6914794-1981_22_03.jpg
Digital In Arbeit

Fünffach ist der Preis der Hoffnung .. .

Werbung
Werbung
Werbung

Der Satz „Die Kirche ist Zeichen und Ort der Hoffnung“ ist eine Übersetzung der Aussage: Die Kirche ist ein Sakrament. Das I. Vatikanische Konzil hat in Anlehnung an Jesaia (11,12) gesagt, die Kirche ist ein Zeichen, das unter den Völkern aufgerichtet ist (DS 3014). Das II. Vatikanische Konzil hat die Kirche als ganze ein-Sakrament genannt (Kirche 1) - ein wirksames Zeichen für das, was Gott den Menschen zugedacht hat, und somit ein Zeichen der Hoffnung.

Doch wie sieht die Realität aus? Ist die Kirche tatsächlich ein Zeichen und Ort der Hoffnung? Hat sie nicht selbst viel von ihrer Hoffnung eingebüßt?

Wir stehen in Österreich hilflos vor der bitteren Tatsache, daß seit 1970 jährlich 20.000 Erwachsene aus der Kirche austreten. Sie verlassen die Kirche nicht aus Protest, sondern aus Resignation. Sie erwarten sich einfach nichts oder nichts mehr von der Kirche.

Die Zahl derer, die die Sonntagsmesse mitfeiern, ist in den letzten drei ßig Jahren von 40 % auf 28 % zurückgegangen. Die sonntägliche Auferstehungsfeier, das große Zeichen unserer Hoffnung, bedeutet drei Vierteln der Katholiken nichts mehr oder doch so wenig, daß sie sich nicht daran beteiligen und sich davon auch keinen Zuwachs an Hoffnung erwarten. Die Feier des Bußsakramentes hat in manchen Gegenden unseres Landes fast völlig aufgehört.

Die älteren Priester fragen leise und ein wenig verzagt: Wer kommt nach uns? Werden wir nicht von Jahr zu Jahr weniger? Wie viele sind noch im Priesterseminar, und wie viele werden im nächsten Jahr geweiht? Kann die Pfarre überhaupt noch besetzt werden, wenn ich einmal gehen muß? Es ist doch nicht denkbar, daß immer weniger junge Menschen sich entschließen können, Priester zu werden, wenn die Kirche ein überzeugender Ort der Hoffnung ist!

Die Resignation scheint aber auch die Laienmitarbeiter zu ergreifen. Manche sagen: Es geht nicht recht weiter! Im Gegenteil, wir können den Stand nicht halten! Die Jugend hält sich fern. Viele erklären, einfach keinen Sinn in ihrem Leben finden zu können und versuchen nur, sich zu betäuben.

Auf Weltebene dürfte das Christentum als gestaltende Kraft an dritter Stelle stehen. Die größte Virulenz dürfte derzeit der Islam besitzen. Auch der Buddhismus zieht viele Menschen an und gibt ihnen jene Tiefe, die sie suchen ...

Wie verkraften wir die Fakten, wie werden wir mit dieser Situation fertig, mit der Situation der Kirche in der Welt und der Kirche in unserem Land? Was gibt uns selbst die Hoffnung wieder?

Wir können uns natürlich zuerst auf den letzten Grund unserer Hoffnung besinnen: Gott, wie er sich zuletzt und letztverbindlich in Jesus Christus geof- fenbart hat. Die Wahrheit, die uns frei macht (vgl. Joh 8,32), ist nicht ein System von theologisch richtigen Aussagen, sondern die Treue Gottes, von der uns der Gottmensch Kunde gebracht hat.

Der christliche Glaube vermittelt uns ein Menschenbild, zu dem als Grundfarbe die Hoffnung gehört. Es ist befreiend und erlösend, zu wissen, daß Gott jeden Menschen liebt, gleich welcher Herkunft und Rasse. Gott liebt alle Männer und Frauen, die Kinder und die noch nicht Geborenen ebenso wie die Greise. Gott liebt über den Tod hinaus, und das läßt unsere Toten leben.

Gott liebt auch den Versager, den Sünder und Verbrecher. Gott will schenken: Liebe, Frieden, Freude, Freundschaft, Vergebung. Das ist der Grund unserer Hoffnung.

Gott hat uns ein Ziel gegeben, und das braucht die Hoffnung. Wir sollen diese Erde gestalten und dem Menschen zur Freude machen. Wir sollen Verhältnisse schaffen, in denen man leben kann. Wir sollen die Fähigkeiten, die in uns sind, entfalten. Wir sollen pflegen und forschen, musizieren und Häuser bauen, Apparate erfinden und die Liturgie erneuern.

Wir brauchen nicht ein Plansoll zu erfüllen, sondern wir dürfen spielender Mensch und spielende Kirche sein, wie es Hugo Rahner dargestellt hat („Der spielende Mensch“, 1952). Das Spiel läßt den Menschen tanzen und „hüpfen“, womit wahrscheinlich unser deutsches Wort „hoffen“ zusammenhängt.

Wir haben uns mit einem Thema auf den Weg zum Katholikentag 1983 gemacht, das viele Konsequenzen hat, und zwar sehr nüchterne. Bevor wir uns auf die Reise begeben, müssen wir den Preis aushandeln. Wir wollen ehrlich und offen sagen, was die Hoffnung „kostet“. Wir dürfen nicht eine windige Parole draus machen ...

Ich habe Angst vor jenen, die anderen mit leuchtendem Blick tief in die Augen schauen und ihnen sagen: „Ich möchte dir Hoffnung geben“. Ich bin mißtrauisch gegenüber einer Aufwallung des Gefühls, in der man sich über nüchterne Tatsachen hinwegsetzend in die Lüfte erhebt und andere meuchlings umarmt.

Paulus hat sich immer gegen unrealistische Schwärmer zur Wehr gesetzt, die sich auf unmittelbare Eingebungen des Geistes berufen haben, in Verzückung gerieten und die nüchterne und allgemein verständliche Sprache verloren (1 Kor 14,23-25).

Er kennt das Wirken des Geistes und schätzt die Gaben des Geistes. Nachdem er sie aufgezählt hat, nennt er als größte Gabe des Geistes die Liebe (IKor 13). Sie ist der Preis der Hoff nung. Aber auch sie nicht als ein Gefühl, sondern als eine Tat.

Ich möchte versuchen, den Preis der Hoffnung in fünf kleinere Münzen umzuwechseln und sozusagen eine detaillierte Preisliste der Hoffnung vorzulegen.

Wahrhaftigkeit: Hoffnung zu haben und Hoffnung zu geben ist nicht zu verantworten ohne Wahrhaftigkeit. Unwahrhaftigkeit erzeugt Enttäuschung, neue Angst und verstärkte Resignation.

Die Wahrhaftigkeit . verlangt von uns, daß wir die Situation der Kirche so sehen, wie sie ist. Es hilft uns nicht weiter, wenn wir die Statistiken beiseite schieben und die Soziologen und ihre Umfragen beschimpfen. Es ist unredlich, wenn wir etwa in der Priesterfrage nicht ehrlich sagen, wie es steht. Die harte Wahrheit ist leichter zu ertragen als der Versuch zur Täuschung und Beschönigung.

Aufgrund der vorliegenden Statistiken müßten wir vielleicht laut und deutlich sagen: In 25 Jahren wird wohl die Hälfte unserer Pfarren keine Pfarrer mehr haben. Richtet euch darauf ein! Wir werden den Kanon 682 des Allgemeinen Kirchenrechtes nicht mehr ausreichend erfüllen können: „Die Laien haben das Recht, vom Klerus gemäß den kirchlichen Vorschriften die geistlichen Güter und vor allem die notwendigen Heilsmittel zu empfangen . ..“

Es ist ein unredlicher Wechsel der Argumentationsebene, wenn man erklärt, es gäbe kein Recht auf Eucharistie, denn diese sei ein Geschenk des

Herrn. Auch das Leben ist ein Geschenk des Herrn, und doch haben selbst die Ungeborenen ein Recht darauf, wie wir andererseits immer wieder betonen.

Ich halte es auch für unwahrhaftig, wenn man erklärt, eine Änderung de$ Zölibatsgesetzes würde nicht mehr Priester bringen, und wenn man diesbezügliche Umfragen einfach in Zweifel zieht.

Die Wahrhaftigkeit zwingt uns auch, die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen der Lehre der Kirche und dem Glauben ihrer Mitglieder zur Kenntnis zu nehmen (vgl. F. Haarsma, Kirchliche Lehre - Skepsis der Gläubigen, Freiburg 1970).

Wir müssen das Auseinanderklaffen zwischen manchen Forderungen des kirchlichen Amtes auf moralischem Gebiet und der Zustimmung der Gläubigen zur/ Berechtigung dieser Forderungen zugeben, etwa in einigen Fragen der Sexualmoral.

Ebenso ist es eine Sache der Wahrhaftigkeit, daß wir zugeben: Auch wir haben nicht Antwort auf alle Fragen! Auch wir wissen nicht, wie man es in der Wirtschaft und Politik im einzelnen machen soll.

Auch wir stehen hilflos vor dem Terrorismus, vor der Korruption, vor der gigantischen Aufrüstung und der Erfindung immer besserer Methoden zur Vernichtung unserer schönen Welt. Wir haben im Evangelium nicht ein Rezeptbuch Für die große Weltküche in der Hand . . .

Die Wahrhaftigkeit erlaubt uns auch den Humor. „Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe“, hat Harvey Cox als Untertitel für sein Buch „Das Fest der Narren “ gewählt. Der Humor nimmt die Unzulänglichkeit dieser Welt liebend und lächelnd zur Kenntnis. Mit Verbissenheit kann man keine Hoffnung vermitteln. Ich wünsche mir eine Kirche, in der als Zeichen der Hoffnung wieder mehr und ehrlicher gelacht wird.

*2. Verläßlichkeit und Treue: Gott ist der Grund unserer Hoffnung durch seine Treue. Wir können einander nicht Hoffnung geben ohne Treue. Die zahlreichen Kirchenaustritte der Gläubigen, die Amtsniederlegungen von Priestern, belasten unsere Hoffnung schwer.

Wir müssen uns aufeinander verlassen können und dürfen den anderen nicht gleich im Stich lassen, wenn er einmal etwas gesagt oder getan hat, dem wir nicht zustimmen. Wir dürfen und sollen einander korrigieren, aber wir dürfen einander nicht fallen lassen.

Es ist schon fast zur Mode geworden, in diesem Zusammenhang auf die wiederverheiratet Geschiedenen hinzuweisen. Wir können noch die Ehen ohne Trauschein ergänzen. Wir können auch an alle jene denken, die einmal mit uns aufgebrochen sind und jetzt nicht mehr mit uns gehen. Wir können der vielen gedenken, mit denen wir Gottesdienste gefeiert und in kirchlichen Organisationen zusammengearbeitet haben, die wir aber nicht mehr in einer Kirche sehen oder die gar die Kirche verlassen haben.

Ich halte es für ein wunderbares Zeichen der Treue, daß die Kirche die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Weihe nicht wiederholt. Das bedeu tet: Von unserer Seite bleibt es dabei, gleich, was du von deiner Seite aus tust! Holen wir diese wunderbare Ordnung der Zeichen auch durch unser Verhalten ein? Es wäre ein Zeichen der Hoffnung . . .

3. Mut zum Neuen: Der große Feind der Hoffnung ist die Angst. Angst führt zur Verkrampfung, zum Festhalten des Gegebenen und Gewesenen. Wer Angst hat? krallt sich an allem fest, was er für sicher hält. Er kommt aber gerade dadurch um die Hoffnung.

Treue heißt nicht, das ewig Gestrige zu tun und die Vergangenheit unverändert fortzuschreiben in die Zukunft. Treue meint sinngemäße Fortführung des Alten in neuen Formen. Treue ist schöpferisch und innovatorisch. Wer Hoffnung hat und geben will, der darf das Wagnis nicht scheuen . . .

4. Die Öffentlichkeit: Ein Preis der Hoffnung ist auch die Öffentlichkeit. Sie ist das Grundanliegen der oft so mißverstandenen und wohl auch mißverständlichen „politischen Theolo gie“. Gemeint ist damit nur dies: Glaube und Kirche sind in der Öffentlichkeit zu verhandeln und bestehen auch auf dem Anspruch, das öffentliche Leben mitzugestalten.

Wirerleben seitdem 19. Jahrhundert eine ständige Privatisierung. Der Glaube wurde als Sache des einzelnen privatisiert. Die Liebe wurde in den privaten Kreis der Familie oder Freundschaft abgedrängt. Die Sünde wurde immer mehr privatisiert, was zu einem Verfall der öffentlichen Moral und zuletzt auch zu einem Verfall des Bußsakramentes geführt hat.

Auch die Hoffnung wurde privatisiert als Hoffnung des einzelnen. Sogar die Jenseitshoffnung ist nicht mehr auf den „neuen Himmel“ und die „neue Erde“ gerichtet, sondern auf die Unsterblichkeit der Seele des einzelnen.

So hat die christliche Hoffnung auch den Blick auf das Ganze, also das Katholische verloren. Damit hat sie aber auch viel von ihrer gestaltenden Kraft in der Öffentlichkeit eingebüßt...

In einer solchen Situation der Welt genügt es nicht, wenn einzelne für sich privat Hoffnung haben. Da ist auch die Hoffnung öffentlich zu begründen und zu bezeugen und über sie öffentlich Rechenschaft abzulegen (vgl. 1 Petr 3,15).

5. Armut: Der schwierigste Preis der Hoffnung aber ist die Armut; wir kommen nicht damit zurecht. Die Botschaft der Hoffnung ist aber vor allem an die Armen gerichtet. Die Bergpredigt beginnt mit einer Seligpreisung der Armen.

Es ist mir selbst nicht klar, was Armut der Kirche bedeutet und von uns verlangt. Ich glaube nicht, daß wir die kirchlichen Häuser aufgeben könnten. Aber vielleicht haben wir zu viele und zu teuer gebaut... ,

Wir werden sicher den Kirchenbeitrag weiter einheben müssen, aber wir werden uns zugleich fragen müssen, wie wir damit im Geist der Armut umgehen. Was können wir einfacher, billiger, bescheidener und anspruchsloser machen?

Ich traue mir im einzelnen nicht zu sagen, das oder jenes sei gegen die Armut oder gegen den Geist der Armut. Ich würde mir nur wünschen, daß wir uns in der Vorbereitung auf den Katholikentag für uns selber und für unseren Verantwortungsbereich überlegen, wie wir es mit der Armut halten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung