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„Kooperation ist nicht möglich

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FURCHE: Bei der FPÖ-Klau-surtagung am 22. April in Baden bei Wien sind die Kärntner Delegierten — was die Personalrochaden in der kleinen Regierungspartei betrifft — wieder einmal leer ausgegangen.

JÖRG HAIDER: Ich betrachte die Ergebnisse dieser Klausur als Niederlage der Bundesländer Kärnten, Oberösterreich und Salzburg. Die Regierungsfunktionen sind wieder einmal auf Wien und Niederösterreich allein verteilt worden. Die Bundesländer, die die Stimmen für die Partei bringen, bleiben weiterhin aus der unmittelbaren Entscheidung ausgeklammert. Wir haben deshalb die Klausurtagung aus Protest vorzeitig verlassen.

FURCHE: Sie sind wieder „sauer“ auf Ihren Bundespartei-obmann Norbert Steger?

HAIDER: Steger wird den unhaltbaren Zustand korrigieren müssen, sonst wird es keine vernünftige Kooperation mehr geben können. Es geht nicht an, daß der „Wasserkopf“ Wien in allen Parteien ein Ubergewicht über die Bundesländer gewinnt.

FURCHE: Kommen wir zum Thema, das den Bundespräsi-dentschaftswahlkampf beherrscht hat, nämlich der Kriegsvergangenheit des Kandidaten Kurt Waldheim. Zweifeln Sie an dessen Integrität?

HAIDER: Was mich an der ganzen Diskussion gestört hat, ist die Tatsache, daß es Waldheim mit der Vollständigkeit seiner Biographie, der Wahrheit, wenn Sie wollen, nicht ernstgenommen und auffallende Gedächtnislücken gezeigt hat.

FURCHE: Sie waren immer auch einer, der die These vertreten hat, jeder Soldat hätte im Zweiten Weltkrieg nur seine Pflicht erfüllt. Ist das nicht ein böser Euphemismus gegenüber allen Nazi-Opfern und leugnet er nicht jegliche individuelle Verantwortung des einzelnen?

HAIDER: Das glaube ich nicht. Es geht hier um den historischen Disput, um das Widerstandsrecht des einzelnen. Erstens haben die Soldaten, die damals an der Front waren, häufig von den Vorgängen in den Konzentrationslagern nichts gewußt, und zweitens haben sie eben einen Eid auf eine Fahne geleistet. Man sollte das nicht zum kollektiven Schuldvorwurf an eine ganze Generation machen.

FURCHE: Anders herum gefragt: Wer hat Ihrer Meinung nach damals die moralisch größere Pflicht erfüllt — einOffizier der Deutschen Wehrmacht oder ein Widerstandskämpfer ?

HAIDER: Das hängt mit der moralischen, individuellen Einstellung zusammen. Es hat sicher jeder für seinen Standpunkt eine Legitimation.

FURCHE: Die FPO hat geschlossen, keinen eigenen Kandidatenfür die Bundespräsidentenwahl zu nominieren und sich neutral zu verhalten. Der Kärntner Nationalratsabgeordnete Alois Huber hat als Freiheitlicher dennoch eine Unterstützungserklärung für Otto Scrinci abgegeben. Steckt dahinter in Wahrheit Jörg Haider?

HAIDER: Ich wurde von Huber über seine Unterstützungserklärung vorher nicht informiert. Die These, ich stünde dahinter, ist völlig aus der Luft gegriffen.

FURCHE: Man sagt Ihnen ein amikales Verhältnis zu Otto Scrinci nach. Was eint Sie beide ideologisch?

HAIDER: Ich schätze Scrinci als einen kritischen Geist und habe ein sehr korrektes Verhältnis zu ihm, wie viele es gehabt haben, die jetzt negativ über ihn reden.

FURCHE: Daß sich Scrinci von einem Norbert Burger unter die Arme greifen läßt, stört Sie nicht?

HAIDER: Natürlich. Das ist sein großer Fehler gewesen, er hätte es aufgrund seiner Persönlichkeit Jiictit notwendig, sich in diesen Kreis zu begeben.

FURCHE: Die unterschiedliche Bewertung der Person Scrinci läßt den innerparteilichen Ideologiestreit — national oder liberal — wieder aufflammen. Steger möchte die Ewiggestrigen ein für allemal aus der Partei haben.

HAIDER: Ich glaube nicht, daß es in unserer Partei einen Ideologiestreit gibt. Unser Parteiprogramm ist umfassend genug und auch darauf ausgerichtet, den Eindruck zu korrigieren, wir seien eine Nachfolgepartei der NSDAP — was uns ja immer wieder angedichtet wird.

Andererseits möchte ich betonen, daß all diejenigen, die in den Gründungstagen diese Bewegung aus der Taufe gehoben haben, sehr wohl einen Platz in der heutigen FPÖ haben.

FURCHE: Platz in der FPO haben offenbar auch unverhohlene antisemitische Äußerungen. Als Beleg ein Zitat aus einer unlängst in Ihrer Landesparteizeitung erschienenen Glosse: „... wie auch eine noch so zahme und liberale FPÖ jeweils dann ins braune Eck geschubst wird, wenn es politisierenden Juden gefällt.“

HAIDER: Ichhabe schön veranlaßt, daß - wenn solche Glossen in unserer Zeitung verfaßt werden — dieser Journalist das letzte Mal bei uns geschrieben hat.

FURCHE: Wie liberal ist Ihre Partei gegenüber den Kärntner Slowenen?

HAIDER: Die Minderheitenproblematik ist, glaube ich, ein schlechter Anlaßfall, um zu prüfen, ob wir eine liberale oder nationale Partei sind. Abgesehen davon ist mit Unterstützung der Kärntner Freiheitlichen ein Passus ins neue FPÖ-Programm aufgenommen worden, der ein positives Verhältnis zu allen ethnischen Minderheiten vorsieht.

FURCHE: Dann schließen Sie sich auch jener Meinung eines Kärntner FP-Journalisten an: ,JDie Deutschkärntner müssen um ihre Rechte raufen und nicht die Slowenen, die nur um weitere Vorrechte trutzen.“

HAIDER: Es ist halt unter der Bevölkerung der Eindruck entstanden, daß es unheimlich schwer ist, für die Mehrheit eine Gleichberechtigung zu erzielen. Das Recht der Minderheit, einen zweisprachigen Unterricht zu haben, ist auch für uns etwas Wünschenswertes. Nur sollten alle Eltern das Recht haben, jene Sprache zu bestimmen, in der ihre Kinder unterrichtet werden sollen.

FURCHE: Immer wieder werden Ihnen Ambitionen nachgesagt, nach Ihrem politischen Erfolg in Kärnten Vizekanzler Steger nach einem schlechten Abschneiden der Freiheitlichen bei den Nationalratswahlen als Parteiobmann und möglicherweise in der Regierung zu beerben.

HAIDER: Wien ist zur Zeit kein Thema für mich. Was wir wollen, ist eine starke FPÖ nach den Nationalratswahlen im nächsten Jahr. Es gibt zwar Meinungsverschiedenheiten mit der Bundes-FPÖ, aber illoyal sind wir Kärntner Freiheitlichen nie.

FURCHE: Auch nicht gegenüber Norbert Steger?

HAIDER: Auch nicht gegenüber Steger.

Mit Landesrat Jörg Haider, dem Landes-rteiobmann der FPU Kärnten, sprach Hurt Patterer.

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