Wir haben den Kragen voll

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Die Kärntner Parteien wechseln ihre Obmänner derzeit beinahe so oft wie Kurt Scheuch seine Halstücher. Warum sich noch viel mehr ändern muss, skizziert ein wütender Polit-Aktionist.

Auf Scheuch folgt Scheuch - wer schon vor der Machtübergabe an der Kärntner Regierungsspitze unzufrieden mit den Verhältnissen im Land war, tobt jetzt erst recht. Einer der aktivsten Kritiker ist der Klagenfurter Unternehmer und Autor Franz Miklautz. Im FURCHE-Gespräch geht er mit seinen Landsleuten hart ins Gericht.

Die Furche: Mitte Juli haben Sie einen Flashmob organisiert und Uwe Scheuch zum Rücktritt aufgefordert. Zwei Wochen später ist er tatsächlich zurückgetreten. Welche Rolle schreiben Sie sich dabei zu?

Franz Miklautz: Das sollten wir nicht überbewerten. Es ging uns darum, medialen Druck aufzubauen. Das ist gelungen, aber wir sind in der Gemengelage nur eine Nadel. Vielleicht eine Stricknadel.

Die Furche: An Uwe Scheuchs Stelle tritt jetzt sein Bruder Kurt. Das ist wohl nicht der Ausgang, den Sie erhofft haben.

Miklautz: Es ist trotzdem eine politische Zäsur, und ich blicke voll Liebe in die Zukunft des Landes. Wir haben in Kärnten keine System-, sondern eine Menschenkrise. Jetzt müssen wir es schaffen, aus dem Redekreis der Scheuchs und Dörflers auszutreten. Wir müssen unsere eigenen Redekreise bilden und diskutieren, wie das passieren konnte, wie wir das Geschehene verarbeiten können und wie wir garantieren, dass so etwas nie wieder passieren kann.

Die Furche: Das klingt therapeutisch.

Miklautz: Das ist es auch. Wir Kärntner müssen jetzt füreinander Traumatherapeuten sein. Ich meine den Redekreis ganz praktisch: Wir müssen uns im Wirtshaus, bei Demos oder bei politischen Aktionen austauschen und endlich aus dem Kreis der Leute ausbrechen, die ewig nur das Gleiche wiederkäuen. Das, was uns in den letzten zehn Jahren die politische Seele zertrümmert hat.

Die Furche: Die Korruption?

Miklautz: Weit mehr als das. In Wahrheit ist ja jeder selbst mitkorrupt geworden. Jeder hat gerne Gratiskarten fürs Stadion oder die Seebühne genommen. Jugendliche sind mit Uwe Scheuch bei einer Gratisbootsfahrt über den Wörthersee getuckert. Das zu realisieren, ist ein schmerzhafter Prozess, aber ohne die Einsicht werden wir nicht vorankommen. Das Problem liegt weit tiefer als die Korruption: Die Menschen haben sich zu Automaten machen lassen, wo die Politiker einen Euro reinwerfen und dafür eine Stimme rausbekommen. Das ist Ablasshandel in umgekehrter Reihenfolge: Die Herren haben sich reingewaschen von ihren Sünden und sich einen Freibrief für neue geholt, indem sie den Kärntnern die Hunderter in die Hand gedrückt haben. Wenn sie dieses System nicht ändert, wird es mit der SPÖ genau so weitergehen.

Die Furche: Sind die Kärntner besonders anfällig für diese Gnadenpolitik?

Miklautz: Ich bin mir sicher, dass die Kärntner keine größeren Opportunisten sind als die Niederösterreicher, Oberösterreicher oder Steirer. Aber das autoritäre Gefolgswesen ist bei uns gefährlich weit ausgebreitet. Hier hätte ein weiteres Führersystem die größten Chancen. Das mag an der viel zitierten Grenzlage liegen oder an der relativen Armut gegenüber anderen Bundesländern. Und daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Großmänner wie Hans Sima oder Leopold Wagner die Allmacht der SPÖ zementiert haben, unter deren Mist erst Jörg Haider herauskreichen konnte.

Die Furche: Sie waren einer der ersten, der den "zivilen Ungehorsam“ probte. Vor einem Jahr initiierten Sie eine Internet-Abstimmung über den Rücktritt Uwe Scheuchs, der damals in erster Instanz frisch verurteilt war. Im November gründeten Sie die "Kärntner Mutbürger“. Wie wird Ihr Einsatz in Kärnten aufgenommen?

Miklautz: Bezeichnend finde ich die immer gleiche erste Reaktion auf die meisten Aktionen, die ich durchgeführt habe. Da hieß es immer: Hast du keine Angst, dass dir Aufträge entzogen werden? Menschen, die mir nahestehen, finden’s toll. Aber wenn Sie heute mit einem T-Shirt durch die Klagenfurter Innenstadt gehen, auf dem steht "Hau endlich ab“, ernten Sie entsetzte Blicke. Die Kärntner vertauschen gerne, wo oben und wo unten ist. Ihnen müsste jemand erklären, dass Politiker unsere Angestellten sind und nicht umgekehrt. Ich spüre da einen echten Minderwertigkeitskomplex bei den Kärntnern.

Die Furche: Vor drei Wochen sind Sie aus dem Vorstand der "Kärntner Mutbürger“ ausgetreten. Hat Sie der Mut verlassen?

Milautz: Überhaupt nicht, Mut und der unbedingte Wille zur Veränderung waren der Grund für meinen Austritt. Denn wenn man versucht, Aktionen zu koordinieren, und dann nur erklärt bekommt, warum etwas sicher nicht funktioniert, sind das für mich keine Mutbürger. Nach der Gründung im Herbst haben wir einen Protestmarsch organisiert, aber danach haben wir ein halbes Jahr nur geredet. Ich habe auch von außen signalisiert bekommen: Ihr habt uns Hoffnung gegeben, aber jetzt seid ihr eingeschlafen.

Die Furche: Gehört konsensieren nicht zur Demokratie dazu?

Miklautz: Doch, aber mir persönlich ist das zu langsam gegangen. Jetzt organisiere ich als Privatperson Aktionen, und es machen zum Teil die gleichen Leute mit, wie bei den Wutbürgern. Plötzlich funktioniert’s.

Die Furche: Es gibt Videos von Ihnen, die an Wahlreden erinnern. Haben Sie Ambitionen, eine Partei zu gründen?

Miklautz: Überhaupt nicht. Ich möchte versuchen, das System von außen auf den richtigen Weg zu bringen

Die Furche: Sie fordern eine Änderung des Wahlrechts in Kärnten. Zur Hälfte der Amtszeit der Landesregierung soll es Midterm-Wahlen geben, Volksabstimmungen sollen auch auf Betreiben der Bürger abgehalten werden können, und private Parteispenden sollen verboten werden. Wenn diese Punkte nicht angedacht werden, kündigen Sie an, bei einer Neuwahl nicht wählen zu gehen. Ist das die politische Teilhabe, die Sie von Ihren Landsleuten fordern?

Miklautz: Wenn keine Partei versucht, diese Punkte umzusetzen, dann wird gegen die Wahlen gewählt. Dann treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus, nichts wird sich ändern, und in zehn Jahren haben wir das gleiche in Rot. Niemand kann mit Allmacht umgehen.

Die Furche: Laut aktuellen Umfragen würden heute rund 25 Prozent der Kärntner die FPK wählen. Das sind zwar um 20 Prozent weniger als 2009, aber immerhin ein Viertel aller Wähler. Wie erklären Sie sich das?

Miklautz: Das ist die Unfassbarkeit in diesem Bundesland. Es gibt ein paar Unbelehrbare, aber diese Leute wird die Zeit richten. Sie sind ein Schandmahl für das Bundesland. Aber immerhin: Mit 25 Prozent ist man nicht mehr in der politischen Geißelhaft.

Die Furche: Sie appellieren an die Eigenverantwortung der Kärntner. Wie kann man die hervorkitzeln?

Miklautz: Das ist jetzt eine paradoxe Antwort, weil ich strikt gegen ein Führersystem bin. Aber vielleicht bräuchte Kärnten eine charismatische Person, die die Menschen am Freiheitsschopf packt, ihnen das lemminghafte Verhalten vor Augen hält und sie ihnen damit öffnet.

Die Furche: Sind Sie das?

Miklautz: Mit Sicherheit nicht.

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