Alles Haider, oder was?

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Haiders Wahlsieg bringt Bewegung in die Bundespolitik; die Verlegenheit ist mit Händen zu greifen.

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Haiders Wahlsieg bringt Bewegung in die Bundespolitik; die Verlegenheit ist mit Händen zu greifen.

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Wir kennen viele Gesichter Jörg Haiders - cool, lausbübisch, rotzig, verächtlich, seriös, staatstragend. Am vergangenen Sonntag lernten wir ein neues kennen: das des von Rührung übermannten, mit den Tränen kämpfenden Jörg Haider. Wir wollen unterstellen, daß die Gefühle echt waren und daß das daran liegt, daß dieses Kärnten wirklich die große politische Liebe und Leidenschaft des Freiheitlichen-Chefs ist. Wir wollen deshalb auch glauben, daß es Haider mit seiner Ankündigung, zumindest für die nächsten fünf Jahre als Landeshauptmann in Kärnten bleiben zu wollen, ernst ist.

Wenn - ja, wenn er denn Landeshauptmann wird. Alles andere wäre freilich angesichts dieses eindeutigen Wahlergebnisses demokratiepolitisch skandalös und strategisch dumm. Im übrigen sollten wir uns jene Haltung zu eigen machen, die besonnene Kommentatoren vor wie nach dem Urnengang sinngemäß mit "Ein Landeshauptmann Haider - na und?" umschrieben haben. Laßt ihn und sein Team einmal arbeiten (der Politologe Manfried Welan zählt auf Seite 2 dieser Ausgabe gar nicht so wenige Bereiche auf, in denen landespolitisch etwas zu bewegen ist) - und dann sehen wir weiter.

Es ist nicht zu erwarten, daß Haider Kärnten total abschotten oder slowenenfeindlich agieren wird - das hat er dem Vernehmen nach auch während seiner Amtszeit im Klagenfurter Landhaus von 1989 bis 1991 nicht getan, und zudem weiß er wohl, daß dies kontraproduktiv zu seinem Ziel wäre, Kärnten in der Rangliste der Bundesländer auf einen der vorderen Plätze zu bringen. Aus diesem Grund wird ihm vermutlich auch nicht wieder ein unsäglicher Sager wie der von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik" entschlüpfen, der ihn seinerzeit das Amt des Landeshauptmanns kostete - zumal diese Klaviatur auch FP-strategisch nicht mehr eine so große Rolle spielt wie vor zehn Jahren.

Ebensowenig ist freilich anzunehmen, daß Haider all die Erwartungen und Hoffnungen, die enttäuschte und/oder verbitterte Wähler auf ihn projizieren mochten, erfüllen kann; daß er jener Wunderwuzzi des abgeschlagenen Südens sein wird, zu dem er sich selbst stilisiert hat. Durchaus vernünftig erscheint indes die Prognose, daß Haider einen im Rahmen des Möglichen erfolgreichen und engagierten Landeshäuptling abgeben wird, volksnah in der schillernden Bedeutungsvielfalt dieses Wortes - wie eben die besseren seiner Kollegen zwischen Eisenstadt und Bregenz auch.

Mit wenigstens einem gravierenden Unterschied freilich: dieser Jörg Haider wird in der Bundespolitik stets ungleich mehr herumfuhrwerken als selbst so ambitionierte Leute wie etwa St. Pöltens mächtig-selbstbewußter Erwin Pröll. Das wissen die Bundespolitiker - und deshalb können sie auch ob des Kärntner Ergebnisses und einer gestärkten FPÖ nicht so recht von Herzen froh werden. Gewiß, die ÖVP kann sich über das Halten der "Absoluten" in Tirol - wo gibt's das heute schon noch - und das ebenfalls respektable Abschneiden in Salzburg freuen; und die SPÖ hat in Tirol erkennbar und in Salzburg sogar ganz kräftig zugelegt. Ansonsten aber war und ist die Verlegenheit mit Händen zu greifen: Darf Haider (vorerst einmal in Kärnten) an die Macht? ((c) "profil") Beide Bundesparteien möchten mit Kärnten naturgemäß möglichst wenig zu tun haben. Die ÖVP tut überhaupt so, als ginge sie die Causa eigentlich nichts an und kann gar nicht genug die Autonomie der Kärntner Freunde betonen: das ist erstens verlogen und zweitens fauler Föderalismus - man entdeckt die Eigenständigkeit der Länder, wenn es gerade ins Konzept paßt. Die SPÖ kam da schon subtiler: Wir können uns nicht vorstellen, daß sie (die Kärntner Sozialdemokraten) möchten (Haider zum Landeshauptmann wählen), gaben sich Viktor Klima und Andreas Rudas salomonisch: das ist erstens verlogen und zweitens Zentralismus light auf der Höhe der Zeit, wie es einer Partei entspricht, die das Parteibuch durch die Chipcard ersetzt hat.

In besonderer Weise wurde aber noch am Abend des Wahltages ein Stück Anschauungsunterricht in Sachen "Koalitionskunde für Anfänger" geboten, nämlich in der TV-Dikussion der Generalsekretäre mit Andreas Rudas (SPÖ) und Othmar Karas (ÖVP); einmal mehr wurde deutlich: die SPÖ kaschiert ihre Inhaltsleere bedeutend eleganter als der Koalitionspartner.

Die ÖVP kommt sich dabei allerdings besonders klug vor: Sie will sich keinesfalls von der SPÖ den Schwarzen Peter zuspielen lassen, Haider zum Landeshauptmann gewählt zu haben; man kennt das ja - schamlos würden dann die Roten im Nationalratswahlkampf die schwarz-blaue Karte spielen. Nicht mit uns, sagen sich die gerissenen Schwarzen - wir wählen überhaupt niemanden ... Die einzige Möglichkeit, die SP-Strategie wirklich zu unterlaufen, wäre freilich gewesen, zu sagen: Bei diesem massiven Wählervotum halten wir es für ebenso unumgänglich wie redlich, Jörg Haider zum Landeshauptmann zu wählen. Hundert Punkte für Zernatto & Co. - aber leider ...

Wie immer die Sache in Kärnten ausgeht und wann immer im Bund gewählt wird: die Großkoalitionäre am Ballhausplatz haben es im Wahlkampf, erstens, mit einer ordentlich wiedererstarkten FPÖ und, zweitens, mit einer FPÖ ohne Jörg Haider zu tun. Gerade letzteres könnte noch gehörig Bewegung in die Bundespolitik bringen. Damit kein Mißverständnis entsteht: natürlich wird Haider auch als Landeshauptmann den Bundeswahlkampf seiner Partei dominieren, wer immer formal als Spitzenkandidat antritt. Aber diese formale bundespolitische Absenz Haiders könnte reichen, um jenen Kräften in SPÖ und ÖVP Auftrieb zu geben, die schon bisher mit der "Ausgrenzungsstrategie" gegenüber der FPÖ nicht glücklich waren: Ja, bitte, jetzt, wo Haider weg ist, sieht die Lage natürlich ganz anders aus ... Daß auch hier (siehe oben) sich die SPÖ als die taktisch klügere und wendigere erweisen wird, derweil Andreas Khol noch an seinem Verfassungsbogen schnitzt, ist freilich einstweilen nicht mehr als eine Vermutung.

Ziemlich gewiß ist hingegen, daß es für Heide Schmidt langsam eng wird. Die Grünen haben zwar auch nicht gerade reüssiert, doch sind sie nun schon einmal fester in der Basis und in den Ländern verankert. Für die Liberalen aber geht es, allen Dementis aus den eigenen Reihen zum Trotz, ums politische Überleben. Schmidt & Co. könnte es passieren, daß sie als Fußnote der österreichischen Innenpolitik-Geschichte enden. Dort stünde dann vielleicht zu lesen: Liberales Forum: Partei, der die weitere Entwicklung im Prinzip recht gegeben hat; aber so genau, so theoretisch verdichtet (Reißbrett-Liberalismus) wollten es die Wähler gar nicht wissen ...

Doch das wäre schon wieder eine neue Geschichte.

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