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Kärntner Tango

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Es ist nicht nur offensichtlich, man bekennt es auch. Die Frage der slowenischen Volksgruppe steht an erster Stelle im Wahlkampf zur Landtagswahl in Kärnten.

Bereits in seiner Neujahrsansprache berührte der Landeshauptmann und SPÖ-Landesobmann Wagner (im Zusammenhang mit der guten Nachbarschaft mit Slowenien) die Minderheitenfrage, indem er erklärte, eine gut nachbarliche Politik würde nur dann möglich sein, wenn die Nachbarn bereit wären, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Österreichs einzumischen.

Die Reaktion auf diese Äußerung aus Laibach folgte unverzüglich. Die slowenische Regierung wies besonders die Worte über die Einmischung scharf zurück und betonte den internationalen Charakter des Staatsvertrages.

Seither tobt in Kärnten die Wahlkampagne. Landeshauptmann Wagner distanzierte sich von der Politik seines Vorgängers Sima und versicherte, daß sich die „Fehlpolitik’ der SPÖ gegenüber der slowenischem Minderheit nicht mehr wiederholen werde. Künftig wolle sie diese Frage nur mit Zustimmung der ÖVP und FPÖ und mit der Minderheitenfeststellung lösen.

Hinsichtlich der Kärntner Einheitsliste KEL mit ihrem slowenischen Spitzenkandidaten, dem Sozialisten Pavel Apovnik, sagte der Landeshauptmann, daß alle SPÖ- Mitglieder, die in der KEL antreten, ausgeschlossen werden. Darauf Apovnik: „Ich habe meine Überzeugung nicht geändert: die SPÖ änderte sie.” Er ließ wissen, daß ihm dieser Ausschuß als Landesbeamter in seinem Berufsleben Nachteile bringen könnte; er sei dennoch bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen.

Seither wickelt sich die Wahlkampagne nach alter bewährter Taktik und Strategie ab: viel versprechen. Der ÖVP-Landesobmann stellt sich auf den Wahlplakaten als „Bacher, der Macher” dar und verspricht, Kärnten eine „Aufhollmilliarde” zu bringen. Die SPÖ hingegen betreibt weiterhin eine „Gefälligkeitsdemokratie”. Die FPÖ sucht eine Lösung der Minderheitenfrage nach dem Triester Vorbild. Die KEL propagiert ein „friedliches Kärntner Zusammenleben”. Die KPÖ hofft auf ein Grundmandat.

Das heiße Eisen bleibt aber nach wie vor die Minderheitenfrage. Der ÖVP-Landesobmann erwartet von seinen Landsleuten, „welche sich zum Slowenentum bekennen, ein absolutes ,Ja* zum ungeteilten Kärnten und zum freien Österreich”. Landeshauptmann Wagner kündigte den Leitgedanken der Wahlkampagne an: „Der Republik Österreich dienen und nicht im Interesse des Nachbarlandes reagieren” — ein Slogan, der auf die Slowenischen Landsleute zu zielen scheint. Doch demgegenüber folgte kürzlich eine Äußerung, die nicht nur die slowenischen Kärntner stutzig machte — als der Landeshauptmann nämlich ‘der Wiener „Kronen Zeitung” sagte: „Ich glaube, daß ich auch in nationalen Kreisen eine gewisse Wertschätzung finde. Ich war zwar kein Napola-Schü- ler, aber immerhin ein hochgradiger Hitlerjunge. Doch es besteht kein Zweifel, daß ich heute Sozialdemokrat bin.” Und weiters: „Eines Tages wird der Staatsvertrag seine Erfüllung finden müssen, aber ich werde als Landeshauptmann nur solche Dinge zulassen, die hier zu verkraften sind.”

Wer die Kärntner Slowenen kennt, wird jedenfalls nicht den Eindruck bekommen, daß sie sich nicht zum ,ungeteilten Kärnten und zum freien Österreich” bekennen.

Es waren ja auch Kärntner Slowenen, die nach dem Ersten Weltkrieg für das Verbleiben bęi Österreich (mit Mehrheit) stimmten; und damals kannte man auch noch nicht „Slowenen” und „Windische”, was man erst seit dieser Zeit zu unterscheiden begann. Es handelt sich nämlich um ein und dasselbe Volkstum, was sogar Professor Einspieler, Leiter des Windischen Bundes und Mitglied der Ortstafelkommission, anerkennen mußte. Erst die deutsch nationalen Kreise entwik- kelten eine neue Unterscheidung: „Slowene” sollte in Kärnten derjenige heißen, welcher zu Jugoslawien will, die „Windischen” seien hingegen diejenigen, die „heimattreu” sind. Im täglichen Leben sind die „Windischen” also diejenigen Slowenen, die assimilationswillig sind. Bisher haben die Kärntner Slowenen SPÖ und ÖVP gewählt. Nach dem Ortstafelkrieg sahen beide großen Parteien ein, daß für sie beide die slowenischen Stimmen verloren sind. Die FPÖ wählten die Kärntner Slowenen nicht, und daher konnte diese mit einer betont nationalen Haltung manche deutschnationalen Stimmen gewinnen. Nun wollen aber beide großen Parteien die Einbuße der Slowenischen Stimmen, welche wahrscheinlich der KEL zufiallen werden, durch den Gewinn von deutschnationalen Stimmen ersetzen. Die SPÖ löste sich vom’ einzigen slowenischen Kandidaten, dem Landtagsabgeardneten Ogris aus Ludmannsdorf (Bilčovs).

Die SPÖ könnte ihre absolute Mehrheit im Landtag (20 von 36 Mandaten) und somit auch die Stelle des Landeshauptmanns verlieren. Der Wahlkampf geht zwar mit der Minderheitenfrage an der Spitze weiter, ist aber in der Tat der Kampf zwischen beiden großen Parteien. Nicht anders als anderswo in Österreich, nur mit diesem Unterschied, daß die großnationale Kampagne innen- und außenpolitischen Schaden hinterlassen wird.

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