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Kärnten - 60 Jahre danach

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Wer beispielweise am Sonntag nachmittags in der Südkärntner Gemeinde Eberndorf am Fußballplatz einem Spiel beiwohnt, wird feststellen, daß der Kicker' „Mirco” und der Kicker „Franz” gemeinsam in der heimischen Mannschaft unf den Sieg kämpfen. Die Kette solcher typischer aus dem Leben gegriffener Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Sie sind ein Dokument für das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen in Kärnten. Deutsche Kärntner und slowenische Landsleute finden sich ohne Probleme im Alltag zu recht.

Und dennoch ist die Minderheitenfrage nach wie vor ein zentrales Thema, welches die Kärntner Öffentlichkeit bewegt. Trotz Friede Konflikt? Für viele ist das nicht ganz verständlich. Die Ursachen dafür liegen aber auf der politischen Ebene. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren versucht, die offenen Fragen der Minderheitenpolitik von oben her zu lösen, ohne dabei auf die Situation der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Vor allem die Bundesregierung hatte für den Kärtner Widerstand gegen die von Wien ins Auge gefaßten Lösungen wenig schmeichelhafte Worte.

Auch in der FURCHE wurden schon manche wirklichkeitsfremden Gedankengänge entwickelt, die bis zum Verzieht auf die Gedenkfeiern zum 10. Oktober als Erinnerung an die Kärtner Volksabstimmung gingen. Ich glaube, daß dem ein mangelndes geschichtliches Verständnis zugrundeliegt, welches die historischen Gegebenheiten anders sehen will, als diese waren. Der Stolz und das Heimatbewußtsein der Kärntner wurzelt nicht in einem überkommenen Chauvinismus, sondern in der Leistung für das vor 60 Jahren im Süden vom Zerfall bedrängte Österreich.

Die Volksabstimmung von 1920 brachte nicht die Entscheidung über Deutsch oder Slowenisch, wie vielfach fälschlich angenommen wird, sondern die Entscheidung über die Zugehörigkeit Südkärntens zu Österreich oder zu Jugoslawien (Zone I 22.025 für Österreich, 15.278 für Jugoslawien). Nicht nur Deutsche, sondern auch an die 10.000 slowenisch sprechende Kärntner stimmten für Österreich. Zudem erfolgte dieser patriotische Akt für Österreich zu einem Zeitpunkt, zu dem führende Repräsentanten des offiziellen Österreich selbst noch gar nicht an die Lebensfähigkeit des neuen Staates glaubten. Nicht umsonst erinnert der Historiker an die Erklärungen des Präsidiums der österreichischen Nationalversammlung vom Oktober 1920: „Was die Liebe zum Heimatland, dem Gesamtstaat bedeutet, das haben uns die Kärntner gezeigt und gelehrt. Das dürfen wir ihnen nie vergessen.”

Dieser Zusammenhang muß erkannt werden, bevor Überlegungen zur aktuellen Minderheitenpolitik angestellt werden. Dennjedelnitiative,jede Handlung, die die Integrität und die Sicher-, heit Südkärntens betrifft, berührt eine sensible Stelle im Bewußtsein der Kärntner. Darauf sollten die politischen Führer der Minderheit mehr Bedacht nehmen. Gerade die nachweislichen Verbindungen des Zentralverbandes der Kärntner Slowenen mit kommunistischen Aktivisten und deren österreichfeindlichen Positionen verunsichern viele Kärntner. Dazu kommt noch die Unduldsamkeit der Minderheitenführung in der Frage der Anerkennung des demokratischen Volksgruppengesetzes, welches ein gemeinsamer Nenner für eine sinnvolle Entwicklung der Minderheit sein könnte.

Gewiß muß einer Minderheit das Recht zugestanden werden, mitunter schärfer um ihre Position zu kämpfen, jedoch ist das demokratische Gesetz ebenso ein Minimum fürdie Verständigung. Dieser Schritt zum gemeinsamen Volksgruppengesetz wäre auch im Interessier Volksgruppe. Denn Kärnten als gemeinsame Heimat von deutschen und slowenischen Kärntnern muß für alle eine menschenwürdige Existenzgrundlage bilden, nur müssen dabei auch die gemeinsamen Spielregeln akzeptiert werden. Auch ist es grundlegend falsch, wenn die Bundesregierung versucht, die Fragen der Minderheitenpolitik allein auf Bundesebene unter Ausschaltung Nler Kärntner Bevölkerung zu entscheiden. Hierin liegt eine Verletzung des Geistes, des Dreiparteienübereinkommens des Jahres 1976. Das vergiftet ein an sich konsolidiertes Klima.

Gerade die 60. Wiederkehr der Kärntner Volksabstimmung sollte ein Anlaß dazu sein, daß Minderheitenfüh-rung und Repräsentanten der Mehrheit in den Volksgruppenbeiräten das Gespräch substantiell beginnen. Denn alle anderen schöngeistigen Illusionen sind fehl am Platze: „Mit dem Jubel über die Rettung kärntnerischer Erde soll niemandem weh getan sein .'. . Es soll ein Bekenntnis zu seinem unveräußerlichen Recht, nicht mehr, aber auch nicht weniger sein”, hat der Dichter J. F. Per-konig als humanes Vermächtnis formuliert. Ich glaube, die Menschen, ob Slowenen. Deutsche oder Windische, haben diese gemeinsame Grundlage im Alltagsleben schon lange gefunden. Es wäre an der Zeit, daß die politischen Repräsentanten dies nachvollziehen!

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