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FPÖ: Keine Angst vor blauem Wunder

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Nach dem Motto: „Ich kenne keine Wähler mehr, sondern nur noch Wahltaktik“ hat sich Friedrich Peter, Obmann der FPÖ, zwar nicht so eindeutig wie am 16. Jänner 1970, für routinierte Kenner politischer Strategie aber doch deutlich genug, wieder einmal festgelegt.

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Nach dem Motto: „Ich kenne keine Wähler mehr, sondern nur noch Wahltaktik“ hat sich Friedrich Peter, Obmann der FPÖ, zwar nicht so eindeutig wie am 16. Jänner 1970, für routinierte Kenner politischer Strategie aber doch deutlich genug, wieder einmal festgelegt.

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Seinerzeit erfolgte die Entscheidung für die ÖVP ohne Absprachen mit der ÖVP-Spitze, »und ganz gewiß aiuch zu deren Leidwesen. Das Ergebnis ist weithin bekannt: die FPÖ gewann keine Stimmen; die nicht zuletzt aus der FP-Festlegung resultierende Mitschuld an Neuwahlen nach nur tiinfzehnmonatiger Legislaturperiode ist so evident, daß sie selbst vom dialektischen Jongleur Peter nicht ernsthaft bestritten wird. „Das war diese unglückliche Erklärung“, sagt er heute, und verspricht, derlei nicht mehr zu tun.

Nun hat sich Peter, freilich vorsichtiger als im Jänner 1970, wieder einer Koalitiansrichtung verschrieben, die stimmen soll: der SPÖ des Dr. Kreisky.

Die Gründe für Peters und Kreiskys Flirt sind hinreichend bekannt. Friedrich Peter will seine Partei in die Regierung führen; ein Teil des FPÖ-Spiitzenteams will ministerielle Macht und Möglichkeiten aus kosten. Die FPÖ-Rolle des parlamentarischen Züngleins an der Waage soll umfnnktianient werden in die Rolle eines liberalen Korrektivs in einer Bundesregierung, die von einem sozialistischen Kanzler geführt wird. Obendrein glaubt Peter aus einer Reihe von Äußerungen führender Gewerkschaftsfunktionäre schließen zu müssen, daß die auch von ihm propagierte Offenheit nach alien Seiten erst dann einen Bezug zur Wirklichkeit hat, wenn er mit Zustimmung Benyas eine Regierungsehe mit der SPÖ eingegangen ist. So gesehen, ist Peters Taktik durchdacht, zukunftsträchtig für seine Partei, und im übrigen durchaus verständlich. Es fragt sich dabei nur, ob auch die Stammrwähier der Freiheitlichen Partei die Dinge so sehen, wie sie sich aus Peters Blickwinkel darsteilen. Dafür aber gibt es schon weniger Anhaltspunkte.

Die notorischen FPÖ-Wähier haben gerade in den letzten zwanzig Monaten, Undank der Politik der FPÖ-Spitze, sehr viel erleben müssen, das wenig geeignet ist, das Gefühl zu vermitteln, ihre politische Heimat könne auch weiterhin die Freiheitliche Partei sein. Erst das .Versprechen:. „Kein roter Bundeskanzler“, dann die Behauptungen des „Spiegels“, die FPÖ sei von der sozialistischen Minderheitsregierung um einen Mülionenibetrag gekauft worden (und die politische Praxis Peters konnte diese Behauptung jedenfalls nicht widerlegen), zuletzt aber zwei äußerst gewichtige Zustimmungen: die 2um SPÖ-Frak- tiousamtrag auf Auflösung des Parlaments und das Plazet zur Regie- rungspoldtik gegenüber dem Bundesheer. Heute FPÖ-Wähler zu sein, bedeutet, einer Parteiführung auf Wegen zu folgen, die man bei früheren Stimmenabgaben nie edmzuschla- gen beabsichtigt hat.

Es ist anzunehmen, daß Friedrich Peter die Riskan seiner Politik zumindest überdacht hat. Es ist aber eher zu bezweifeln, daß seine Annahme, nur eine FPÖ in der Regierung besäße auch in Zukunft genügend Ausstrahlungskraft auf angestammte und potentielle Wähler, unbedingt richtig ist. Eine FPÖ während der Großen Koalition war gut, weil sie Opposition betrieb, und sich auch auf dieses Handwerk verstand. Eine FPÖ während der sozialistischen Mdnderheitsregierung war jedenfalls interessant, weil die Schachzüge ihrer Führung vielen als Delikatesse politscher Strategie und Taktik erschienen. Eine FPÖ als Juniorpartner einer sozialistischen Regierung — wem nützt das? Doch wohl nur jener kleinen Gruppe frustrierter Parteigänger, die bislang aus ihrem Bekenntnis zu den Freiheitlichen weder als GehaMsafchängnge noch als private Unternehmer hohes politisches Kapital schlagen konnten. Diesem Mangel könnte nach Bilddung einer SPÖ-FPÖ-Regierung nach den Natianalratswahlen vielleicht schon zu Beginn des nächsten Jahres abgehölfen werden. Nur: es sind viel zu wenige, die diesen Mangel empfinden als daß sich das im Wahlergebnis zugunsten der FPÖ auswirken dürfte. Der größere Teil der FPÖ-Wählerschichten dürfte sich eher von den Darstellungen freiheitlicher Politiker in der Opposition angesprochen fühlen; vom Inhalt ohnedies nicht, denn wohin man schaut: es gibt kein gesellschaftspolitisches Konzept dieser Partei, keine profilierte Meinung zur Mitbestimmung, zur Eigentums- und Vermögensbildung, kein Papier, das Anlaß zur Hoffnung böte, die FPÖ verstünde sich auf Schrittmacher- diensle in der Bildiungs- und Rechtspolitik. Alles, was hier bislang von den Freiheitlichen dargeboten wurde, geschah kaum aus prinzipiellen Erwägungen, sondern besaß Opportunitätscharakter.

Schaumgebremste Volkspartei

Noch ist die Kritik der Volkspartei-Führung am freiheitlichen Zickzack schaumgebremst. Das dürft e nicht zuletzt auf Anweisungen von Parteiobmann Dr. Schleinzer zurückgehen, der ja nun auch merken muß, daß Offenheit nach allen Seiten gar nichts nützt, wenn die anfälligen Partner kein Interesse zeigen. Sollte sich nach dem 10. Oktober eine SPÖ-FFÖ-Koalition bilden — und selbst ÖGB-Präsident Benya war gegenüber der „Furche“ (Nr. 26/1971) dafür —, dann dürfte das nicht ohne Folgen auf das ohnedies gestörte ÖVP-FPÖ-Verhältnis bleiben. Vor allem der harte ÖVP- Kem, dem die FPÖ immer schon hochgradig suspekt war, dürfte sich dann ermuntert fühlen, polemische Suaden, gezielte Deutlichkeiten und harte Attacken auf die FPÖ und ihre Führung loszulassen. Ferner würde der Ruf nach einem Mann an der VP-Spitze laut werden, der Op- posdtionspoldtik ohne besondere Rücksichtnahme auf die Freiheitlichen zu machen bereit und imstande wäre. Dies könnte der FPÖ dann bei der übernächsten Wahl tatsächlich einige Stimmen an die ÖVP kosten, könnte aber auch die Beziehungen zwischen ÖVP und FPÖ so schwer gefährden, daß auch bei der übernächsten Regierungsbildung das Mißtrauen größer wäre als alle Bereitschaft, diesmal eine ÖVP-FPÖ- Koaliition zu bilden.

Die FPÖ-Führung, nicht die Wähler der Freiheitlichen Partei, haben sich auf die SPÖ gestgelegt. Peter hofft auf eine Verbesserung des prozentualen Anteils der FPÖ an den am 10. Oktober abgegebenen Stimmen und rechnet mit zwölf Mandaten.

Das tat er schon vor dem 1. März 1970 und er hat sich dabei verrechnet. Die Papierform spricht dagegen, daß die FPÖ wieder „blaue“ Wunder erleben wird. Aber wer kann bei den Aussichten der FPÖ schon von Papierform sprechen, wenn Mandatare der Freiheitlichen selbst zugeben, die Schichtung und das weltanschauliche Credo ihrer rund 300.000 Wähler nicht zu kennen?

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