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Kirche, Katholiken und Politik

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Die Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ bringt eine Reihe von Feststellungen über das menschliche Schaffen in der Welt sowie über das Leben der politischen Gemeinschaften. So heißt es darin:

Angesichts dieses gewaltigen Bemühens, das bereits das ganze Menschengeschlecht erfaßt, werden den Menschen viele Fragen gestellt: Was ist der Sinn und der Wert dieses Schaffens? Wie sind all diese Dinge zu gebrauchen? Wohin drängt dieses Bemühen der Einzelmenschen und der Gesellschaften?

Die Kirche behütet das bei ihr hinterlegte Wort Gottes, aus dem die Grundsätze zur Lösung der religiösen und sittlichen Fragen geschöpft werden. Sie hat zwar nicht immer zu allen einzelnen der gestellten Fragen eine fertige Antwort, aber es ist ihr Wunsch, das Licht der Offenbarung mit der Sachkenntnis aller Menschen in Verbindung zu bringen. Damit der Weg, den die Menschheit neuerdings einschlug, erhellt werde. (Kapitel III, „Das menschliche Schaffen in der Welt“, Abschnitt 33.)

Die irdischen Pflichten

Wohl wissen wir, daß wir hier keine bleibende Stätte haben, sondern auf der Suche nach der künftigen sind; fern der Wahrheilt aber sind die, welche glauben sollten, darob ihre irdischen Pflichten vernachlässigen zu dürfen. Sie würden dabei ja übersehen, daß sie, jeder nach Maßgabe der ihm zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben um so mehr zu deren Erfüllung gehalten sind. Im selben Grade aber irren alle, die im Gegenteil glauben, sich so dem irdischen Tun und Treiben ausliefern zu können, als hätte dieses gar nichts mit dem religiösen Leben zu tun, das sich ja nach ihrer Meinung in bloßen Kultakten und in der Erfüllung von gewissen sittlichen Pflichten erschöpfe.

Hüten wir uns also davor, berufliche und soziale Tätigkeit hier, und religiöses Leben dort, verkehrterweise zueinander in Gegensatz zu bringen. Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem Nächsten, ja gegen Gott selbst und bringt sein ewiges Heil in Gefahr.

Die Laien sind eigentlich, wenn auch nicht ausschließlich, zuständig für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten. Wenn sie also, sei es als einzelne, sei es in Gruppen, als Bürger dieser Welt aktiv werden, so sollen sie nicht nur die jedem einzelnen Bereiche eigenen Gesetze beobachten, sondern sich um gutes fachliches Wissen und Können in den einzelnen Sachgebieten bemühen. Sie sollen bereitwilligst mit den Menschen, die das gleiche Anliegen haben wie sie, Zusammenarbeiten. Im Wissen um die Forderungen des Glaubens und mit seiner Kraft ausgerüstet sollen sie, wo es angeht, Neues planen und ausführen. Ihrem recht geschulten Gewissen obliegt die Aufgabe, das göttliche Gesetz dem irdisch-bürger- lichen Leben aufzuprägen.

Von den Priestern aber dürfen die Laien Licht und geistliche Kraft erwarten. Sie mögen aber nicht meinen, daß ihre Hirten immer in dem Grade fachkundig seien, daß diese in jeder zuweilen auch schweren Frage, die gerade auftaucht, eine konkrete Lösung in Bereitschaft haben könnten oder die Sendung dazu hätten. Sie selbst sollen vielmehr im Lichte christlicher Weisheit und stets orientiert an der kirchlichen Lehre (17) die ihnen eigenen Aufgaben angehen.

Die gegenseitige Liebe bewahren

Oftmals wird gerade die christliche Schau der Dinge sie zu einer bestimmten Lösung in besonderen Umständen drängen. Andere Gläubige aber werden vielleicht, wie es häufiger und auch legitim geschieht, ebenso ehrlich in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen. Wenn dann die beiderseitigen Lösungen, auch gegen den Willen der Parteien, von vielen gleichgesetzt werden mit der christlichen Botschaft, so sollen sie bedenken, daß in solchen Fällen niemand das Recht hat, die kirchliche Autorität ausschließlich für sich und seine eigene Meinung zu beanspruchen.

Immer aber sollen sie in aufrichtigem Dialog sich gegenseitig Klarheit zu verschaffen suchen, dabei ollen sie die gegenseitige Liebe bewahren und vor allem auf das gemeinsame Wohl bedacht sein.

Die Bischöfe aber, denen das Amt, die Kirche Gottes zu leiten, anvertraut ist, sollen mit ihren Priestern die Botschaft Christi so verkündigen, daß alle irdische Tätigkeit der Gläubigen mit dem Lichte des Evangeliums erfüllt wird. Zudem sollen alle Hirten dessen eingedenk sein, daß sie in ihrem tätlichen Wandel und ihrer Obsorge (18) der Welt das Antlitz der Kirche Vorleben, wonach die Menschen Kraft und Wahrheit der christlichen Botschaft einschätzen.

Obwohl die Kirche kraft des Heiligen Geistes die treue Braut des Herrn geblieben ist und niemals aufgehört hat, das Zeichen des Heils in der Welt zu sein, so weiß sie doch klar, daß unter ihren Gliedern (20), ob Klerikern oder Laien, im Laufe so vieler Jahrhunderte solche nicht gefehlt haben, die dem Geist Gottes untreu geworden sind. Auch in unserer Zeit macht die Kirche die Erfahrung, wie sehr die von ihr verkündete Botschaft und die menschliche Schwäche der Träger des Evangeliums auseinanderklaffen.

Was auch die Geschichte über alles Versagen urteilen mag, unsere Aufgabe ist es, uns der Fehler bewußt zu sein, sie kraftvoll zu bekämpfen, damit sie der Verbreitung des Evangeliums nicht zum Schaden werden.

Die Kirche weiß aber auch, wie sehr sie selbst im Ausbau ihrer Beziehungen zur Welt an der Erfahrung der Jahrhunderte immerfort reifen muß. Vom Heiligen Geist geführt, mahnt die Mutter Kirche unablässig ihre Kinder „zur Läuterung und Erneuerung, damit das Zeichen Christi auf dem Antlitz der Kirche klarer erstrahle“. (Kapitel II, Abschnitt 43.)

das Gemeinwohl einsetzt. Sie sollen durch ihre Taten zeigen, wie sich Autorität mit Freiheit, persönliche Initiative mit solidarischer Verbundenheit mit gemeinsamem Ganzen, rechte Einheit mit fruchtbarer Vielfalt verbinden lassen.

Berechtigte Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Ordnung irdischer Dinge sollen sie anerkennen und die anderen, die solche Meinungen in angemessener Form als einzelne oder kollektiv verteidigen, sollen sie achten. Die politischen Parteien müssen das, was ihres Erachtens nach vom Gemeinwohl gefordert wird, vertreten, und dürfen niemals ihre Sonderinteressen über dieses Gemeinwohl stellen.

Die heute dem Volk und besonders der Jugend so notwendige staatsbürgerliche und politische Erziehung ist eifrig zu pflegen, so daß alle Bürger am politischen Leben aktiv teilnehmen können.

Wer dazu geeignet ist oder sich dazu ausbilden kann, den schweren, aber zugleich ehrenvollen (8) Beruf des Politikers auszuüben, soll sich darauf vorbereiten und sich in der Ausübung dieses Berufes eifrig bemühen, unter Hintansetzung eigener Bequemlichkeit und wirtschaftlicher Vorteile. Sittlich intakt und klug zugleich, soll er angehen gegen alles Unrecht und jede Unterdrückung, gegen die Unduldsamkeit und Willkürherrschaft eines einzelnen oder einer politischen Partei. Redlich und gerecht, voll Liebe und politischem Mut, soll er sich dem Wohle aller widmen. (Kapitel IV, „Das Leben der politischen Gemeinschaften“, Abschnitt 75.)

Klare Unterscheidung

Sehr wichtig ist es, daß besonders innerhalb der pluralistischen Gesellschaft ein rechtes Verhältnis zwischen der politischen Gemeinschaft und der Kirche gewahrt werde, so daß zwischen dem, was die Christen als einzelne oder in Verbänden in eigenem Namen als Bürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Oberhirten tun, klar unterschieden wird.

Die Kirche, die in keiner Weise in ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der bürgerlichen Gesellschaft zu verwechseln noch auch irgendeinem politischen System verpflichtet ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person.

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