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Sind Sie ein „Superminister“, Dr. Klaus?

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DIE FURCHE: Sie haben. Herr Minister, am 18. Dezember des abgelaufenen Jahres die Kürzung eines Teiles des provisorischen Budgets 1963, der sogenannten Ermessenskredite, verfügt. Darüber ist eine scharfe Pressepolemik entstanden. Der sozialistische Klubobmann U hl i r behauptete, Sie hätten zu dieser Maßnahme kein Recht gehabt. Man hat Ihnen weiter vorgeworfen, daß Sie mit dieser Maßnahme das Parlament mißachtet und sich ah „Superminister“ gebärdet hätten. Könnten Sie dazu persönlich Stellung nehmen?

DR. KLAUS: Sie haben die Frage nicht ganz zutreffend gestellt. Ich habe mit dem Erlaß vom 18. Dezember 1962 keine „Kürzungen“ ausgesprochen, sondern nur „Bindungen“, das ist ein erheblicher Unterschied, und zwar habe ich Bindungen der För-derungs- und Anlagekredite um 50 Prozent, des Verwaltungsaufwandes um 10 Prozent und im außerordentlichen Budget um 20 Prozent verfügt. Denn ob etwas gekürzt, also weggenommen, oder aus dringender Notwendigkeit vorläufig gebunden, also vorläufig nicht gegeben wird, das ist doch nicht dasselbe?! Ausgenommen von den Bindungen sind zum Beispiel die Ausgaben, die aus zweckgebundenen Einnahmen resultieren. Sie sehen also schon daraus, daß, wenn man mir in der öffentlichen Diskussion vorwirft, ich hätte Kürzungen angeordnet, diese Behauptung ein völlig falsches Licht auf die Maßnahmen wirft, zu deren Setzung ich als Finanzminister nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet bin.

DIE FURCHE: Könnten Sie, Herr Minister, in diesem Zusammenhang zur besseren Orientierung unserer Leser auf die Gesetzeslage eingehen?

DR. KLAUS: Gerne. In Durchführung des Bundesfinanzgesetzes 1962. dessen Art. 2 auch für das Budgetprovisorium gilt, bin ich verpflichtet, soweit ein Abgang nicht anders •gedeckt werden kann, diesen -durch Ausgabeneinsparungen zu decken',' das heißt, Kredite zu binden: Ich“ habe keine Kürzungen ausgesprochen, obwohl auch das in der Durchführung des Finanzgesetzes möglich wäre, sondern nur Bindungen, und zwar ohne Präjudiz für das Haushaltsjahr 1963. Das muß besonders festgehalten werden. Der Erlaß hat auch die Ressorts keinesfalls überraschend getroffen, denn es war üblich, daß in den ersten Monaten eines Jahres Kredite — da man ja über die weitere Entwicklung noch nicht Bescheid weiß, und in den ersten Monaten erfahrungsgemäß die Abgabeneingänge geringer sind — zu einem erheblichen Teil gebunden werden. Überdies wird selbstverständlich auf Grund der Vorschriften der Verfassung der Bundeshaushalt 1963 nicht nur für die restlichen acht Monate des Jahres, sondern für das ganze Jahr 1963 gelten.

Ich möchte daher wiederholen, daß die von mir derzeit angeordneten Bindungen keinesfalls eine außergewöhnliche, noch nie dagewesene Maßnahme darstellen. Sie dürfen ja nicht vergessen, daß die dritte Etappe der Rentenreform bedeutende Mittel erfordert, daß die neuen Schulgesetze erhebliche Mehraufwendungen bedingen und dergleichen mehr — und wir zur Zeit nur ein Budgetprovisorium haben. Die einzige Möglichkeit, diese Periode im Sinne des Gesetzes durchzustehen, sind für mich daher vorläufige Bindungen. Nun, soviel zu dem Vorwurf, ich hätte kein Recht zu diesen Maßnahmen gehabt.

DIE FURCHE: Man hat aber auch noch andere Vorwürfe gehört.

DR. KLAUS: Wenn man mir Vorwürfe macht, ich hätte die Bundesregierung und das Parlament mißachtet, so kann ich dazu nur sagen, daß bisher meine sämtlichen Versuche, die Bundesregierung mit dem Budget 1963 zu befassen, wegen des Widerstandes der Sozialisten, ich möchte fast sagen, für mich demütigend ausgegangen sind. Wenn Sie sich erinnern, so habe ich im Sommer dem Ministerrat eine Vorschau über das Budget 1963 zu geben versucht, die von den Sozialisten als „politisches Machwerk“ bezeichnet wurde. Es war mir bisher nicht möglich, im Ministerrat über dieses Budget 1963 sachlich und vernünftig zu diskutieren. Hiezu war seitens der Sozialisten nicht die geringste Bereitschaft vorhanden. Ich habe das Parlament keineswegs mißachtet, denn ich habe nur als Vollzugsorgan, den mir vom Parlament gegebenen Gesetzesbefehl durchgeführt; niemand wäre über eine echte Aufwertung des Parlaments glücklicher als ich. Mir nun Parlamentsfeindlichkeit in die Schuhe schieben zu wollen, das geht entschieden zu weit.

DIE FURCHE: Ihre Verfügung hat die Investitionstätigkeit auch in einigen ÖVP-Ministerien (Landwirtschaft. Unterricht) empfindlich gestört. Sind diese Maßnahmen wirklich unumgänglich notwendig gewesen?

DR. KLAUS: Ich kann zu dieser Frage nur meine Feststellung wiederholen, die ich Ihnen vorhin gegeben habe. Ich habe nicht gekürzt, sondern nur Ausgaben gebunden, und zwar ohne Präjudiz für den Staatshaushalt 1963. Ich habe, weil dies einfach nicht anders durchzuführen ist, selbstverständlich gleichmäßig gebunden. Es sind von diesen Bindungen sowohl die ÖVP- als auch die SPÖ-Ministerien gleichmäßig betroffen worden. Wenn diese Maßnahmen nicht unumgänglich notwendig gewesen wären, so hätte ich sie, das können Sie mir glauben, nicht durchgeführt. Welche unerhörte Bedeutung die Ausgaben für Wissenschaft, Forschung, Ausbildung und Kultur für uns alle haben, ist gerade mir als ehemaligem Salzburger Landeshauptmann wohl bewußt. Ich bin mir auch völlig darüber im klaren, daß wir auf diesem Gebiet viel mehr tun müssen und auch etwas tun werden. Von einer empfindlichen Störung der Investitionstätigkeit, wie Sie es formuliert haben, kann keine Rede sein, weil ja, und das möchte ich nochmals wiederholen, den Ressorts die Mittel nicht entzogen sind.

DIE FURCHE: Wurde am letzten Wochenende während der Klausurtagung der ÖVP im Wiener Vogelsangheim darüber verhandelt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

DR. KLAUS: Wir haben bei den Besprechungen im Vogelsangheim selbstverständlich auch über die Budgetfragen gesprochen, und ich glaube sagen zu können, daß meine Ministerkollegen der ÖVP, so sehr ihnen verständlicherweise ihre Ressorts am Herzen liegen, für meine Haltung Verständnis haben. Und überdies stellt sich ja die Situation, wie ich Ihnen ausgeführt habe, etwas anders- dar,- -als die Sozialisten es der Öffentlichkeit glatt' ben machen wollen.

DIE FURCHE: Wie sind die Aussichten, Herr Minister, für ein Budgetgleichgewicht im Hinblick auf die in letzter Zeit bekanntgewordenen Beamten- und Bauernforderungen?

DR. KLAUS: Ich bin unter bestimmten Voraussetzungen, die in der wirtschaftlichen Entwicklung liegen, fest entschlossen, meine Politik des wirtschaftlichen Budgetgleichgewichts auch in Zukunft fortzusetzen. Da die Budgetverhandlungen überhaupt noch nicht begonnen haben, bin ich nicht in der Lage, Ihnen etwas Näheres zu sagen.

DIE FURCHE: Welcher Art sind die Zusicherungen, welche die Sozialisten bei den Verhandlungen über die Regierungsbildung abgeben müssen, damit ein tragbares Budget 1963 zustande kommt?

DR. KLAUS: Mit dieser Frage rühren Sie an die Grundfeste der Wirtschaftspolitik dieser Legislaturperiode. Die Zukunft wird für uns nicht leicht sein, und nur Leistung auf allen Gebieten des politischen und wirtschaftlichen Lebens wird uns die kommende „Durststrecke“ überwinden helfen. Daher ist die wichtigste und erste Zusicherung, die man von den Sozialisten verlangen muß: Mitarbeit bei einer sachgerechten und vernünftigen Wirtschaftspolitik. Dazu gehört auch die bedeutende Frage der zukünftigen Budgetpolitik. Es ist nun schon zwei Jahre hindurch gelungen, die Staatsschuld nicht zu vergrößern, es ist weiter gelungen, die Defizite im Staatshaushalt klein zu halten und den Staatshaushalt wirtschaftlich auszugleichen. Unter der Voraussetzung, daß die gute Konjunktur anhält, müssen wir diese Politik weiter fortsetzen. Das ist es, was meines Erachtens von den Sozialisten grundsätzlich verlangt werden muß. Stabiler Geldwert, Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung werden wir in Zukunft nur halten können, wenn wir unseren wirtschaftspolitischen Stil verbessern. „Fortwursteln“ wird immer gefährlicher. Es geht nicht um eine Partei und ihre Interessen, sondern um Österreich.

DIE FURCHE: Die Österreichische Volkspartei strebt bekanntlich eine Lockerung der Koalition mit freier Mehrheitsbildung im Parlament an. Sollte dieses Ziel erreicht werden, wird das nicht künftige Budgetverhandlungen erschweren, indem zum Beispiel einzelne Gruppen in der ÖVP für ihre Sonderbestimmungen außerhalb der eigenen Partei Unterstützung suchen können?

DR. KLAUS: Die ÖVP hat den Sozialisten einen Teilentwurf über ein neues Arbeitsübereinkommen überreicht, in dem meines Wissens Vorschlage für eine Lockerung der Koalition gemacht worden sind. Es würde allerdings zu weit führen, jetzt im Detail auf diese Fragen einzugehen, über die ja von den Verhandlungskomiteel der beiden großen Parteien noch verhandelt wird. Dazu bin ich auch nicht legitimiert. Ich will mich dabei nicht eines „Eingriffes in ein schwebendes Verfahren“ schuldig machen und kann daher zu dieser Frage keine weiteren Feststellungen treffen. Vielleicht doch noch eines: Lockerung der Koalition, Aufwertung des Parlaments, sind mehr als Schlagworte, sie bedeuten die Sicherung und Verlebendigung der Demokratie in unserem Lande.

DIE FURCHE: Wir danken Ihnen, Herr Minister.

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