"Ich hätte nie weg sein dürfen"

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Jörg Haider, Kärntens Landeshauptmann und BZÖ- Gründer, spricht über seinen größten politischen Fehler, denkt über die Zukunft des drei Jahre alten "Bündnis Zukunft Österreich" nach und plädiert für eine Bündelung der Kräfte des "Dritten Lagers".

Die Furche: Herr Landeshauptmann, drei Jahre BZÖ - hat es sich wirklich ausgezahlt?

Jörg Haider: Absolut. Es ist eine neue, interessante politische Kraft entstanden, die große Chancen hat - vor allem, wenn diese Bundesregierung weiterhin auf Demokratieverweigerung und Verlust der Souveränitätsrechte Österreichs setzt.

Die Furche: Die Wahlergebnisse deuten aber doch darauf hin, dass man nicht wirklich vom Fleck gekommen ist. Sind Sie nicht weit hinter Ihren eigenen Erwartungen geblieben?

Haider: Wir stellen einen Landeshauptmann, und die jüngsten Umfragewerte des BZÖ in Kärnten sind exzellent. Bei den Gemeinderatswahlen in Graz sind wir aus dem Stand heraus in den Gemeinderat eingezogen. Überall dort, wo wir organisatorisch dazu in der Lage sind uns gut auf eine Wahl vorzubereiten, ist auch ein Wahlerfolg drinnen.

Die Furche: Aber abgesehen von Kärnten liegt das BZÖ doch unter der Wahrnehmungsschwelle, und ohne Kärnten gäbe es Ihre Partei auf Bundesebene gar nicht.

Haider: Diese stereotype Behauptung muss man endlich einmal einäschern. Ich kenne keine einzige Umfrage der letzten Zeit, bei der das BZÖ nicht klar über vier Prozent - in der Regel zwischen vier und fünf Prozent - liegt. Wären jetzt Nationalratswahlen, kämen wir auf alle Fälle wieder ins Parlament.

Die Furche: Sie lägen jedenfalls deutlich hinter der FPÖ: Tut das nicht weh, dass die "Mutterpartei" deutlich stärker ist?

Haider: Meinem Verständnis nach ist es nicht so wichtig, wer stärker ist. Vielmehr käme es darauf an, dass diese Parteien, die einen Großteil des sogenannten Dritten Lagers repräsentieren, zu einem Schulterschluss fänden, um politisch wirksam werden zu können und auch Koalitionsbildungen jenseits der Großen Koalition zu ermöglichen. Das freiheitliche Wählerpotential wird von der FPÖ allein nicht ausgeschöpft, weil diese sich auf die Ausländerpolitik hin verengt hat, während wir auch Fragen der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten der Globalisierung, soziale Gerechtigkeit oder Familienpolitik thematisieren.

Die Furche: Das könnte doch auch FP-Chef Heinz-Christian Strache sagen. Wo ist denn der Unterschied?

Haider: Er könnte - wenn er auch mit seinen Handlungen dahinter stünde. Das ist der Unterschied. Ich sage noch einmal: Die FPÖ gestattet sich den Luxus, sich auf das Ausländerthema einzuengen, wir haben hingegen auch sehr stark andere Fragen aufgegriffen. Modellhaft realisieren wir unsere Vorstellungen ja in Kärnten - dort gibt es einen orangen "Inselbetrieb", der - etwa in der Familienpolitik - andere Wege geht.

Die Furche: Dass es von Ihrer Seite her Avancen in Richtung FPÖ gibt, ist ja bekannt. Aber Strache hat Ihnen bisher nur die kalte Schulter gezeigt. Glauben Sie wirklich, dass sich das noch einmal ändern wird?

Haider: Das will und kann ich nicht beurteilen. Ich mache aber aus meinem Herzen keine Mördergrube und sage, was ich für sinnvoll halte. Es muss doch auch der FPÖ-Vorsitzende einmal zur Kenntnis nehmen, wer die wirklichen Gegner sind: nämlich Rot und Schwarz; und dass er nicht Feindschaften leben kann, nur weil er persönlich beleidigt ist und Angst hat, dass er dann vielleicht nicht mehr eine so wichtige Rolle spielen könnte. Da kann man ihn beruhigen.

Die Furche: Wenn Sie die Dinge so sehen - wozu war dann eigentlich die Spaltung gut?

Haider: Wie auch immer die Wiederannäherung ausschauen wird, die Trennung hat einen tiefgreifenden Nachdenkprozess darüber in Gang gesetzt, wo unsere Aufgaben liegen. Wir sind an einem Teil der FPÖ gescheitert, der sich um den jetzigen Vorsitzenden gesammelt hat, der einfach nicht bereit war und ist, Verantwortung zu übernehmen. Warum kämpfe ich darum, dass ich Landeshauptmann in Kärnten bleibe? Weil ich für meine Wähler wichtige Dinge umsetzen kann, die sonst niemand machen würde. Wir sind eine Reform- und keine Obstruktionsbewegung.

Die Furche: Was will das BZÖ eigentlich sein: eine rechtsliberale Partei wie etwa die FDP in Deutschland?

Haider: Nein, das BZÖ ist eine Partei auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft.

Die Furche: Das ist doch auch die ÖVP …

Haider: Nein, die ÖVP ist eine Partei, die der Globalisierung und dem Turbokapitalismus Tür und Tor öffnet, und dazu passt auch ihre Begeisterung für den EU-Reformvertrag.

Die Furche: Trotzdem hätten Sie mit dieser so globalisierungs- und EU-freundlichen ÖVP wohl gerne weiterregiert …

Haider: Ja, weil wir der ÖVP während unserer Regierungszeit viel abgerungen haben, was in Richtung soziale Marktwirtschaft geht. Denken Sie nur an das Kindergeld oder die Abfertigung für alle.

Die Furche: War aber nicht die Regierungsbeteiligung der Anfang vom Ende der Erfolgsgeschichte der FPÖ? Es gab ja nach den Wahlen 1999 auch Stimmen in der Partei, die gesagt haben, warten wir noch ab und werden wir beim nächsten Mal dann stimmenstärkste Partei.

Haider: Die Entscheidung, in die Regierung zu gehen, war sicher richtig. Die Alternative wäre für uns desaströs gewesen. Denn wenn keine andere Partei bereit gewesen wäre, mit einer so starken Partei zu koalieren, dann hätte uns eine neuerliche Wahl in Argumentationsnotstand gebracht. Die Wähler hätten gesagt: Warum sollen wir euch wählen, wenn eh niemand mit euch koalieren will. Der Fehler, der dann gemacht wurde, war hauptsächlich meiner.

Die Furche: Wie das?

Haider: Dass ich die Parteiführung abgegeben habe, weil ich glaubte, dass das von Kärnten aus nicht möglich sein würde: Das hat sich im nachhinein als Fehler herausgestellt.

Die Furche: Das "Ich bin schon weg …" war also falsch?

Haider: Das war ein Fehler. Ich war da zu großzügig. Ich wollte das Projekt Regierungsbeteiligung ermöglichen - dass wir in einer angemessenen Stärke vertreten sind und auch unsere Handschrift sichtbar wird. Aber zeigt mir den, der in 30 Jahren Politik nie einer Fehleinschätzung unterliegt.

Die Furche: Zurück zu einer aktuellen Einschätzung: Im Gegensatz zu dem, was Sie gehofft haben, hat Bundespräsident Heinz Fischer doch früher den EU-Reformvertrag unterzeichnet (siehe links). Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Haider: Die Konsequenzen werden durch den Wähler gezogen. Der nächste Wahltag wird zum Zahltag für die Ausschalter der Demokratie in SPÖ und ÖVP.

Die Furche: Werden Sie sich nun mit dem Reformvertrag abfinden?

Haider: Ich werde mich niemals mit etwas abfinden, das schlecht für unsere Heimat Österreich ist.

Die Furche: Aber was wollen Sie tun, wenn auch die Iren im Juni zustimmen?

Haider: Europa befindet sich mit diesem Reformvertrag auf einem Irrweg. Das müssen wir denen in Brüssel klar machen. Denn mit diesem Reformvertrag wird aus einem europäischen Staatenbund ein Bundesstaat nach US-amerikanischem Vorbild, den wirklich niemand will.

Das Gespräch führten Regine Bogensberger und Rudolf Mitlöhner.

Blut-oranger Stich ins Herz

"Zutiefst enttäuscht" von Bundespräsident Heinz Fischer zeigte sich Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider, nachdem am Montag wie erwartet auch Fischer den EU-Reformvertrag nach Nationalrat und Bundesrat unterzeichnet hatte. Damit ist der Ratifizierungsprozess des umstrittenen Vertrages abgeschlossen. Haider hatte noch vergangene Woche beim Staatsoberhaupt darum geworben, den Vertrag zumindest solange nicht zu unterschreiben, bis Irland bzw. die Kärntner in einer eigenen Volksbefragung auf Länderebene abstimmen. Nach dem Gespräch mit Fischer hatte Haider davon gesprochen, dass er Fischer lange kenne und ihn einzuschätzen vermöge: "Ich weiß, dass er verunsichert ist, weil er genau merkt, dass, wenn er seine Unterschrift darunter setzt, er dies gegen die Mehrheit der Österreicher tut", sagte Haider im Furche-Interview. Wenn er es doch täte, "wäre das ein Stich in mein österreichisches Herz", und er werde sich etwas überlegen, damit er nicht verblute. Nun ist der Stich passiert. Der Landeschef und BZÖ-Gründer reagierte in gewohnter Manier: Ausgerechnet der oberste Hüter der Verfassung habe damit der Freiheit, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Österreichs den Todesstoß versetzt und an der "rot-schwarzen Ausschaltung der Demokratie" mitgewirkt. Die Bemühungen der "aufrechten Demokraten", eine Volksabstimmung zu erreichen und den Präsidenten "vor einem Verfassungsbruch zu bewahren", hätten nichts gefruchtet, polterte der Landeschef in einer Aussendung in Richtung Wien. Zugleich sagte Haider die angekündigte Volksbefragung in Kärnten ab, die bereits in Vorbereitung gewesen war. Die letzte Hoffnung ruht laut Haider nun auf den Iren. Diese stimmen im Juni über den Vertrag ab. bog

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