Papst - © Foto: APA / Vatican Handout

Zulehner als Franziskus: Querida Austria!

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„Schreiben von Papst Franziskus an die Ortskirche im geliebten Österreich“: eine pastoraltheologische Fiktion, gespeist aus realen Wünschen und Möglichkeiten. Von Paul Michael Zulehner.

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„Schreiben von Papst Franziskus an die Ortskirche im geliebten Österreich“: eine pastoraltheologische Fiktion, gespeist aus realen Wünschen und Möglichkeiten. Von Paul Michael Zulehner.

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Mit großer Freude habe ich erfahren, dass es in Eurem Land eine starke Bewegung für einen vermehrten Schutz der verwundeten Natur gibt. Viele gesellschaftliche Gruppen, aber auch kirchliche Organisationen setzen sich dafür ein. Dabei trachten sie danach, eine gute Balance zwischen Ökologie und Ökonomie zu halten. Die Heilung der Natur soll nicht neue soziale Wunden schlagen. Viele, wie die starke Laienorganisation der "Katholischen Aktion Österreichs", machen sich schon länger, und wie ich merke, politisch erfolgreich, für eine ökosoziale Steuerreform stark. Das ist eine unter vielen wirksamen Maßnahmen, die für die Bewahrung der Schöpfung erforderlich sind. Dankbar bin ich auch, dass gerade durch die Zusammenarbeit auch der christlichen Kirchen im Land der Blick nicht nur auf das eigene Land gerichtet bleibt, sondern sich der
Blick weitet, auf Europa, auf die ganze Welt.

Freude bereitet mir auch, dass viele in Eurem Land schutzsuchende Menschen wie Christus selbst aufgenommen haben. Sie engagieren sich dafür, dass sich das vom Christentum tief geprägte Europa in wachsender Solidarität dieser Wunde unserer Zeit wahrnimmt und nicht einzelne Länder wie Griechenland oder Spanien unsolidarisch im Regen stehen lässt. Was ich mir wünsche ist, dass sich das reiche Europa noch mehr als bisher auch finanziell für ein menschenwürdiges Leben der Flüchtlinge rund um Syrien einsetzt. Noch mehr, dass Europa sein politisches Gewicht in die internationale Waagschale wirft, dass der unselige Krieg von Syrern gegen das eigene Volk endlich ein friedliches und gerechtes Ende findet.

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Zu den bewundernswerten Errungenschaften Eures Landes gehört ebenso das intensive Bemühen der Politik, dass die Menschen im Alter professionell gepflegt und in Hospizen in Würde ihr Sterben vollbringen können. Auch die Pensionen für die älter werdende Bevölkerung sind gut abgesichert. Ihr habt es auch geschafft, dass es in Eurem – dank hoher unternehmerischer Kunst – reichen Land wenig Kinderarmut gibt und auch die sozial schwachen Schichten der Bevölkerung über herausragende Bildung sozial aufsteigen können.

Gemeinschaft ohne lähmende Angst

Lass mich, geliebtes Österreich, auch die größte der christlichen Kirchen Eures Landes loben und zugleich ermutigen. Auf einem gemeinsamen Weg, ich nenne ihn syn­odal, habt ihr die Lage Eurer Kirche evaluiert. Ihr seid fest entschlossen alles zu tun, dass der Gesang des Evangeliums im Land Beethovens, Schuberts, Mozarts und Haydns, aber auch Schönbergs und Pirchers nicht verstummt. Ihr seid davon überzeugt, dass das Evangelium für das Leben der Menschen und das Zusammenleben so vielfältiger Menschen im Land ein Segen ist. Ihr haltet gleichsam den Himmel offen, noch mehr, ihr sorgt dafür, dass der Himmel jetzt schon zu uns kommt. In Spuren wenigstens.

Ihr wollt zumal junge Menschen gewinnen, sich über die Vision jener Bewegung kundig zu machen, die Jesus in der Menschheitsgeschichte ausgelöst hat und welche die Geschichte Gottes mit seiner geliebten Welt in Richtung Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden im Heiligen Geist voranbringt. Ihr wünscht Euch sehr, dass sich auch jüngere Frauen und Männer dieser Jesusbewegung in Gemeinschaften des Evangeliums anschließen. Indem ihr euch sonntags zur Feier von Tod und Auferstehung versammelt, habt ihr ihnen dabei vorgelebt, dass, wie meine Vorgänger unentwegt gelehrt haben, jede kirchliche Gemeinschaft in der Eucharistie geboren wird und wo diese mit wandlungsbereiten Herzen gefeiert wird, nicht nur Gewalt in Liebe gewandelt wird. Auch ihr selbst werdet in eine Gemeinschaft von Menschen gewandelt, die ohne lähmende Angst, dafür voll Gottvertrauen ins alltägliche Leben zurückkehren und sich dort als solidarische Fußwascher erweisen. Abendmahl und Fußwaschung waren von Anfang an Markenzeichen der Kirche.

Ich erkenne die dringliche Notwendigkeit einer Inkulturation des Evangeliums nicht nur in Amazonien, sondern auch in vielen modernen Kulturen unserer einen Menschheit.

Mit Euren Hirten bin ich einverstanden, dass sie in den gemeinsamen Beratungen mit euch zusammen entschieden haben, um meine rechtlich verbindliche Zustimmung zu folgenden Maßnahmen in Eurer Ortskirche zu ersuchen, die ich hiermit dank meiner päpstlichen Vollmachten feierlich gebe. Mehr aber noch, als Eure Maßnahmen für kirchenrechtlich gültig zu erklären, bestätige ich, dass diese Beschlüsse treu in der Spur jenes Evangeliums liegen, das Euren Hirten bei der Weihe aufs Haupt gelegt wurde:

1. Es können künftig in Gemeinden, in denen die Hirten keine ehelosen und vollakademisch ausgebildeten Priester zuweisen können, erfahrene Männer und Frauen mit der Leitung von Gemeinden des Evangeliums betraut werden. Diese Personen werden in ihr neu geschaffenes Amt der Gemeindeleitung in einem liturgischen Akt bei der sonntäglichen Gemeindeliturgie zusammen mit einem Segensgebet und dem Segen eingesetzt. Sie erhalten dazu ein Dekret des Bischofs. Ich stütze mich dabei auf Can 517 §2, der bei Euch partikularrechtlich ausgestaltet wird.

2. Um in diesen lebendigen Gemeinden des Evangeliums die sonntägliche Feier der Eucharistie zu sichern, seid ihr in Euren Ortskirchen übereingekommen, dass diese Gemeinden aus ihrer Mitte heraus ein paar im Leben und Wirken der Gemeinde bewährte Männer wählen. Für sie wird eine angemessene pastorale Ausbildung eingerichtet. Schließlich ordiniert der Bischof diese gemeindeerfahrenen Personen für die jeweilige Gemeinde als Team von Pries­tern neuer Art. Sie dienen der Gemeinde ehrenamtlich und geben wie alle anderen Gemeindemitglieder im beruflichen und familiären Leben ein glaubwürdiges Zeugnis für das Evangelium. Für die Ordination dieser bewährten Personen erteile ich in meiner päpstlichen Vollmacht die Dispens vom geltenden Can 277, §1.

Danke für Eure Vorschläge!

Ich danke Eurer Ortskirche, die zusammen mit den Hirten mutige Vorschläge für eine besonnene Weiterentwicklung des kirchlichen Lebens in Eurem Land gemacht haben, deren oberstes Ziel nicht der Erhalt alter Kirchenstrukturen ist. Vielmehr soll das Lied Christi vom Sieg der Liebe, also Gottes, über den Tod nicht verstummen.

Eure Maßnahmen sind wichtige Schritte in einem längeren Prozesses, von dem auch die Weltkirche lernen kann. Auch ist es ein zielführender Ansatz, an der Heilung einer tiefen Wunde unserer katholischen Kirche zu arbeiten, nämlich dem Klerikalismus und damit verbunden einer von sehr vielen Frauen als Diskriminierung erlebten Position von Frauen im kirchlichen Leben und Tun. Dies schmerzt gerade moderne Frauen umso mehr, als sie in ihrer Kultur größtenteils erfolgreich gegen alle subtilen Formen der Diskriminierung gekämpft haben und immer noch kämpfen. Ich erkenne also die dringliche Notwendigkeit einer Inkulturation des Evangeliums nicht nur in Amazonien, sondern auch in vielen modernen Kulturen unserer einen Menschheit. Dieser Prozess, mit den Frauen zusammen den ihnen auf Grund der in Jesus Christus geschenkten fundamentalen Gleichheit an Würde und Berufung zustehenden Ort zu sichern, wird – so sage ich mit Schmerz und Realismus – nicht so schnell vorankommen, als vor allem zu Recht ungeduldige Frauen es sich wünschen.

Vor allem was den Zugang zu Ämtern mit Ordination betrifft, haben wir immer noch das „Nie-und-nimmer“ meines Vorgängers Johannes Pauls II. zu beachten. Aber mich ermutigt, wie Gott Petrus voranbrachte. Als es um die Frage ging, ob Christen zuerst zu beschnittenen Juden werden müssen, bevor sie die Taufe empfangen haben, hatte er sich auf die ewige Tradition in Israel berufen und ein „Nie-und-nimmer“ gesprochen (Apg 11,1–17). Gott aber hat ihn in Joppe in drei Träumen belehrt, dass er es anders haben wolle. Ob Gott unserer, nein seiner Kirche in einem Konzil ein neues Joppe schicken wird? Ich sehe, dass derzeit die Zeit für ein Drittes Vatikanisches Konzil noch nicht reif ist. Aber wer bin ich, Gott zu verbieten, uns Träume zu schicken? Oder wie der Erste Papst sagte: „Wer bin ich, dass ich Gott hindern könnte?“ (Apg 11,17)

Lateran, 30.2.2020

Der Autor ist Pastoraltheologe in Wien

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