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Lohnendes Wagnis

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Zur Konstituierung des Volksgruppenbeirates für die Slowenen

Ein Meilenstein, noch nicht die breite Straße, wurde mit der Einrichtung des Volksgruppenbeirates für Slowenen erreicht. Doch dieser Meilenstein gibt Hoffnung, meint Karel Smolle.

Es gibt in Wien einen Ober, den personifizierten „HerrnFranz“. Aus seinem Kaffeehaus in der Nähe des Bundeskanzleramtes beobachtet er uns Kärntner Slowenen, wie wir seit 40 Jahren zum jeweiligen Bundeskanzler in Sachen slowenische Volksgruppe pilgern. Mit seiner kroatischen Seele hat er mit uns gelitten, wenn wir nach Kärnten zurückfuhren und eigentlich wenig nach Hause brachten

Seltener freute sich„unser“ Franz.

Nun, nach der ersten Sitzung des Volksgruppenbeirates für Slowenen hat er mir anerkennend auf die Schulter geklopft „nicht nur für Euch Slowenen, auch für uns Kroaten ein wichtiger Tag“. Nach 13jährigem Ringen konnten wir vergangene Woche erstmals mit allen betroffenen Gruppen den Volksgruppenbeirat für Slowenen konstituieren.

Es gehe darum, „daß sich auch die ethnischen Minderheiten, so wie die religiösen, in Österreich ohne Einschränkung zuhause fühlen“, meinte der Kanzler. Er hat damit wohl den Punkt getroffen.

Obwohl ich zu jenen zähle, die seit Jahren versuchen, Gehör für die Minderheiten zu schaffen - nun auch als grüner Vertreter im Volksgruppenbeirat - bin ich sicher, daß wir an diesem verregneten Montag zu einem Meilenstein gelangt sind, die breite Straße aber noch nicht erreicht haben.

Es geht ums Klima. Gut erinnere ich mich an meinen ersten Zeitungskontakt in Wien vor Jahrzehnten. Es war dieFURCHE, ihr legendärer Chefredakteur Kurt Skalnik (oder Gamülscheg, damals bei der „Presse“, später Vorhofer von der „Kleinen“ und Nenning vom „Forum“, um nur einige zu nennen), die uns die ersten Artikel widmeten. Wir Slowenen in Kärnten glaubten, j etzt begänne die Mehrheit endlich die Sache der Minderheit zu ihrer eigenen zu machen. Ganz so war die Entwicklung dann doch nicht.

Wohl kann man sagen, daß es uns in den vielen Jahren gelungen ist, in der Öffentlichkeit eine Präsenz zu erreichen, von der die Minderheit nur träumen konnte.

Die Erinnerungen an diesen ersten Versuch der Öffnung zur Mehrheit begleiteten mich auch, nachdem der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Matevz Grile, auch mit Parteienstimmen zum Vorsitzenden des Beirates gewählt wurde. Meritorisches ist noch nichts herausgekommen, aber die Geschäftsordnung wurde einstimmig verabschiedet und eine weitere Sitzung vereinbar. Doch ein Zeichen der Hoffnung und kooperativer Atmosphäre.

Inzwischen sind wir Kärntner Slowenen - auch wegen der drei j ährigen parlamentarischen Erfahrung - Realisten genug, um zu wissen, daß selbst der liebe Gott die Erde nicht an einem Tag erschuf. Mit dem Beirat käme das Paradies für die Volksgruppe, wurde von der Regierung und Parteien oft verkündet. Es ist ein Meilenstein, ein neuer Ausgangspunkt, sagen wir.

Noch ein Aspekt ist nicht zu vergessen. Als wir an diesem Tag im Ministerratssaal saßen, sagte mir ein Parteienvertreter: „Seit Eurem Entschluß, die Beiräte zu beschicken, seit Eurer Politik des neuen Dialogs habe ich keine Angst mehr zu sagen, ich bin Slowene. Auch in meiner Partei!“

Es gab Zeiten, wo uns die Mehrheit zu einer Politik der Konfrontation zwang. Wir sind, so meine ich, stark genug für eine Politik des Dialogs und es liegt jetzt an der Mehrheit, die sich hoffentlich ihrer Verantwortung bewußt ist. Diese Art von Politik wurde aber erst möglich, weil uns die Grünen zu einem Mandat, zu einer Stimme im Parlament verhalfen und erstmals nach 70 Jahren ein Kärntner Slowene in seiner Muttersprache im Hohen Haus am Ring sprechen konnte.

Meinem „Vorgänger“ - dem slowenischen Gail taler Bauern Franz Grafenauer - wurde das Abgeordnetenmandat entzogen, weil er 1913 im (heute bekannten) Skispringerort Achomitz/Za-homec voraussagte, „diesen Krieg werden die Russen gewinnen“. In Grafenauers Heimattal wurden 1976 die Mikrophonkabel zerschnitten, als die Bevölkerung den Olympiasieger Karl Schnabl in der Muttersprache begrüßte.

Man nahm uns unsere Sprache, unsere Stimme. Die Anzahl der Personen, die eine Volksgruppensprache als Umgangssprache verwenden, geht von Zählung zu Zählung rapid zurück. Man drängte unsere Sprachen in Haus und Stall und riß unsere Ortstafeln nieder.

Man hat tiefe Gräben durch unsere Wiesen und Felder gezogen und hinterließ Verbitterung. Trotz allem wächst unter den Kärntner Slowenen eine selbstbewußte starke Jugend heran.

Der 1000. Maturant hat im vorigen Schuljahr das Slowenische Gymnasium verlassen. Wir erreichen durch die Gründung der zweisprachigen Handelsakademie eine neue höhere Schule für die Minderheit, die Hermagoras Bruderschaft gründet mit Landes- und Bundesmitteln eine zweisprachige und konfessionelle Volksschule in Klagenfurt - die Unterstützung für diese Vorhaben wird der Beirat am 19. Oktober beschließen. TV-Sendungen gibt es seit kurzem in kroatischer und slowenischer Sprache.

Dies rechtfertigt ein Wagnis, von dem wir heute nicht wissen, wie es ausgehen wird. Es ist aber ein Signal für eine positivere Entwicklung auch bei den Kroaten und Tschechen, aber auch Ungarn. Es ist noch viel zu tun für diese Minderheiten - auch für die religiösen -bis sie im Sinne Vranitzkys ein Heimatgefühl und die Akzeptanz von seiten der Mehrheit erfahren werden, in dieser gemeinsamen Republik Österreich. Denn eines wollen wir alle nicht Fremde in der Heimat sein.

Der Autor ist Abgeordneter zum Natianalnt

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