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Es ist kein Kreuzzug im Gange

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FURCHE-Gespräch mit dem Bundesobmann des ÖAAB, Alois Mock, über aktuelle Fragen zum Verhältnis von Kirche und Parteien in Österreich

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FURCHE-Gespräch mit dem Bundesobmann des ÖAAB, Alois Mock, über aktuelle Fragen zum Verhältnis von Kirche und Parteien in Österreich

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FURCHE: Das Wort vom „politischen Katholizismus“ geistert in der österreichischen Öffentlichkeit herum. Man spricht da und dort sogar von einem „Kreuzzug der Kirche“ gegen die heutige Regierungspartei. Halten Sie das für wünschbar?

MOCK: Ich glaube, daß überhaupt kein Kreuzzug im Gange ist. Ich würde das auch nicht für wünschbar halten. Die Kirche als eine gesellschaftliche Institution besonderer Art mit einer spezifischen moralischen Autorität macht von ihrem Recht Gebrauch, von' dem jeder einzelne Staatsbürger und jede politische Gruppe, jede andere Institution Gebrauch machen kann. Das ist ein Recht, das der Kirche niemand nehmen kann; auch nicht die SPÖ, die manchmal glaubt bestimmen zu können, wer was zu welcher Frage sagen dürfe. Mit einem Kreuzzug hat das gar nichts zu tun, sondern das ist, wenn Sie so wollen, auch ein Teil der Demokratie.

FURCHE: 1976 will Minister Broda das Familienrecht weiter reformieren, ebenso strebt er eine Pornographie-Reform an. Und auch in der Schulreform steckt viel weltanschaulicher Sprengstoff. Bringt das eine ideologische Aufrüstung, insbesondere auch in der ÖVP?

MOCK: Ich glaube, daß Politik grundsätzliche gesellschaftspolitische Wertvorstellungen verlangt. Ich persönlich bin auch sehr froh, daß das gerade vom neuen ÖVP-Parteiobmann Josef Taus immer wieder betont wird. Ohne grundsätzliche Wertvorstellungen wird die Politik zur reinen Technokratie und zum reinen Pragmatismus; alles würde relativiert. Ich bin aber überzeugt, daß so einem Konzept langfristig der politische Erfolg versagt bleiben würde. Und was die Themen Familie, Schule, Pornographie anlangt, so glaube ich, daß wir uns vor allem immer wieder fragen müssen, wie wir die einzelnen Probleme, die die heutige Zeit an uns heranträgt, unter der Forderung nach einer Wahrung der Würde der menschlichen Persönlichkeit lösen können. Die Subjekthaftigkeit der menschlichen Persönlichkeit, die Achtung vor der Würde der menschlichen Persönlichkeit, die ja über die reine materielle Existenz hinaus für ein anderes Leben bestimmt ist, sind urchristliches Gedankengut.

FURCHE: Gibt es genaue Vorstellungen in der ÖVP insbesondere in bezug auf die Pornographie-Reform, dem nächsten angekündigten Vorhaben des Justizministers?

MOCK: Es gibt eine interne Diskussion über diesen Problembereich. Ein Gedankenaustausch im Spitzengremium der Partei fand bereits statt. Es wird meiner Auffassung nach darum gehen, das Ausmaß der Selbstdisziplin,vor allem der Eigenverantwortung gegenüber der Würde des Mitmenschen neu zu definieren. Meiner Auffassung nach wäre es jedenfalls unmöglich, Moral und Ethik aus unserem gesellschaftlichen Wertbezug auszuscheiden, sondern sie müssen auch in einer gesetzlichen Neuregelung ihren Platz haben.

FURCHE: SPÖ-Klubob'mann Fischer hat dem Volksbegehren zum Schutz des Lebens eine faire Behandlung,, eine faire parlamentarische Behandlung zugesichert; aber auch klargestellt, daß die SPÖ von der Fristenlösung nicht abgehen will. Wie geht es Ihrer Meinung nach mit dem Volksbegehren weiter?

MOCK: Es ist so, daß die Volks-partei bei der Behandlung in dem zuständigen parlamentarischen Ausschuß ihren seinerzeitigen Vorschlag für eine erweiterte Indikationenlösung neuerdings einbringen und vertreten wird.

FURCHE: Dieser Vorschlag stimmt nicht mit dem Volksbegehren überein____

MOCK: Ja, gewisse Abweichungen — aber nicht im Kern — sind vorhanden. Es ist die Möglichkeit der Abtreibung gegeben, nicht nur im Falle der schweren Bedrängnis, sondern der Bedrängnis auch der Frau im allgemeinen. Wenn dieser Vorschlag, den wir seinerzeit schon eingebracht haben und mit dem wir immer auch mit der „Aktion Leben“ im Gesprächskontakt standen, abgelehnt wird, werden wir natürlich auch das Volksbegehren unterstützen, wobei wir die gleiche Haltung einnehmen, die wir seinerzeit vor zwei Jahren eingenommen haben, nämlich, daß es sich hier um eine Gewissensfrage handelt, in der der einzelne Abgeordnete durch einen Beschluß der Partei nicht zu einem bestimmten Stimmverhalten verpflichtet werden kann. Ich persönlich finde es ja äußerst bedauerlich, daß eine so große Partei wie die Sozialistische Partei jeden Abgeordneten durch eine rücksichtslose Parteidisziplin In einer Gewissensfrage vergewaltigt — was sicherlich den einen oder anderen persönlich in Schwierigkeiten gebracht hat.

FURCHE: Bleibt die Zusage der ÖVP aufrecht, das Strafrecht dann zu ändern, wenn sie die politische Möglichkeit dazu hat?

MOCK: Wir haben immer wieder gesagt, daß wir unsere Vorstellungen zur Diskussion stellen, aber daß in so einer grundsätzlichen Reform eine einheitliche Auffassung der großen politischen Gruppen erzielt werden soll. Das war ja immer die These der österreichischen Volkspartei, daß es einige Bereiche gibt — das gilt von der Außenpolitik über Landesverteidigungspolitik bis zu grundsätzlichen gesellschafts-reformatorischen Maßnahmen —, wo der Konsens der großen Gruppen gesucht werden soll und wo mit 51 Prozent nicht über 49 Prozent rücksichtslos bestimmt werden soll. Wir bleiben daher bei unserer bisherigen Linie.

FURCHE: Halten Sie eine institutionalisierte Gesprächsebene zwischen Kirche und ÖVP für sinnvoll?

MOCK: Ich glaube, man sollte das nicht komplizieren und for-malisieren. Ich halte es für richtig, daß sich die katholische Kirche ebenso wie die anderen Religionsgemeinschaften um einen ständigen Gesprächskontakt mit allen politischen Gruppen bemüht. Und ich halte es für notwendig und bei uns auch von der Problematik her verpflichtend, daß wir uns unsererseits um diesen Gesprächskontakt bemühen, ohne zu glauben, daß man den anderen auf irgendeine politische Linie verpflichten kann. Und gleichzeitig muß man auch bereit sein, allenfalls die Kritik des anderen zu ertragen. Das gilt für die Volkspartei genauso wie für andere Parteien.

Mit Bundesobmann Alois Mock sprach Hans Magenschab.

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