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Priester für heute und morgen

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„Pastores dabo vobis", „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen." Mit diesem Prophetenwort (Jer 3,15) beginnt das Nachsynodale Apostolische Schreiben des Heiligen Vaters vom 25. März 1992 „Über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart".

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„Pastores dabo vobis", „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen." Mit diesem Prophetenwort (Jer 3,15) beginnt das Nachsynodale Apostolische Schreiben des Heiligen Vaters vom 25. März 1992 „Über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart".

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Es hat schon manche kompetente Kommentare zu diesem ausführlichen Dokument gegeben, ich mache mir einige persönliche Gedanken zur Situation des Priesterseins und -Werdens; und das gerade in den Tagen, in denen in unserer Heimat die jährlichen Priesterweihen stattfinden.

1. Das Zitat „Pastores dabo vobis" verweist uns in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang des Gottesvolkes. Kein Mensch, auch nicht eine noch so ausgeklügelte und hochdotierte Werbekampagne, kann uns eine ausreichende Zahl von Hirten geben. Das kann nur Gott allein. Und wenn heute in unserem Teil der Weltkirche die Zahl der geistlichen Berufe im Abnehmen begriffen ist, so sollen wir wohl aus dieser Entwicklung etwas lernen. Aber das geht bekanntlich nicht so schnell, und es ist ein langer Weg, bis man durch Schaden klug zu werden beginnen kann.

2. Das Apostolische Schreiben beginnt mit einer Analyse unserer Zeit, und stellt dann sehr konsequent fest, daß die Gläubigen oft über lange Zeit allein gelassen sind und keinen angemessenen pastoralen Beistand haben. Dementsprechend lebt auch die Jugend, in der „eine neue Verfügbarkeit sowie ein echtes, wirkliches Suchen nach solchen ethischen und spirituellen Werten" geortet wird. Dazu gehört die Feststellung: „...bereitet es in der kirchlichen Gemeinschaft aus einer Reihe von Gründen tatsächlich Mühe, eine auf den heutigen Stand gebrachte, mutige Jugendpastoral in Gang zu bringen: Die Jugendlichen laufen Gefahr, sich selbst überlassen zu bleiben, ihrer psychischen Zerbrechlichkeit preisgegeben, unbefriedigt und kritisch gegenüber einer Welt von Erwachsenen, die ihnen, da sie den Glauben inkonsequent und ohne Reife leben, nicht als glaubwürdige Vorbilder erscheinen."

Das heißt aus meiner Sicht, daß wir es auch als Kirche Österreichs heute weitgehend noch nicht geschafft haben, auf die Probleme der heutigen Menschen, der Jungen wie der Erwachsenen, glaubwürdige, konkrete und lebbare Antworten zu sagen und zu leben, die von den Suchenden auch gesehen, gehört und angenommen werden können. Da aber das wohl die Hauptaufgabe vieler geistlicher Berufe ist, dürfen wir uns nicht wundern, wenn manche durchaus dazu bereite junge Menschen den Weg einer konkreten geistlichen Berufung in dieser unsere Kirche derzeit nicht beschreiten wollen oder können.

Keine Gefühlsduselei

3. „Der Priester von morgen muß nicht weniger als der von heute Christus ähnlich sein". So heißt es gleich zu Beginn des Textes. Und diese Christusähnlichkeit wird dann in manchen theologischen und spirituellen Ausführungen sehr reich entfaltet, so daß man wegen der viel größeren Un-ähnlichkeit fast mutlos werden möchte. Aber da liegt sicher der Schlüssel. Wenn man dann noch den zweiten Teil des Jeremiaswortes: „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen; mit Einsicht und Klugheit werden sie euch weiden" anfügt, dann wird das Fundament jeder heutigen geistlichen Berufung klarer: Sein Leben einer geistlichen Berufung zur Verfügung zu stellen, bedeutet nicht, aus sozialen Motiven für die Menschen dasein wollen. Das können und tun viele andere auch. Wir haben den Weg zum Herzen unseres Herrn zu finden und zu beschreiten und dürfen dort zu Hause sein.

„Kommt und seht!" (Jo 1,39) hat er auch zu uns gesagt. Wir wissen um Gottes Liebe zu uns Menschen. Auch - und vielleicht gerade - in unserer Schwäche und Gebrechlichkeit. Aber wir dürfen unseren Platz im Herzen des Herrn nicht verlassen, sonst werden seine Hilfen für unser Leben zu kirchenrechtlichen oder dogmatischen Stolpersteinen. Über die kann man natürlich auch streitenjund Machtmittel einsetzen, was man in der bergenden und lebensspendenden Liebe des Herzens unseres Herrn nicht kann und nicht braucht. „Mit Einsicht und Klugheit werden sie euch weiden" verheißt Jeremia weiter. Denn diese Liebe hat nichts mit Gefühlsduselei zu tun...

Was da im päpstlichen Dokument auf den Priester angewandt wird, gilt aber wohl auch für die ganze Kirche. Die Menschen erwarten heute zu Recht eine Kirche, die sich bemüht, „Christus ähnlich zu sein", und die Hirten und Gläubige hat „nach meinem Herzen", die die ihnen Anvertrauten „mit Einsicht und Klugheit weiden" und die Gottes Botschaft in dieser Gesinnung den Menschen anbieten, als Frohe Botschaft zum Heil in einer aus ihrer Ordnung geratenen Welt und Zeit.

4. Ein altes Wort sagt, daß ein Volk die Priester hat, die es verdient. Wenn wir heute keine haben oder zuwenige, so vielleicht auch deshalb, weil wir nicht mehr verdienen. Nach manchen Wirren der heutigen Zeit muß die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden sich erst selbst wieder finden.

a) Die allgemeine Versorgtheit mit den geistlichen Verantwortlichen geht zu Ende. Mit moralischem und anderem Druck versuchen aber trotzdem noch viele, aus den wenigen Priestern noch das herauszuquetschen, was gerade für sie noch nötig und angeblich auch unverzichtbar ist.

b) So leben viele Priester und Ordensleute (Patres und Schwestern) oft mit einem schlechten Gewissen. In jungen Jahren sind sie Helfer gewesen und heute, alt und verbraucht, sollen sie alles allein machen. Kein Wunder, daß sie müde, resignierrsind und so auch wenig einladend für junge Menschen, die sich diesen Beruf auch überlegen.

Die einen arbeiten ziellos, um irgendwie den Erwartungen zu entsprechen - sie reagieren nur noch, weil sie es entweder nicht gelernt haben, über ihr Agieren nachzudenken, oder weil sie bereits Mut und Motivation dazu verloren haben. Die anderen machen nur noch das Nötigste, weil sie von ihrem Leben ja auch noch etwas haben wollen oder geben diesen derzeit unerfüllenden Beruf ganz auf.

„Fahren auf Sicht"

In beiden Fällen ist nicht nur das, was das päpstliche Schreiben auf 50 Seiten als „das geistliche Leben des Priesters" ausführlich beschreibt und fordert, weniger geworden oder gar abhanden gekommen, sondern der geistliche Mensch hat auch den Zusammenhang mit dem verloren, oder gar nicht bekommen, in dem zu leben er berufen wurde und den er sich auch vorgenommen hat: den Lebenszusammenhang im Presbyterium der Diözese, in der Ordensgemeinschaft, in seiner Gemeinde. Wo Gemeinsamkeit fehlt, dort wird Einsamkeit. Und Einsamkeit ist oft tödlich...

5. Damit legt sich noch ein kurzer Ausblick auf die Kirche der Zukunft nahe. Joseph Ratzinger hat 1969 in einem Rundfunkvortrag gesagt: „Aus der Krise von heute wird auch dieses Mal eine Kirche morgen hervorgehen, die viel verloren hat. Sie wird klein werden, weithin ganz von vorn anfangen müssen..."

Ich meine, daß wir in dieser Phase mitten drinnen sind. Heute ist nur ein „Fahren auf Sicht" möglich. Meist fragmentarisch, manchmal zaghaft, aber nie resigniert und müde. Denn der Weg ist unser Herr Jesus Christus. Er begleitet uns in seinem Wort, in den Sakramenten, in der Gemeinschaft der Glaubenden. Nur müssen wir lernen , das bewußter wahrzunehmen und Tag für Tag daraus zu leben. Dann werden wir Wesentliches vom Unwesentlichen scheiden können.

Und dann wird in den viel kleineren Zellen von Gemeinden dieser Kirche das zu finden sein, was die Menschen von heute so dringend brauchen: „Sie wird von neuem blühen und den Menschen als Heimat sichtbar werden, die ihnen Leben gibt und Hoffnung über den Tod hinaus." (Joseph Ratzinger)

Der Autor ist Diözesandirektor des Canisius-werkes (Erzdiözese Wien).

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