#Das Spiel Heimattreuer gegen Verräter#

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Der Historiker Stefan Karner über die Auswirkungen der Volksabstimmung in Kärnten, ewige Abwehrkämpfer und die mögliche Lösung des Ortstafelstreits.

Am Ende des Ersten Weltkrieges zerfiel das Habsburger Vielvölkerreich in Nationalstaaten. Der Versuch slowenisch-kroatischer und serbischer Verbände, Südkärnten zu besetzen, stieß auf den erbitterten Widerstand Kärntner Verbände. Die Alliierten beschlossen eine Volksabstimmung, bei der am 10. Oktober 1920 eine Mehrheit für den Verbleib bei Österreich entschied.

FURCHE: Die Gedenkfeiern anlässlich 90 Jahre Volksabstimmung werden am Sonntag in großem Stil zelebriert. Große Teile Kärntens blieben nach einer Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 bei Österreich. Bei aller Feierlichkeit: Hat der Abwehrkampf vor der Abstimmung Kärnten gegenüber Slowenien nicht auch nachhaltig traumatisiert?

Stefan Karner: Ein Trauma? Ja, eine Zeit lang für Jugoslawien. 1945 wollten Titos Partisanen ja auch zurückholen, was man 1920 nicht schaffte. Auch Kärntner Slowenen waren als Kommunisten dabei. Für Kärnten und Österreich war die Volksabstimmung natürlich ein großer Erfolg, v. a. wenn man an Ödenburg/Sopron denkt oder an den Verlust Südtirols oder der Untersteiermark. Und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) hat 1920 aus seiner Sicht ein weiteres Gebiet verloren, nachdem ja große Teile von Istrien und Dalmatien an Italien gingen.

FURCHE: Der Abwehrkampf hat 200 Menschenleben gefordert und über 400 Verletzte. Wie sehr hat er das Selbstverständnis der Kärntner geprägt?

Karner: Teilweise, ja. Vor allem die These vom #tapferen Kärntner, der die Heimat von einem südslawischen Eindringling# befreit. Und die These vom #Kärntner Nationalslowenen#, der 1920 eben SHS wählte. Das NS-System hat dann 1942 genau jene vermeintlichen Nationalslowenen ausgesiedelt. Also das Spiel #Hie heimattreuer Deutschkärntner # dort verräterischer Nationalslowene# wurde eine Zeit lang gespielt. Heute hört man Ähnliches viel seltener.

FURCHE: Dann haben wir es den Alliierten zu verdanken, dass Kärnten noch bei Österreich ist?

Karner: Fakt ist: Die Alliierten haben in Paris gesehen, dass es in Kärnten Widerstand gibt gegen SHS. Daher: eine Volksabstimmung. Das entsprach auch dem Postulat des US-Präsidenten Wilson vom Selbstbestimmungsrecht der Völker. Alliierte Beobachter haben das Gebiet vorher auch besucht.

FURCHE: Sie selbst sind aus der Gegend von Völkermarkt. Wie hat Ihre Familie das Geschehen erlebt?

Karner: Von meinen Großeltern väterlicherseits weiß ich, dass sie für Österreich gestimmt haben. Wir haben oft und viel darüber gesprochen. Die Großeltern mütterlicherseits, Kärntner Slowenen, waren damals noch zu jung, um abstimmen zu können. Ich habe das Thema von beiden Seiten kennengelernt.

FURCHE: Die Bundesregierung hat 1919 während der Kämpfe nicht das Bundesheer zu Hilfe geschickt. Ist das mit ein Grund für das fast schon traditionelle Misstrauen bestimmter Politiker gegenüber Wien?

Karner: Das wurde da und dort Wien vorgehalten, hat aber in Kärnten nur zeitweise eine Rolle gespielt. Kärnten wurde jedenfalls nicht so im Stich gelassen wie etwa die Untersteiermark, wo Karl Renner und Otto Bauer wegen des von SHS angedrohten Stopps der Lebensmittelzufuhr über die Donau und die Südbahn nach Wien auf Militäraktionen verzichteten.

FURCHE: Wie sehr wird der Abwehrkampf die Ortstafelfrage mitentscheiden? Bei manchen der Beteiligten hat man den Eindruck, der Abwehrkampf hat niemals aufgehört. Auf der Homepage des Kärntner Abwehrkämpferbundes findet man Artikel unter dem Titel #Kein Slowene stimmte für Kärnten#. LH Dörfler kündigte an, er werde Abwehrkämpfer- und Kameradschaftsbund und Ulrichsberggemeinschaft als Gesprächspartner für die Verhandlungen mit der Bundesregierung nominieren. Ist das nicht kontraproduktiv?

Karner: Ja. Ich hoffe aber, dass einige Funktionäre dieser Vereine zurückkehren zum konstruktiven Gespräch. So wie dies auch der Rat der Kärntner Slowenen nach dem Obmannwechsel zu Inzko macht.

FURCHE: Wie wurde das Geschichtsbild von damals bis heute tradiert?

Karner: Von der Abwehrkämpfer-Generation sind alle schon tot, die heutigen #Abwehrkämpfer# waren alle nicht dabei. Das sind zum Teil schon die Urenkel. Einige haben leider Meinungen übernommen, wie sie vor 50 Jahren tradiert wurden. Der Verein selbst ist ein Traditionsverband, wie es auch in Slowenien jenen der #Kämpfer um die Nordgrenze# gegeben hat. In Slowenien spielt dieser Verein, falls es ihn überhaupt noch gibt, heute keine Rolle mehr. Der Abwehrkämpferbund sollte ebenso #abrüsten#, ehe er sich weiter der Lächerlichkeit preisgibt. Es geht ja auch um das Erscheinungsbild Kärntens!

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Stimmung in Kärnten? Es gab eine Teilumsetzung des Erkenntnisses des VfGH. Die Ortstafel Bleiburg/Pliberk ist von Vandalen übermalt worden. Wie hoch ist der Rückhalt von Ortstafelstürmern in der Bevölkerung?

Karner: Der überwiegende Teil der Kärntner akzeptiert eine Lösung, wie wir sie in der Konsensgruppe gemeinsam mit vielen anderen Organisationen erarbeitet haben, wonach in 158 bzw. 141 Orten zweisprachige topografische Bezeichnungen anzubringen wären. Über 70 davon stehen ja bereits und weitere zehn bis zwölf sollen, so Landeshauptmann Dörfler, noch heuer aufgestellt werden. Ein slowenisches Territorium wird damit sicher nicht geschaffen, und Gebietsforderungen aus Slowenien sind nicht zu erwarten. Doch eigentlich geht es nicht um Zahlen, sondern um ein Klima des gegenseitigen Vertrauens. Mehr als jeder dritte Volksschüler besucht heute in Kärnten den Slowenisch-Unterricht. Das sind vor allem Kinder aus rein deutschsprachigen Familien. Der Anreiz: kleinere Schülerklassen, bessere Lernbetreuung, Einstieg in eine weitere Sprache und Kultur. #Nationalslowenen#, um in der Diktion des Abwehrkämpferbundes zu sprechen, werden dadurch keine ausgebildet.

FURCHE: Stehen wir vor einem Kompromiss in der Ortstafelfrage? 141 bis 163 Ortstafeln kündigt der für die Verhandlungen zuständige Staatssekretär Ostermayer an und nannte dabei einen Zeitrahmen bis 2012.

Karner: Ja, auf Basis und nach Adaption unserer Vorschläge aus 2005. Sie umfassen u. a.: 158 Orte, einen Zeitplan zur Umsetzung, Information der Bevölkerung, eine verstärkte Förderung des Südkärntner Gebietes für Vereine beider Volksgruppen und # weil ja Minderheitenfragen nicht statisch sind # einen Mechanismus zur Nachjustierung auf basisdemokratischem Antragsrecht für beide Seiten.

FURCHE: Und der Termin 2012, wie von Ostermayer angekündigt, wird halten?

Karner: Wenn alle guten Willens sind, ja. Derzeit gibt es viele positive Signale aus allen Richtungen, auch in Kärnten.

* Das Gespräch führte Oliver Tanzer

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