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Schärfere Gangart nicht als Selbstzweck

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Alois Mock, der nach Hermann Withalm und Stephan Koren die Funktion eines Klubobmannes der in Opposition befindlichen ÖVP ausübt, bestätigt in einem Furche-Gespräch mit Alfred Grinschgl, daß sich seine Fraktion einer „schärferen Vorgangsweise“ verschrieben hat: Aber nicht als Selbstzweck. In der Frage der Politikereinkommen ist er mit Max Weber für „Korrektheit, Strenge und Augenmaß“.

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Alois Mock, der nach Hermann Withalm und Stephan Koren die Funktion eines Klubobmannes der in Opposition befindlichen ÖVP ausübt, bestätigt in einem Furche-Gespräch mit Alfred Grinschgl, daß sich seine Fraktion einer „schärferen Vorgangsweise“ verschrieben hat: Aber nicht als Selbstzweck. In der Frage der Politikereinkommen ist er mit Max Weber für „Korrektheit, Strenge und Augenmaß“.

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FURCHE: Herr Klubobmann, die Stellung und der Sold des Politikers stehen zur Diskussion. Sollen Ihrer Meinung nach Politiker Bezieher von Spitzeneinkommen sein?

MOCK: Ich gehe davon aus, daß für einen Politiker ein durchaus gehobenes Gehalt vertreten werden kann. Ich sage aber ausdrücklich, daß der Politiker nicht die höchste oder zweithöchste Einkommensstufe in unserer Gesellschaft erreichen muß, denn wenn jemand primär wegen seines Einkommens eine berufliche Tätigkeit ausübt, dann sollte er nicht in die Politik gehen.

Was jemand privat verdient, das interessiert mich als Politiker nicht, dafür soll sich allenfalls das Finanzamt interessieren. Im Gegenteü, ich bin interessiert, daß eine wachsende Anzahl von Menschen ein immer höheres privates Einkommen beziehen kann, denn dadurch bekommt auch der Staat die Steuern, die er braucht, um die steigenden öffentlichen Aufgaben finanzieren zu können.

Weiters: Dort, wo die Gefahr einer Vermengung zwischen öffentlichen und privaten Einkommen besteht, ist peinlichste Kontrolle geboten. Hier ist W htspheinUch die Frage der Verein-i, barkeiten neuerdings zu überprüfen. Es ist auch zu überlegen, beim Antritt bestimmter zentraler Funktionen die Vermögenssituation offenzulegen, wie das auch in einer Reihe anderer Länder geschieht. Schließlich bin ich dafür, einen wesentlichen Unterschied zu machen zwischen der Funktion eines

Regierungsmitgliedes und eines Abgeordneten - was insbesondere für das Unvereinbarkeitsgesetz gilt.

FURCHE: In der Praxis ist es oft so, daß es sich zwar relativ leicht feststellen läßt, ob sich ein Politiker an rechtliche Normen hält. Ob er sich aber auch an moralische und ethische Maßstäbe hält, die an den Politiker angelegt werden, ist wohl kauni festzustellen.

MOCK: Hier gibt’s überhaupt keine perfekte Lösung. Das politische Ethos kann ich kaum kurzfristig per Gesetz erzwirtgen. Wenn das Ethos in einem gewissen Ausmaß nicht vorhanden ist, funktioniert auch die Demokratie nicht. Bei der Beurteilung all dieser Fragen gehe ich von der Philosophie aus, die Max Weber vertritt. Max Weber sagt, die Glaubwürdigkeit politischer Verantwortung verlange besondere Korrektheit, Strenge und Augenmaß bei der Fixierung des persönlichen Einkommens, der Vermögenskontrolle und der gleichzeitigen Besetzung mehrerer Ämter. Ich glaube, man muß in diesem Sinne auch warnen, durch ein Gesetz perfekte Lösungen erzielen zu können. Es ist das auch eine langfristige Erziehungsaufgabe in der Demokratie.

FURCHE: Als Sie noch nicht Klubobmann der Volkspartei im Parlament waren, hat man wiederholt den Ein druck gehabt, die Haltung Ihrer Parlamentsfraktion sei Ihnen zuwenig hart, viel zu kompromißbereit. Steuert die ÖVP-Fraktion unter Klubobmann Alois Mock einen unbeugsameren, härteren Kurs als unter Stephan Koren?

MOCK: Es geht einfach darum, ob man die Aufgabe, die eine Opposition nun einmal in der Demokratie hat, versucht zu erfüllen. Hier habe ich mich bemüht, eine Linie fortzuführen, die lange vor mir schon eingeschlagen wurde. Diese Linie war: Konsequent die Kontrollmöglichkeiten der Opposition auszunützen und weiterzuentwickeln. Der, der später kommt, hat es natürlich leichter, gegenüber dem, der sozusagen am Anfang der Oppositionsrolle stand.

FURCHE: Dem Beobachter der parlamentarischen Szene fällt aber doch auf, daß es im ersten Halbjahr 1978 öfter dringliche Anfragen, öfter Mißtrauensanträge und auch öfter härtere Bandagen bei den Debatten im Plenum gegeben hat. Worauf ist das zurückzuführen?

MOCK: Ja, die Fehler der sozialistischen Regierung werden natürlich auch immer zahlreicher, offensichtli cher und größer. Und daher ist klar, daß man dagegen auch entsprechend auftritt. Sie wissen, daß die Frage der Grundsatzdiskussion für uns ein großes Anliegen ist und daß sich bei bestimmten Anlässen Grundsatzfragen öfter schon gestellt haben. Ich denke hier an die Reformen, die sogenannten Reformen, des Minister Broda, ich denke an unsere Grundsatzentschließung zur Frage der Sozialen Marktwirtschaft. Jedenfalls war es für uns auch ein Anlaß, die grundsatzpolitische Diskussion zu intensivieren, daß die Sozialisten auf ihrem Parteitag Marx wieder aus den verschiedenen versteckten Fächern hervorgeholt haben.

Das Belastungspaket des Herbstes 1977 war ein weiterer Anlaß für parlamentarische Aktivitäten unserer Fraktion. Heute schon können wir sagen, daß das Budgetdefizit wieder einmal größer sein wird, als es der Finanzminister vorausgesagt hat. Heute steht fest, daß die angekündigte Sanierung Schiffbruch erlitten hat.

All das sind Anlässe, die Dinge im Parlament profiliert und klar zur Diskussion zu stellen, wodurch vielleicht der Eindruck einer schärferen Vorgangsweise entstanden ist, die aber nie Selbstzweck sein kann.

FURCHE: Herr Klubobmann, was erwarten Sie sich vom politischen Herbst? Wird sich das Näherrücken des nächsten Wahltermins in einer Verhärtung des parlamentarischen Klimas auswirken?

MOCK: Mein Wunsch wäre es, wenn man sich in diesem Herbst wirklich den Anliegen konzentriert widmet, die im Parlament zur Behandlung heranstehen. Das Hauptanliegen ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik. In all den Fragen rund um das nächste Budget geht es uns darum, der Bevölkerung zu zeigen, wie die Staatsfinanzen und die Staatsverschuldung von den Parlamentsparteien beurteilt werden.

Neben dem zentralen Thema Budget werden wir uns verstärkt mit der Verstaatlichten Industrie auseinandersetzen. Hier sind zuerst die Bilanzen in die roten Zahlen gerutscht, in einer zweiten Phase hat man zugeben müssen, daß die Reserven, die durch 20 oder 25 Jahre aufgebaut worden sind, Ende des Jahres völlig aufgebraucht sind. Es ist berechtigt, daß man große Sorge um diesen wichtigen Teil der Gesamtwirtschaft hat. Auch die Außenpolitik und die Frage einiger Wahlrechtsnovellen werden einen beachtlichen Platz einnehmen.

FURCHE: Der ÖAAB hat sich in den letzten Jahren mehrfach und massiv für eine Linderung des steuerlichen Progressionsdrucks eingesetzt. Nun hat der Bundeskanzler die Idee einer steuerlichen Gutschrift vöfgetragen: •Reicht das aus, um den ÖAAB zu befrieden?

MOCK: Ich habe das schon sehr klar gesagt, daß das auf ein Zwangssparen hinauskommt. Die Notwendigkeit) einer Lohn- und Einkommenssteueranpassung wird heute nicht mehr bestritten, ist Allgemeingut geworden. Auch der Gewerkschaftsbund konnte sich diesem Problem nicht mehr entziehen, wobei man den Eindruck hatte, daß die Verhandlungen teilweise auch den Zweck hatten, das Datum der Steueranpassung hinauszuschieben. Es wird daher notwendig sein, daß wir im Herbst dieses Problem ganz zentral im Parlament immer wieder zur Sprache bringen: Nicht nur aus sozialpolitischen Gründen, sondern weil die Steuerpolitik langfristig auch zu einer Gefährdung der Vollbeschäftigung führt.

FURCHE: Wenn es gilt, Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen, beruft sich die Gewerkschaft oft darauf, in den Betrieben sei Unruhe festzustellen. Gibt es im Zusammenhang mit der geforderten Steueranpassung Unruhe in den Betrieben?

MOCK: Na zweifellos. Das war sicherlich ein Faktor, daß die sozialistische Mehrheitsfraktion in der Gewerkschaft sich dem Wunsch nach einer Lohn- und Einkommenssteueranpassung anschließen mußte. Daß die Stimmung in den Betrieben sehr sehr kritisch geworden ist, kann ich selbst immer wieder bei den Besuchen in den Betrieben feststellen. Mich reden immer wieder sozialistische Betriebsräte an, um uns zu ermuntern, auf diesem Weg auch weiterzugehen. Ich glaube aber, daß man sich unabhängig von der Steueranpassung generell mit einer großen Reform des gesamten Steuersystems befassen wird müssen.

FURCHE: Angenommen, am 5. November gibt es eine Mehrheit gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf; wird die Volkspartei dann die Ausschreibung von Neuwahlen verlangen?

MOCK: Es wäre voreilig, eine solche Konsequenz von vornherein in Aussicht zu stellen.

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