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Warum Rot-Blau strategisch wie inhaltlich plausibel ist.

Die Aufregung ist groß im Lande. Franz Vranitzky wird ex post zur moralischen Instanz der Sozialdemokratie, seine konsequente Politik gegenüber Jörg Haider und der FPÖ zur "Doktrin", also einer im Wortsinn staatstragenden Formel, stilisiert; der blau-rote Pakt von Klagenfurt gilt demgegenüber als unverzeihlicher "Tabubruch". Wir befinden uns medienmäßig auf der Erregungsskala bereits im roten Bereich, nur wenige Stufen darüber steht "Schande", das zuletzt bei Schwarz-Blau I grell aufleuchtete.

Dietmar Ecker, PR-Experte und ehemaliger Pressesprecher von SP-Finanzminister Ferdinand Lacina, ist über all das einigermaßen irritiert: "Hab' ich etwas versäumt?" fragt er rhetorisch im Standard, um dann die Kluft zwischen öffentlicher Wahrnehmung und den Tatsachen darzulegen: ein Arbeitsübereinkommen zweier Parteien, welche per Landesverfassung ohnedies gemeinsam in der Regierung sitzen, sei keine Koalition; der strategische Versuch, die Bundesregierung zu spalten und in inhaltlichen Punkten mit der FPÖ Übereinkunft zu erzielen ("Spargelessen"), bedeute kein Über-Bord-Werfen von Grundsätzen oder gar die Anbahnung einer SP-FP-Koalition im Bund etc. Dass das alles dennoch anders "rüberkommt", schreibt Ecker Alfred Gusenbauers "Mangel an Gefühl für symbolische Kommunikation und den richtigen Zeitpunkt für bestimmte Themen" zu.

Diesen Mangel zu konstatieren, muss man weder ein Gegner Gusenbauers noch ein PR-Experte sein - der ist für jeden einigermaßen wachen Beobachter der österreichischen Innenpolitik evident (als eines unter mehreren Stichwörtern: Sommelier-Expertisen). Aber das ist das Problem von Gusenbauer und seiner Partei. Interessanter ist die inhaltliche Bewertung der einschlägigen Ereignisse.

Nein, natürlich hat Ecker nichts versäumt - es ist nicht mehr, als das, was er beschreibt. Aber es bedeutet mehr, als er zugibt oder zugeben will. Es bedeutet selbstverständlich eine Abkehr von Vranitzkys kompromissloser Linie und ein Wiederanknüpfen an Kreisky, Sinowatz (und einen eher hilflosen Ansatz von Viktor Klima & Karl Schlögl). Man muss freilich sagen, dass Vranitzky diese seine Abgrenzungspolitik, so sehr sie wohl auch aus Überzeugung kam, relativ problemlos fahren konnte, hatte er doch mit der ÖVP einen einigermaßen stabilen und verlässlichen Koalitionspartner zur Hand. Es gab also für Vranitzky gar keinen Grund, die Annäherung an Haider zu suchen. Andere hatten Gründe - und sie haben sich entsprechend verhalten.

Ende der neunziger Jahre wurden diese Gründe - für SPÖ und ÖVP - immer drückender. Denn es ist illusorisch anzunehmen, Haiders von Sieg zu Sieg eilende FPÖ hätte sich auf Dauer von einer Regierung fernhalten lassen und von sich aus wieder auf ihr angestammtes Maß im ein- oder knapp zweistelligen Prozentbereich redimensioniert. Wolfgang Schüssel hat, unter Bruch eines leichtfertigen Wahlversprechens, diesen Schritt getan und damit zunächst eine bislang ungekannte Polarisierung der politischen Landschaft bewirkt, langfristig aber einen Schritt in Richtung Normalisierung gesetzt, die mit den schwarz-grünen Verhandlungen einerseits und eben mit "Spargel" und "Chianti" (Kärnten) andererseits weiter fortgeschritten ist.

Dass sich die SPÖ auf Dauer darauf einstellt, eine Koalitionsoption weniger als die ÖVP zu haben, bedeutet schon strategisch gesehen eine ziemliche Zumutung: Politik hat auch, aber nicht nur mit Moral zu tun. Aber auch inhaltlich ist die Variante Rot-Blau nicht unbedingt widersprüchlicher als Schwarz-Blau (oder auch Schwarz-Grün). Wenn sich überhaupt so etwas wie ein Wesen der FPÖ festmachen lässt, so doch am ehesten - ungeachtet wirtschaftsliberaler Einsprengsel - das eines nationalen Sozialismus: "kleiner Mann" und "Österreich zuerst".

Ob dieses Programm - vor allem in der radikal-populistischen Spielart der FPÖ - zukunftsfähig ist, mag man mit gutem Grund bezweifeln. Mehrheitsfähig dürfte es sein - ein Blick auf die Auflagenzahlen heimischer Medien macht sicher. Und Elemente davon gibt es, wie wir wissen, in jeder Partei.

rudolf.mitloehner@furche.at

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