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Dreiparteieneinigung? Ein Diktat!

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In diesem Frühjahr 1976 schien es eine Zeitlang, als könne in der Kärntner Slowenenfrage, zu der sich aher die Problematik der kroatischen Volksgruppe im Burgenland gesellt, doch ein Kompromiß gefunden werden, bei welchem beide Seiten, nämlich die Landespotentaten des Mehrheitsvolkes und auch die Bundesregierung einerseits, die Minderheiten-Volksgruppen anderseits, eine Art communis consensus finden würden. Dieser ist nämlich der einzige Ausdruck eines echten Demokratieverständnisses. Leider fehlt es an einem solchen immer mehr, da ja die Mehrheit im Parlament gar nicht mehr den Consensus sucht, obzwar sich der Bundeskanzler wie auch der oft zu Unrecht als undemokratisch abgelehnte Justizminister um ein Miteinander-Reden bemühen.

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In diesem Frühjahr 1976 schien es eine Zeitlang, als könne in der Kärntner Slowenenfrage, zu der sich aher die Problematik der kroatischen Volksgruppe im Burgenland gesellt, doch ein Kompromiß gefunden werden, bei welchem beide Seiten, nämlich die Landespotentaten des Mehrheitsvolkes und auch die Bundesregierung einerseits, die Minderheiten-Volksgruppen anderseits, eine Art communis consensus finden würden. Dieser ist nämlich der einzige Ausdruck eines echten Demokratieverständnisses. Leider fehlt es an einem solchen immer mehr, da ja die Mehrheit im Parlament gar nicht mehr den Consensus sucht, obzwar sich der Bundeskanzler wie auch der oft zu Unrecht als undemokratisch abgelehnte Justizminister um ein Miteinander-Reden bemühen.

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Etwas Ähnliches spielt sich nun aber in der Kärntner und auch in der burgenländischen Minderheitenfrage ab. Unter den sehr zahlreichen internationalen Minderheitenseminaren dieses Jahres hat auch eines, im April, im Europahaus von Bad Marienberg (Nordrhein-Westfalen) stattgefunden, wo als offizieller Vertreter der Burgenlandkroaten nur die juristisch gar nicht existierende Konferenz der Bürgermeister der kroatischen Gemeinden vertreten war, die von Landeshauptmann Kery begünstigt wird, weil ihr nur SPÖ-Bürgermeister angehören.

(ÖVP-Bürgermeister kroatischer Gemeinden gehören dem eher der ÖVP nahestehenden, volksbejahenden Kroatischen Kulturverein im Burgenland an.) Diese SPÖ-Delegierten erklärten in gewohnter Weise, die Burgenlandkroaten wünschten nichts sehnlicher, als ihr Volkstum und ihre Sprache aufzugeben. So war es ihnen von der burgenländischen Landtagsmehrheit verordnet worden. Ebenfalls in Bad Marienberg wurde eine Philippika gegen die Kärntner Slowenen gehalten. Und nunmehr beschlossen die drei im Kärntner Landtag vertretenen Parteien, unter--de-i ri i iliiii ii sich kein, einziger

volksbewußter Slowene mehr befindet, seit der jetzige Landeshauptmann dafür sorgte, daß der zuvor auf die SPÖ-Liste gewählt gewesene, ohnehin in Minderheitenfragen äußerst demütig aufgetretene Nationalslowene nicht mehr in den Landtag einziehen konnte, jede slowenische Forderung rundweg abzulehnen. Die Lösung der Minderheitenfrage wird wiederum auf unbestimmte Zeit verschoben, Gesetze zugunsten der Mehrheit scheinen aber Vorrang zu erhalten.

Die slowenischen Forderungen waren und sind darauf gerichtet, daß es keine amtliche Minderheitenfeststellung geben dürfe. Die Forderung ist bekannt und sollte, wenn so entschieden verfochten, vom Mehrheitsvolk auch akzeptiert werden. Jede ethnische Minderheit weiß selbst am besten, was ihr frommt und was nicht. Gewiß, es hat schon

amtliche Minderheitenfeststellungen gegeben, die die Minderheit akzeptierte. Man denke an den nationalen Kataster im alten Österreich (Mähren 1905, Bukowina 1910, Galizien, nur versucht, 1914). Im übrigen ist die Minderheitenermittlung durch amtliche Zählung eine seltene Ausnahme. Im übrigen Europa kommt sie heute nirgendwo vor. Entweder sind die Volksgruppen stark genug, um ohne sie auszukommen, wie der

imposante Wahlsieg der Südtiroler Volkspartei bei den Parlamentswahlen vom 20./21. Juni 1976 gezeigt hat, oder sie setzen sich dagegen zur Wehr, weil sie wissen, daß die Mehrheit geneigt und imstande ist, das Volkszählungsergebnis zu Ungunsten der Republik zu verfälschen oder zu manipulieren (Beispiele: die Volks-

republik Polen in bezug auf die Deutschen und die Ukrainer, die CSSR in bezug auf die verbliebenen Sudetendeutschen und die Magyaren, Frankreich bezüglich der Elsässer, mit verwirrenden Kombinationen wie in Kärnten seit Hitlers Volkszählung 1939 bis heute).

Man kann die Frage stellen, wozu eigentlich die sogenannte Ortstafelkommission getagt hat, dies durch volle zwei Jahre, wenn sich die Bundesregierung an ihre Arbeitsergebnisse nicht im geringsten hält! Denn die Ergebnisse der Kommissionsarbeiten sind immerhin so gewesen, daß darauf ein tragfähiges Gerüst für eine Lösung des Kärntner Volksgruppenproblems errichtet werden könnte, dazu auch ein solches für die Lösung der Kroatenfrage im Burgenland. Man hat dann Experten der drei politischen Parteien (Bundesparteien mit Kärntner und bur-genländischen Landesparteien), also zwar Fachleute, aber solche, die mit gebundener Marschroute (Ablehnung aller Minderheitenforderungen) aufgeboten wurden, zur Diskussion mit Vertretern der Volksgruppen entsandt, und wieder schien es, als ob doch noch eine Lösung denkbar sei, da diese Männer ja doch mehr Experten als Parteifeldwebel waren. Erfreulicherweise nahmen die Minderheitenvertreter an diesen Gesprächen teil. Ihre Absenz in der Ortstafelkommission war nämlich ein schwerwiegender Fehler.

Jetzt aber steht man wiederum vor dem totalen Scheitern jeglicher Absprachen, ist von einer Lösung weiter entfernt als je zuvor. Eine Novelle zum Volkszählungsgesetz soll nach dem Willen des Bundeskanzlers nur zusammen mit einem Volksgruppenförderungsgesetz das Problem für Kärnten und für das Burgenland lösen. Das Volksgruppenförderungsgesetz enthält sicher vieles, das eher zu bejahen ist, seine ganze Anlage zeichnet sich durch ein Verständnis für die Bedürfnisse der Volksgruppen aus, das ansonsten in Minderheitengebieten eher selten ist, allerdings da und dort durchaus an-

getroffen werden kann (so in Südschleswig, Nordschleswig, Finnland, auf den Färöern, in den rätoromanischen Gebieten der Schweiz, in Siebenbürgen, in Jugoslawien, in Kanada einschließlich Prince Edward Island). Der Pferdefuß ist die Novelle zum Volkszählungsgesetz, die in Wirklichkeit eine amtliche Minderheitenfeststellung mit sich bringt und eine geradezu schreckliche Dezimierung der bewußten Minderheitsangehörigen mit sich bringen muß, vor allem in Kärnten, aber auch im Burgenland der SPÖ-Bür-germeisterkonferenz.

Eine Volksgruppenförderung hat nur dann einen Sinn, wenn es noch eine zu fördernde Volksgruppe gibt. Aber die Volkszählung (besonderer Art, jetzt in Form einer Haushaltsermittlung, somit nicht geheim) wird, wenn sie in ganz Österreich durchgeführt wird, zwar (hoffentlich) eine stolze Zahl Alemannisch Sprechen-

der in Vorarlberg ergeben und damit vielleicht der obligaten Verwendung des Favoritner Tonfalls im Rundfunk bei „Wiener“ Songs entgegenwirken, für Kärnten wird sie angesichts des ungeheuren gesellschaftlichen, Druckes, der dort ausgeübt wird, für die Minderheit den Sturz in den Abgrund bedeuten.

Man muß bedenken, daß es in Kärnten heute nicht mehr möglich ist, sich in der Öffentlichkeit für die Existenz der slowenischen Gruppe einzusetzen. Wenn von einem Behördenleiter in einer Zeitung gesagt wird, daß er für eine bescheidene Ausweitung der Geltung der slowenischen Amts- und Gerichtssprache eintrete, beruft er noch am selben Tag eine Pressekonferenz ein, um das zu dementieren (so geschehen am 1. April 1976). Spricht eine Gruppe slowenischer Theologen im Hotel „Sandwirt“ in Klagenfurt untereinander slowenisch, treten andere Gäste entschieden dagegen auf und erklärten „hier wird Deutsch gesprochen“ (Englisch oder Italienisch dürfte man aber sprechen). In einem ersten Hotel in Klagenfurt wurde einem als Slowenenfreund bekannten Südtiroler die Gastaufnahme verweigert, weil er nicht „deutschbewußt“ sei.

Damit taucht die Frage auf, ob es richtig war oder nicht, daß Slowenen, wenn sie es waren, das Hans-Steinacher-Denkmal in Völkermarkt sprengten. Die Slowenen, wenn sie es waren, haben sich bei diesem Objekt nicht gerade das Richtige ausgesucht. Ich habe Dr. Hans Stein-acher seit 1927 gekannt und war noch bis relativ kurz vor seinem Tode auf seinem Gutshof Miklauz-

hof in Südkärnten zu Gast. Uns hat in den Jahren bis 1937 auch die gemeinsame Sorge um das zweifellos bedrohte Grenz- und Auslanddeutschtum zusammengeführt, und auch meine Nachkriegsgespräche mit ihm schienen mir- zu zeigen, daß er kein Feind des slowenischen Volkes war, auch wenn er die Ideen des Exilslowenen Cyril Zebot, die heutige Sozialistische Republik Slowenien nach Abschüttelung der kommunistischen Herrschaft an Österreich anzuschließen, wegen ethnischer Gefahren für das Kärntner Deutschtum (wohl mit Recht) entschieden ablehnte. Wenn ihn verschiedene jugoslawische Publikationen im Braunhemd zeigen, so muß man das aus den Bedingungen jener Zeit heraus verstehen. Schließlich wurde er im Dritten Reich als Reichsführer des VDA abgesetzt, weil er nicht so „spurte“, wie man das im NS-Staat von ihm erwartet

hatte, und in seinem 1970 veröffentlichten Tagebüchern hat er auch den Anschluß Österreichs bedauert (diese Tagebuchnotizen wurden in dem sehr umfangreichen, keineswegs Steinacher-freundlichen Buch von Hans-Rudolf Jacobsen, „Hans Stein-acher, Bundesleiter des VDA 1933 bis 1937, Erinnerungen und Dokumente“, Harald Boldt-Verlag, Boppard 1970, veröffentlicht). Aber die Kärntner Deutschnationalen haben ihn zum Nationalhelden ernannt, weil er den Kärntner Abwehrkampf eröffnet (Geschützfeuer gegen die slowenischen, aus dem S.-H.-S.-Staat gekommenen Truppen im besetzten Grafenstein) und später im damaligen Kärntner Heimatdienst, der mit dem heutigen nur den Namen, aber sonst schon gar nichts gemeinsam hatte, auch die erfolgreiche Volksabstimmungskampagne geführt hat. Wenn nun Slowenen sein Denkmal sprengten, so haben sie bezüglich der Person sicher ein falsches Ziel gewählt, bezüglich der Sache aber ein Symbol angegriffen, das sich ihr Feind — die Deutschnationalen aller Schattierungen — schuf.

Die Frage ist ja überhaupt, ob Gewaltakte im Völkerkampf schlechthin verwerflich sind. Hiezu hat der Vizepräsident des Internationalen Roten Kreuzes, Pierre Veuthey, in einem umfassenden, soeben beim Institut Henry Dunant erschienenen Werk „Guerilla et droit humani-taire“ aufgezeigt, wie vielschichtig und komplex diese Frage ist, und ein ebenfalls soeben in Stuttgart erschienenes Sammelwerk meines Kollegen Prof. Eduard Kroker SVD über das Phänomen der Gewalt zeigt dieselbe Vielschichtigkeit auf. Es sei

auch daran erinnert, daß höchste österreichische Persönlichkeiten ■— bis zur Spitze — den sogenannten Südtirol-Terror durch Lieferung von Waffen und Sprengstoffen seinerzeit unterstützt haben, allerdings stets mit der Zielsetzung, daß, wie das bisher auch in Kärnten feststellbar ist, niemals Menschen, sondern nur Sachen zu Schaden kommen durften.

Natürlich kann ein Christ niemals der Gewalt das Wort reden. Kann man aber von jedem erwarten, daß er Christ ist?

Hätten die Südtiroler das sie im wesentlichen befriedigende Paket, hätten die frankophonen Jurassier ihr 1974 ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht erhalten, wenn sie nicht zu Gewaltakten gegriffen hätten? Natürlich ist jegliche Gesetzwidrigkeit zu verurteilen, also erst recht auch die gesetzwidrige Gewalt. Aber in Kärnten haben mit dem Ortstafelsturm ja die Deutschnationalen, mit offenkundiger Duldung und teilweise Unterstützung der Behörden, zur ebenfalls gesetzwidrigen Gewalt gegriffen. Es ist daher höchste Zeit, daß der Antwort auf Gewalt mit Gewalt und der Reaktion hierauf wieder mit Gewalt entsagt wird. Das kann aber nur geschehen, wenn die Bundesregierung, auch, gegen den

Willen der Kärntner Mehrheitsparteien, denen heute guter Wille vollständig abgeht und die Österreich sehenden Auges in die internationale Diffamierung gleiten lassen, sich dazu entschließt, endlich den Artikel 7 des Staatsvertrages zu erfüllen, was nur mit Zustimmung derer, die es angeht, nämlich der Slowenen, möglich ist.

Anderenfalls könnte wirklich eines Tages das slowenischerseits juristisch völlig unberechtigt in die Debatte geworfene Wort von der Revision des Staatsvertraes durch Österreich eine ungemütliche Realität werden. Denkt denn niemand im Kärntner Mehrheitsvolk an die möglichen Folgen? Warum blickt man denn nicht hinaus rings in die Welt? Auf deutschkärntnerischer Seite fehlt allerdings fast völlig eine Sicht über die Grenzen. Auf betont deutschkärntnerischer Seite dürfte fast nur Dr. Valentin Einspieler wirklich diesen Blick über die Grenzen haben. Aber sonst? Horizont-Ende in Caorle!

Wem die Sorge um die Einheit Kärntens unter den Nägeln brennt, wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, für das deutsche Volk in aller Welt eintritt, von den Südtirolern über die Eupener bis zu den Nordschles-wigern und den einem so grausamen Schicksal ausgelieferten Sudetendeutschen, der kann nicht mit zweierlei Maß messen, kann nicht für Südtirol Autonomie, ja Selbstbestimmung verlangen und den Volksgruppen im eigenen Lande das Ethnocid wünschen oder gar bereiten. Dieses könnte sich aber vorbereiten, wenn die Beschlüsse der drei Parteien Gesetzeskraft erlangen.

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