Gesetzgebungskompetenz hat, das „Minderheitenschulgesetz für Kärnten“, BGBl. Nr. 101/1959, erlassen, zu welchem das Land Kärnten ein Ausführungsgesetz erließ (LGB1. Nr. 44/59). In § 7 des Gesetzes wurde das sogenannte Elternrecht festgelegt. Nur mit dem Willen des Erziehungsberechtigten kann der Schüler dazu verhalten werden, Slowenisch als Unterrichtssprache zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen. Da diese Bestimmung mit dem Artikel XIX des Staatsgrundgesetzes von 1867 über die Nationalitäten in Widerspruch steht, wurde sie zur Verfassungsbestimmung erklärt.

Im Schuljahr 1962/63 zählte man in ganz Kärnten insgesamt nur 97850 Schüler, die von ihren Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten zum „gemischtsprachigen Unterricht“ (offizielle Bezeichnung: „deutsch-slowenische Unterrichtssprache“) angemeldet waren und nach dem Lehrplan in der ersten bis dritten Schulstufe neben dem Deutschen auch in Slowenisch unterrichtet wurden. Das ist nicht einmal ein Drittel der im Burgenland an kroatischen Minderheitsschulen gezählten kroatischen Kindern, obwohl die Zahl der Burgenlandkroaten insgesamt eher geringer ist als jene der Kärntner Sprachslowenen. Wenn sich streng auf das Elternrecht für Autoren wie Ermacora und Berber51 die Slowenen stützen und aus diesen Ziffern die Folgerung ziehen, daß die slowenische Minderheit eben selbst keinen Slowenischunterricht für ihre Jugend wünsche, so ist dies scheinbar richtig. Aber abgesehen davon, daß hier das Windischenproblem hereinspielt, wird die Interdependenz von Recht und Politik im Minderheitenrecht deutlich.

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