Die neue alte Partei

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Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen - und ohne sie kein politischer Wechsel: trübe Aussichten.

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Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen - und ohne sie kein politischer Wechsel: trübe Aussichten.

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Diese Partei wird nie wieder so sein, wie sie war", heißt es; "diese Partei war nie anders", wird entgegnet. Beides hat etwas für sich. Tatsächlich stellt die Affäre Rosenstingl wohl eine Zäsur in der Erfolgsstory der Haider-FPÖ dar, die von anderer Qualität ist als bisherige Krisen nach parteiinternen Querelen oder Turbulenzen infolge so mancher Sager aus dem Munde von FP-Politikern. Doch ebenso gilt, daß die Ereignisse der letzten Tage und Wochen nur die Strukturen endgültig blank gelegt haben, wie sie sich in den Jahren seit der Machtübernahme Jörg Haiders herausgebildet haben. Sie waren zwar schon früher bisweilen recht deutlich hervorgeblitzt, doch die Person des Obmanns überstrahlte für viele (fast) alles. Nun, da diese Wirkung nachläßt, wird für (fast) alle vieles klar erkennbar.

Aber sollen wir uns den Kopf der FPÖ zerbrechen? Die Causa ist ja zunächst ein Problem Jörg Haiders und, wohl noch mehr, seiner Gefolgsleute - all jener "gebrochenen Existenzen, die ohne Jörg Haider nichts wären", jener "Funktionäre, die ebenso verzweifelt wie erfolglos eine normale berufliche Basis außerhalb der FPÖ suchen", wie sie Anneliese Rohrer kürzlich in der "Presse" beschrieb.

Und doch geht es uns alle an. Denn der betroffenen Partei kommt nun einmal eine Schlüsselposition in der politischen Landschaft zu. Die FPÖ ist zum einen größte Oppositionspartei und hat als solche in der Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt. Sie hat das in oft fragwürdiger, nicht selten widerwärtiger, das allgemeine Klima vergiftender Weise getan; aber das Verdienst, den Finger auf wunde Punkte des Systems der Zweiten Republik gelegt, Privilegien- und Bonzentum in Politik und Kammern angeprangert, den Filz in der Bürokratie grell beleuchtet zu haben, das wird man den Freiheitlichen nicht ohne weiteres absprechen können. Jörg Haider und andere Funktionäre haben die Partei durch vielerlei unsägliche Äußerungen und Politkampagnen moralisch diskreditiert. Über eine politische Demontage der FPÖ können sich aber dennoch nur jene eingeschränkt freuen, denen die Zementierung des Status quo ein Herzensanliegen ist.

Reelle Chancen auf Aufweichung dieses Zements bestehen ohnedies kaum; denn dies setzte einen Wechsel der Regierung voraus. Ein solcher aber - und hier sind wir wiederum bei der Schlüsselposition der FPÖ - ist derzeit nicht anders denn mit den Freiheitlichen möglich, und damit realpolitisch nahezu unmöglich. Aus der "Ampel" wird rechnerisch wohl nichts werden - es hat auch politisch schon heftiger geblinkt; aus Schwarz-grün-liberal noch viel weniger - eine solche Option hätte inhaltlich und strategisch langfristige und konsequente Arbeit erfordert; somit bleiben neben der rot-schwarzen Vernunft- und Schicksalsgemeinschaft nur noch Kombinationen mit blau übrig. Diese aber läßt Andreas Khol für seinen Teil nur als Krawattenfarbe durchgehen, von seinem roten Pendant Peter Kostelka wissen wir nicht einmal das sicher.

Also wird nach 1999 weiter mittelgroß koaliert werden. Vorher kommt noch die EU-Präsidentschaft. Da soll man sich ja nicht sonderlich in eigener Sache hervortun, haben wir mittlerweile gelernt, sondern vor allem durch Souveränität und Professionalität glänzen. Das heißt also: alle parteipolitischen Spielchen schön brav im Zaum halten, mit einer Zunge sprechen und den berühmten "ehrlichen Makler" spielen, den die EU-Länder vom jeweiligen Vorsitzenden erwarten. Der Szenenwechsel wird dann allerdings ziemlich abrupt ausfallen: Kaum, daß der Vorhang nach dem großen Europa-Akt niedergegangen sein wird, müssen im Blitzestempo die Protagonisten in der Garderobe von EU-Staatsmännern zu Österreich-Wahlkämpfern umgeschminkt und -gekleidet werden. Der mit Spannung erwartete Aufzug "Wahljahr '99" (Nationalrats-, EU-Parlaments- sowie vier Landtagswahlen) kann beginnen.

Spannung? Die gibt es höchstens im Sinne jenes vordergründigen Nervenkitzels, den auflagenstarke Magazine und TV-Hochrechnungen erzeugen, indem sie Urnengänge als Politshow inszenieren. Wie stark wird Haider? Überlebt das LIF? Was ist vom Klima-Effekt geblieben? Das hat seinen Reiz, gewiß. Aber das Stück ist nicht abendfüllend. Es fehlt an inhaltlicher Spannung, die sich aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Zukunftsentwürfe, verschiedener Antworten auf vitale Zukunftsfragen ergäbe.

"Wer hat morgen das Sagen: Die Konzerne? Oder doch die Politik?", fragte etwa die jüngste Ausgabe der "Zeit" auf Seite 1. Oder: "Woran glaubt man in Europa, gibt es noch gemeinsame Wertvorstellungen? Wie weit reicht Europa, wo liegen seine Grenzen? Was spricht man in Europa, wie ist es um die einzelnen Sprachen bestellt? Was wird aus Europa?", so fragte dieser Tage Werner Welzig, der Präsident der Akademie der Wissenschaften. Er richtete sich dabei zwar unmittelbar an die akademische Intelligenz, doch wer wollte bestreiten, daß auch die Politik hier herausgefordert wäre.

Indes, Programmatisches ist rar, zumal bei den Regierungsparteien, aber nicht nur dort. Politische Grundsatzdiskussionen kann man in diesem Land nur noch mit Andreas Khol und Heide Schmidt führen. Caspar Einem hat sich ideologisch im Semmering-Tunnel verkrochen, in der ÖVP hat sich alles, was nicht Khol ist, in ihr geistig-intellektuelles Umfeld hinausverlagert, und die Grünen arbeiten anscheinend gerade wieder einmal am eigenen Profil.

Da wäre noch leicht Platz für eine weitere Partei: eine, die es sich zutraut, zu den oben genannten und etlichen anderen Zukunftsthemen Position zu beziehen, und die diese ihre Positionen auch den Menschen zuzumuten bereit ist; die dem Volk aufs Maul schaut und danach handelt - aber nicht im landläufigen populistischen Sinn, sondern im Versuch, das für richtig und notwendig Erkannte politisch möglich zu machen.

Aber diese Partei gibt es nicht.

Statt dessen gibt es die FPÖ, die sich, gleich einer Schlange, immer wieder häutend erneuert - und doch stets dieselbe bleibt.

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