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Mit einer Reform des Wahlrechts und neuen Möglichkeiten direkter Demokratie sollen Bürger stärker auf die Politik Einfluss nehmen können. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf im Interview.

Die Gespräche der Parlamentsfraktionen über eine Reform des Wahlrechts (siehe auch unten) sind ins Stocken geraten. Unter den Abgeordneten ist sogar die Sanierung des Parlaments äußerst umstritten. Das sei "einfach peinlich“, sagt ÖVP-Klubobmann Kopf im FURCHE-Interview.

Die Furche: Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, die Anzahl der Abgeordneten von 183 auf 165 zu vermindern. Ist das nicht eine Bevormundung des Parlaments durch jenes Organ, welches das Parlament eigentlich kontrollieren sollte?

Karlheinz Kopf: Nein, sicher nicht. Die Bundesregierung hat dies im Zusammenhang mit ihrem Sparpaket vorgeschlagen. Aber sie hat uns dazu keine Regierungsvorlage ins Haus geschickt. Das habe ich abgelehnt. SPÖ-Klubobmann Josef Cap und ich haben in einem Antrag einige Bedingungen hineingeschrieben: zentral dabei, bessere Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten, Verbesserungen im Legislativdienst. Das Ganze war zugleich der Anstoß zu einer breiten Demokratiedebatte. Eine simple Reduktion des Nationalrates ohne breite Diskussion über die gesamte Konstruktion unserer demokratischen Einrichtungen wird es sicher nicht geben.

Die Furche: Die Gesellschaft wird vielfältiger, heterogener. Ein kleiner Nationalrat, dem heute schon Freiberufler fehlen, kann diese Komplexität nicht mehr abbilden.

Kopf: Ja, wir wollen ein Miliz- und kein Berufsparlament. Aber selbst wenn man den umgekehrten Weg wählt und den Nationalrat auf 220 Mitglieder vergrößert, haben Sie die Garantie dafür auch nicht. Dass Freiberufler sich schwer tun, in das Parlament zu gehen, hat mit der geringen Reputation politischer Arbeit zu tun und andererseits mit den vielen leeren Kilometern, die dabei zurückzulegen sind. Daher habe ich schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Effizienz der parlamentarischen Abläufe zu steigern. Anzahl und Größe der Ausschüsse ließe sich vermindern, fixe Plenartage würden die Planbarkeit erhöhen und die Häufigkeit von Sondersitzungen verringern. Dann könnte neben dem politischen Mandat eher noch ein Beruf ausgeübt werden.

Die Furche: Das Parlament ist von einem Rede- zu einem Arbeitsparlament geworden.

Kopf: Darum muss man die Bedingungen genau daran anpassen: Wie kann ich in einer repräsentativen Demokratie, die ich noch immer für das beste Modell halte, die Repräsentativität sicherstellen? Das geht über bessere Abläufe und weniger Leerläufe in der Politik und über mehr Möglichkeiten für die Bevölkerung, auf die Politik direkt mehr Einfluss nehmen zu können. Dafür gibt es zwei Ansätze, einen bei der Wahl der Abgeordneten und den anderen bei den Möglichkeiten der direkten Demokratie.

Die Furche: Ersteres bedeutet Elemente der Persönlichkeitswahl?

Kopf: Als Folge der Wahlrechtsreform 1992 kam es bei den Nationalratswahlen 1994, 1995 und 1999 zu jeweils rund 100 Wahlkreismandaten. Weil aber das Parteienspektrum breiter und manche Parteien kleiner wurden, hat sich die Anzahl direkter Mandate aus den Wahlkreisen auf 72 vermindert. Es gibt jetzt Wahlkreise, die überhaupt keinen direkt gewählten Mandatar mehr kennen. Für uns hat der Grazer Professor Klaus Poier ein Modell erarbeitet, wonach jeder Wahlkreis einen direkt gewählten Abgeordneten erhielte und die Wähler ein starkes Instrument in der Hand hätten, Direktmandate zu vergeben. Die anderen Möglichkeiten beträfen direkte Demokratie: Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, Gesetze zu initiieren. Erfüllt das Parlament die Initiative nicht, dann wäre darüber eine Volksabstimmung abzuhalten.

Die Furche: Einige befürchten, es käme zu einer von Kampagnen der Kronen-Zeitung angetriebenen Demokratie, andere die Aushebelung des Parlaments, Initiativen zur Einführung der Todesstrafe. Ist so etwas wahrscheinlich?

Kopf: Selbstverständlich muss man an eine so grundlegende Änderung im demokratischen System mit Bedacht herangehen. Ich habe Verständnis für die mahnenden Worte des Bundespräsidenten. Wenn ein Zehntel der Wahlberechtigten eine Gesetzesinitiative unterschreibt, dann sollte sich das Parlament damit befassen müssen. Es kann die Initiative ändern, aber wenn sie verworfen wird, dann sollte es darüber eine Volksabstimmung geben, deren Ergebnis nur gültig ist, wenn sich ein entsprechender Anteil der Wähler daran beteiligt. Thematisch muss man einiges ausschließen, etwa Werte und Positionen, die von der Menschenrechtskonventionen erfasst sind, ebenso das Primär- und Sekundärrecht der EU. Den Umgang mit Instrumenten der direkten Demokratie muss man dann natürlich lernen.

Die Furche: Werden derartige Vorhaben wie Direktmandate und Volksabstimmungen ausreichen, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik wieder herzustellen?

Kopf: Die Fragmentierung der Gesellschaft, das Auseinanderdriften von Interessenlagen und die Zunahme von Partikularinteressen machen es für die Parteien schwieriger, dies alles unter einen Hut zu bringen. Viele Bürger fragen sich, wo in der Politik ihre direkten Interessen vertreten werden. Andererseits wollen sie den Streit nicht, verlangen nach Lösungen. Doch es ist schwieriger geworden, Kompromisse in der Öffentlichkeit zu argumentieren und zu vertreten.

Die Furche: Vielleicht auch deswegen, weil Populisten und Boulevard den - in der Demokratie notwendigen - Kompromiss als Verrat an Grundsätzen diskreditieren?

Kopf: Es ist problematisch, wenn die Auseinandersetzung, die zum Kompromiss führt, als ungebührlicher Streit denunziert wird. Die Existenz unterschiedlicher Positionen, auch in der Gesellschaft, ist nicht zu leugnen. Darauf gründen sich unterschiedliche Parteien.

Die Furche: Sollten die Parlamentarier nicht stolz vor der Öffentlichkeit erklären: Wir brauchen Arbeitsmöglichkeiten, das kostet Geld, wir nutzen es in Ihrem Sinne.

Kopf: Also, ich halte es beispielsweise für höchst bedenklich, dass wir in den letzten vier Jahren auf die Inflationsanpassung der Bezüge für Mandatare verzichtet haben. Das war ein Kniefall vor den Populisten und dem Boulevard. Und ich halte es für höchst problematisch, wie wir uns nicht getrauen, die Parlamentarier ordentlich mit Ressourcen auszustatten. Es ist weiters höchst problematisch, wie wir mit dem Thema Umbau des Parlaments umgehen.

Die Furche: Darauf habe ich angespielt.

Kopf: Es ist einfach peinlich. Und es ist verwerflich, wie etwa BZÖ und FPÖ damit umgehen. Dieses Thema gehört nicht in den Parteienstreit. Es ist schade, dass - vorsichtig ausgedrückt - nicht mehr an Gewicht seitens der Parlamentspräsidentin in diese Sache gelegt wird. Jetzt wird in Sanierungen investiert, und ein Ergebnis gibt es erst in einigen Jahren.

Die Furche: Vielleicht will man sich Debatten bei Nationalrats- und Präsidentschaftswahlen ersparen?

Kopf: Das haben Sie gesagt. Ich hoffe nicht, dass es so ist.

Die Furche: Fürchtet sich die Politik vor großen Projekten und den Problemen?

Kopf: Es gibt Mittel und Wege dieses Risiko zu minimieren, etwa durch eine Bauvergabe.

Die Furche: Die Furcht vor Boulevard und Populisten lähmt die Politik.

Kopf: Ich jedenfalls lebe - politisch - noch immer, auch ohne Interviews mit dem Boulevard.

Die Furche: Manche Auseinandersetzungen verlaufen sehr persönlich, mit viel Emotion. Stört das?

Kopf: Es fehlen gegenseitige Wertschätzung und Respekt.

Die Furche: Wie steht es um das Koalitionsklima?

Kopf: Ich bin kein Klimaforscher.

Die Furche: Haben Sie Messergebnisse?

Kopf: Seit einiger Zeit besteht ein normaler Zustand. Wir bringen genug weiter, sodass die notwendigen Dinge getan werden.

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