Die Freuden der Politik

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Eine Zwischenbilanz von Schwarz-Blau II.

Eine Koalition mit den Freiheitlichen sei immer "a zitternde Freud'", meinte kürzlich ein nicht unbedeutender ÖVP-Politiker in kleiner Runde. Er weiß, wovon er spricht - doch um zu diesem Befund zu kommen, reichte schon durchschnittliche politische Beobachtungsgabe: Beinahe täglich können wir die Bruchlinien der Koalition hervortreten sehen, werden wir Zuseher eines so aberwitzigen wie facettenreichen Polittheaters.

Für die ÖVP besteht die "Freud'" im Besitz der Macht, für das Publikum immerhin darin, dass man dieser Regierung in zentralen Fragen (Budget, Pensionen) einen im Prinzip richtigen Kurs bescheinigen kann. Getrübt wird diese Freude auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger gleich mehrfach: wie für die VP durch die Eskapaden des kleineren Regierungspartners ("zitternde Freud'"); durch die Tatsache, dass dieser Sanierungskurs natürlich einmal mit durchaus unangenehmen Einschnitten verbunden ist, die plausibel zu machen man sich nicht sonderlich bemüßigt fühlte (deswegen etwa bei der Pensionsreform die Rede von "überfallsartig", und nicht, weil das Thema an sich unerwartet auf die Agenda gekommen wäre); durch Elemente der konkreten Umsetzung - beispielsweise dass man sich nicht zu einer großen Pensionsreform aus einem Guss, also einschließlich Harmonisierung, durchgerungen hat, oder dass Frauen mit Kindern noch immer nicht ausreichend berücksichtigt sind; und, viertens, durch das, was man Performance nennen könnte und viel mit Stil und Symbolik zu tun hat - mit all den Verästelungen von FP-Querelen bis zu Grassers Homepage und Bartensteins Schuhkauf.

Dass es so kommen würde, war vorhersehbar. Es gab begründete Vorbehalte gegen die Neuauflage von Schwarz-Blau - und man kann nicht wirklich sagen, dass die seinerzeit vorgebrachten Argumente seit Anfang des Jahres an Gewicht verloren hätten. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass natürlich auch eine schwarz-grüne Regierung kein Spaziergang geworden wäre - vielleicht aber doch mehr "Freud'" und weniger "Zittern"...

Aber geht es überhaupt um den Koalitionspartner? Es hat - sehr im Unterschied zu Schwarz-Blau I - den Anschein, der Unmut der Kritiker richte sich mehr und mehr auf die Kanzlerpartei selbst, nicht auf die von Herbert Haupt mit dem Mut der Verzweiflung zusammengehaltene blaue Truppe. Mehr noch als alle sachlichen Einwände zusammen scheint der Vorwurf der "Umfärbung der Republik" zu wiegen: Das Land sei schwarz wie nie zuvor, heißt es, ja, in einem Ausmaß gar, wie es niemals rot gewesen sei.

Interessant ist daran nicht primär die Zustandsbeschreibung bzw. die Frage, inwieweit sie zutrifft, sondern der Gesamtzusammenhang: Denn in dieser von Teilen der Linken vorgetragenen Klage kommen tief wurzelnde politische Befindlichkeiten zum Vorschein, die ihre konkrete Ausprägung Anfang der siebziger Jahre in der Annäherung Kreiskys an Friedrich Peter, später in der Sinowatz-Steger-Koalition, zuletzt - vorerst eher als Farce - im Spargelessen von Gusenbauer und Haider gefunden haben. Der eigentliche Gegner ist in dieser Perspektive die Volkspartei, nicht die FPÖ.

Man kann das sehr schön bei Robert Menasse nachlesen, der in diversen Österreich-Essays als die eigentliche historische Katastrophe die Dollfuß-Jahre beschreibt, denen gegenüber die NS-Diktatur ihren absoluten Schrecken verliert. Von daher erklärt sich auch das wütende Anrennen Menasses (und Gleichgesinnter) gegen Sozialpartnerschaft, große Koalitionen und dergleichen mehr. Nicht, dass es dafür keine guten Gründe gäbe; aber man muss hierin auch eine Gegenposition zu jenen in beiden "Lagern" sehen, die - wie auch die Gründerväter dieser Zeitung - in der Zweiten Republik für Brückenschlagen und Dialog eingetreten sind.

Die Auseinandersetzungen rund um die Pensionsreform haben vor Augen geführt, dass diese Dinge unvermindert aktuell sind. Die Pläne der Regierung für die weitere Legislaturperiode werden vermutlich jede Menge weiteres Anschauungsmaterial liefern. Das Ludersdorfer Spargel-Treffen wird, so lässt sich prophezeien, nicht das letzte seiner Art gewesen sein. Die "Freud'" bleibt für alle Beteiligten eine "zitternde".

rudolf.mitloehner@furche.at

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