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Die Steiermark hat etwa 400 Pfarren, 700 Welt- und Ordenspriester. Der Altersdurchschnitt ist wie überall hoch. Viele große Orte haben keinen Kaplan mehr, 60 Pfarren keinen Pfarrer am Ort. Sicher sind darunter sehr kleine Gemeinden. An Vorwürfen und Ratschlägen wird nicht gespart: „Ihr seid ja selbst schuld am Priestermangel — es gäbe genug Leute, die bereit wären, sich zum Priester weihen zu lassen!“

Der Priestermangel wird in den nächsten Jahren noch schärfer werden. Weihejahrgänge mit vielen Leuten aus den Jahren vor dem Krieg scheiden aus. Meines Wissens gibt es keine Diözese im ganzen deutschen Sprachraum, die nach dem Krieg eine so hohe Zahl von Amtsniederlegungen aufzuweisen hat.

Was nun? Notzustände fördern Aggressionen. Und das ist schlecht. Ich möchte dagegenhalten: Notzustände sollen Bereitschaft zum Hören zeitigen. Ich glaube, es ist eine Stunde da, die wir nicht vorübergehen lassen dürfen — eine Stunde, um die Reform aus den Quellen voranzuführen. In der Begeisterung über große pastorale Fortschritte in den letzten Jahrzehnten sind wir mitunter in eine Gesinnung eingewandert, es ließe sich alles machen. Man brauche nur noch mehr Leute, mehr Geld und vernünftigere Vorgesetzte.

Was Wunder, daß allerorts eingängige Lösungen propagiert wurden. Dazu noch unter sympathischen Beiworten wie „menschliche Kirche, menschengerechte Pastoral, Recht auf Eucharistie“ usw. Zeigt das einen Aufbruch in eine wahrhaft erneuerte Kirche, in der sich’s leichter leben läßt? Oder ist es ein Übertritt ins Out? Es wäre vermessen, darauf sofort eine Antwort zu geben. Doch die Frage soll man sich selber zumuten.

Die Quellen der Kirche: Was heißt das für uns hier in der Steiermark, mit dem eigenartig liberalen Glauben vieler, mit einem beschämend geringen Kirchenbesuch, mit innerkirchlichen Wunden aus längst vergangenen Tagen der Reformation, der Aufklärung und aus jüngster Zeit der sechziger Und siebziger Jahre?

In der Steiermark, die zugleich einen Katholikentag sondergleichen zu feiern vermochte, in der sich die Zahl der Priesterstudenten in den letzten fünf Jahren fast verdoppelte, es eine große Phantasie in der Pastoral und tiefe Innigkeit des Gebetes gibt? Wir reden in unserem Land seit unserem Katholikentag von einem „Jahrzehnt des Evangeliums“. Wir meinen die achtziger Jahre. Wir meinen die Steiermark. Wir schreiben darüber: „Das Evangelium zu allen!“ Und wir meinen es ernst.

Wir meinen, daß wir das Geheimnis des innersten Umganges des Menschen mit seinem Gott wieder im Auge haben müssen. So viele Aktionen, Unternehmungen scheinen zu wenig darauf auszugehen, daß die unersetzbare und unverwechselbare Person mit jGott Zusammenkommen muß. Wir reden von Gott, als sei er selbstverständlich. Doch was in der Bibel vorgezeichnet wurde, wie der Herr Jesus in der Nacht einsam auf dem Berg betet, wie Mose vor dem brennenden Dornbusch liegt — das muß neu entdeckt und gelehrt werden.

Landauf, landab klagt man, das Laienapostolat habe sich verflüchtigt. Ob das nun stimmt oder nicht: Mit feurigen Aufrufen ist nichts getan. Erst wenn der Christauf der Straße und in den Büros, in den Schulen, Werkstätten und auf den Feldern etwas davon weiß, daß Gott ihn anredet und die Kirche ihn in Dienst nimmt, erst dann kann das Laienapostolat wieder wachsen.

Und man möge sich nicht täuschen: Wenn wir nicht im gleichen Atemzug alles tun, um die geistlichen Berufe zu wecken, kentert die Kirche wie ein Schiff, das Schlagseite hat. Nicht allein, weil wir schlicht zu wenig Priester und Ordensleute haben, sondern weil die Erneuerung des Laienapostolats die Berufungen zur besonderen Nachfolge im Priesteramt und Orden bedingt und umgekehrt.

Unser Gott hat sich geoffenbart. Ich meine daher, daß die gesamte religiöse Unterweisung neu bedacht werden muß. Der häufige Ruf nach einem „Katechismus“ darf nicht ignoriert werden. Ist unser Glaube sagbar, umschreibbar, ist er gegeben oder können wir uns allein damit trösten, daß wir „unterwegs“ sind? Es wäre des Einsatzes der Besten wert, sich daran zu wagen, damit wir uns auf eine Eiserne Ration des Glaubenswissens einigen können, die sich weitergeben läßt, die auch mit einem Schatz von Gebeten und Liedern ausrüstet.

Wie ist es also möglich, daß das Heilige hineinreicht in dieses Land? Nicht als Reliquie und Museum, sondern als Kraft, um trotz aller Verwundungen das Leben zu meistern und einmal mit dem stillen Licht des Trostes Christi zu sterben. Um die Gesellschaft zu verändern. Das innerste Wesen der Kirche ist nicht in unserer Hand. Dem Gottesdienst muß das Geheimnis bewahrt und er darf nicht bis zur Blutarmut verdünnt werden. Dazu wird es ein neues Erlernen des Betens, zumal der Anbetung in der stillen Kirche, brauchen. Dazu wird es Menschen brauchen, die in den geistlichen Berufen bezeugen, daß sie sich Jesus Christus übergeben haben. Dann erst wird es erneut möglich sein, daß Vater und Mutter, Arbeiter und Bauer, Intellektueller und Jugendlicher etwas von der Verheißung Jesu Christi erfahren können. Und umgekehrt wird es diese geistlichen Berufe geben, wenn es solche Laien gibt. Diesen Kreis sollen wir nicht aufbrechen und verbiegen.

Die Steiermark hat 400 Pfarren. Die statistischen Prognosen scheinen mitunter miserabel zu sein. Doch sind diese Prognosen überhaupt der Sprache des Evangeliums mächtig? Ich möchte es bezweifeln. Ich weiß nicht, wie diese Diözese in zehn Jahren aus-' sieht. Aber wenn wir die Quellen öffnen und reinigen, haben wir das Beste getan, was wir tun können. Ohne Alternative.

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