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Erst wenn die Gefahr akut ist...

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Wird mit den Grundsätzen in der Politik für den Politiker alles leichter? Gerade das Gegenteil ist der Fall: Gerade die Mitarbeit grundsatztreuer Menschen in der Politik kann oft recht unangenehm werden; für diejenigen, deren eigene Grundsätze nur Lippenbekenntnis sind, wird sie gefährlich. Wir schätzen die Arbeit der katholischen Verbände im politischen Leben nicht deshalb, weil wir glauben, dadurch unsere Reservetruppen durch billige „HiWis“ zu verstärken, sondern weil wir glauben, daß es nur mit deren starker Unterstützung gelingen kann, in den Grundsatzfragen auch in schweren und schwierigen Situationen wirklich durchzuhalten.

Wünsche an die Tagespolitik können nicht durch Aufrufe und Ermahnungen von auch noch so bedeutsamen moralischen Autoritäten durchgesetzt werdenj Sie müssen vielmehr« im“ politischen Tageskampf politischsäacb' de» Regeln der Demokratie erkämpft werden. Man muß sich im klaren sein, daß Forderungen und Wünsche nur erfüllt werden können, wenn Forderungen und Wünsche anderer abgewiesen oder zurückgestellt werden. Niemand kann allen alles geben. Mit dem Fordern und Wünschen ist es nicht getan. Was not tut für alle, ist ein Einordnen und, wenn es sein muß, auch ein Rück-reihen oder sogar Ausscheiden von Wünschen und Forderungen. Dies setzt klare Stellungnahme und Entscheidungskraft voraus.

Man sollte nicht so tun, als ob die Frage nach dem Interesse der jungen Menschen in unseren Verbänden für die Politik eine neue Frage wäre, die erst heute auftaucht. Diese Fragestellung kehrt praktisch mit jeder Generation wieder. Ich glaube nicht, daß der Katholik erst dann im Staate aufzutreten braucht, wenn seine Religion in akuter Gefahr ist oder seine Kirche angegriffen wird. Er hat vielmehr auch dann in die politische Arena zu treten, wenn der Staat sich anschickt, das Volk in den Abgrund zu führen oder wenn eine Politik eingeschlagen wird, welche Freiheit oder Würde des Menschen oder die sittlichen Werte mißachtet. Alle jene, die vor uns in den katholischen Verbänden gearbeitet und gekämpft haben, haben sich nicht gescheut, ihre Überzeugung in der täglichen öffentlichen Entscheidung durchzusetzen. Für sie war es gar nicht schwer, jenen Punkt zu erkennen, ar dem die moralische Verpflichtung zui aktiven Mitarbeit im öffentlichen Leben zwingend wurde. Ich muß allerdings zugeben, daß damals die Front-Stellungen zwar viel brutaler, aber aucl klarer waren. Ohne Zweifel sind di< Frontlinien im modernen Wohlfahrts Staat schwieriger zu erkennen. Es gehi heute nicht mehr um offene Straßen-schlachten, die Auseinandersetzunj findet auf anderen Ebenen und in anderem Stil als vor dem letzten Welt krieg statt.

Das Fernbleiben katholischer Ver bände von der politischen Betätigun wird gern mit den Statuten begründet die besagen, daß diesen Verbände

„politische Bestrebungen fernlägen“ Meines Wissens ist dieser Paragrapf. in der Vergangenheit aber nie so ausgelegt worden, als ob der einzeln&#171; daraus das Recht ableiten könnte, siel von der politischen Entscheidung unc der politischen Verantwortung zi drücken. Frühere Generationen habet daraus nicht den Schluß gezogen, daf mit dieser Bestimmung eine General-dispens sowohl für die politische In formation und Aufklärung als auef für die politische Mitarbeit verbunder sei. Selbst das Minimum der unbedingt notwendigen Arbeit fürs Vaterlanc kann durch weltanschauliche und kulturelle Ausbildung und Tätigkeit alle&#187; nicht erfüllt werden.

Gewiß begrüßen wir es alle, daß siel die Kirche selbst aus der Tagespolitil zurückgezogen hat. Sie ist dadurch fü ihre seelsorgerischen Aufgaben frei ge worden und kann sich heute unbela stet von politischen Problemen an alli wenden, gleichgültig, welcher Parte sie angehören. Es ist uns gewiß aü'cl verständlich und wir begrüßen es, dal sich die Katholische Aktion als „ver längerter Arm der Hierarchie“ aus den politischen Tagesgespräch heraushält Dem einzelnen katholischen Laien je doch bleibt es unbenommen, in politisehen Dingen, gegründet auf seine katholische Weltanschauung, das Wort zu führen. Um dies aber zu verwirklichen, wird es notwendig sein, daß die einzelnen Korporationen in ihr Formungsprogramm auch politische Themen aufnehmen.

Jede verantwortungsbewußte Verbandsführung sollte darauf achten, daß ihre Mitglieder nicht bloße Hörer des Wortes bleiben, sondern das Gelernte verarbeiten und das Gehörte verwirklichen. Wir müssen dem jungen Menschen eine hilfreiche Hand bieten, damit ihm der Schritt ins politische Leben und in die politische Arbeit gelingt.

Ich glaube nicht an das Schlagwort von der Entideologisierung des politischen Lebens. Auch hinter den unwichtigen und kleinen politischen Alltagsfragen stehen Grundsätze und Ideen. Mit Grundsatzlosigkeit und Prinzipienlosigkeit kann man im politischen Leben niemanden auf die Dauei für sich gewinnen. Daher gehören Ideale und Grundsätze als Vorbildet in das politische Leben, damit alle die das öffentliche Leben nicht nut von materiellen Erwägungen diktiert sehen möchten, sich darnach richtet und sie verwirklichen können.

Es wird in Österreich oft von einei Politik der Mitte als politische Maxime gesprochen. Es gibt aber wedei eine Politik der Mitte noch eine Politik der Neutralität, wenn sie nicht von Menschen mit fester Überzeugung un<i starker Weltanschauung vertreten wird. Eine Politik, welche die tägliche Entscheidung nicht am Maßstab der eigenen Weltanschauung prüft, wird nut Augenblickserfolge erzielen und aul die Dauer den Ruf der Charakterlosigkeit einbringen.

Wir haben in den nächsten Jahrer Entscheidungen von großer Wichtigkeit zu treffen. Wie soll die Konkordatsmaterie weiter gelöst werden, wie das Eherecht, wie ein modernes Familienrecht, ein modernes Strafrecht gestaltet werden? Alles Fragen, welch&#171; die Grundsätze unserer Weltanschauung zutiefst betreffen und keinen Katholiken gleichgültig lassen können, unc da9 sind nur ganz wenige Beispiel&#171; von entscheidenden Fragen.

Glaubt man denn wirklich, daß man die Anliegen der katholischen Kirche und der Katholiken zu diesen Problemen mit Appellen an die Gesetzgeber und die Regierung ins Lot bringen kann? Ich glaube es. jedenfalls nicht. Die Forderungen der Kirche und der Katholiken in allen diesen Fragen müssen politisch durchgesetzt werden. Nur von katholischen Politikern aber kann man erwarten, daß sie bei diesen Entscheidungen keine opportunistische Wählerfangpolitik betreiben und die religiösen Anliegen nicht als bloßes politisches Wechselgeld betrachten. Wir werden es ja sicher erleben, ob es überall in Österreich weiterhin politische Mode bleibt, um den Katholiken, wenn es leicht geht, zu werben oder ob diese neuen Tendenzen wieder verschwinden, wenn es sich weiterhin herausstellt, daß solches Werben nicht mit dem Stimmzettel honoriert wird. Dann wird es sich entscheiden, was Abgeordnete und Regierungsmitglieder in Gewissensfragen machen werden, die in ihren Personal-papieren in der Spalte „Religiöses Bekenntnis“ nur eine Null aufzuweiser haben.

Es unterliegt auch keinem Zweifel daß eine kirchenfreundliche Politil so lange noch bequem zu befolgen ist, als es vorwiegend um die Erfüllung materieller Forderungen geht, um Entschädigungen etwa oder um Kostenbeiträge. Anders ist es aber, wenn e! um die Konsequenzen aus echten weltanschaulichen Entscheidungen geht wie sie uns in der Zukunft bevorstehen. Wenn man uns bei der Durchsetzung weltanschaulicher Forderungen manchmal entgegenhält, wir würden wieder eine Art Kulturkampf vom Zaune brechen, dann sei nur so viel gesagt, daß wir auch in Zukunft nicht die Absicht haben, bei der Durchsetzung unserer Überzeugung zimperlich zu sein. Schließlich sind es die Kräfte des Marxismus und des Laizismus auch nicht, wenn es sich um anti-oder areligiöse Fragen handelt.

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