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Reform aus den Quellen

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Es ist Zeit, ein wenig wegzusehen von den Vorbereitungspapieren und den Vorbereitungsaktionen — obwohl diese gerade jetzt unmittelbar vor dem Katholikentag die größte Anstrengung brauchen. Was ist mit dieser Kirche? Wie wird sie nach dem Katholikentag agieren, wird sie sich selbst erkannt haben?

Haben sie recht, die das Leuchten der Kirche vermissen? Ich weiß es nicht. Aber keinesfalls muß es in Zukunft so sein.

Der Katholikentag soll durchgeführt werden, mit Sorgfalt und mit der ganzen Akribie organisatorischer Vorbereitung, die wir einfach den Teilnehmern schuldig sind. Aber der Katholikentag ist nicht Selbstzweck. Er ist Mittel. Wozu?

Zu einer Reform der Kirche in Österreich. Zu einer Reform aus den Quellen.

Diese Reform wird heißen: eine neue Leidenschaft hin zu Jesus Christus. „Im Anfang war das Wort” (Joh 1,1), in der Schöpfung und in der Erlösung, aber auch im neuen Leben des Glaubens in unserem Lande. Uber Jesus Christus ist nachzudenken, von ihm ist zu reden und vor allem ist mit ihm zu reden im Gebet.

Es irren sich jene, die meinen, man sollte um der Weltwirksamkeit willen seinen Namen verschweigen. Es irren sich aber auch jene, die meinen, man müßte nur seinen Namen nennen und die Seelen würden sich schon auftun. Vielmehr ist es des größten Bemühens wert, sich damit zu befassen, wie der heutige Mensch mit seinem Gott umgehen kann: ob wir Meister des Gebetes haben, ob wir unsere Kirche während des Tages bevölkern, ob wir die Eucharistie demütig als Geschenk annehmen und sie nicht zu Tode „gestalten”.

Ich meine, die Zielgerade zum Katholikentag muß eine Strecke vielfältigen Gebetes, der Beichte, des Schweigens vor Gott, der Bitte um sichtbare und unbekannte heilige sein, der Bitte um seinem Vollendung der Welt: Maranatha — komm, Herr Jesus!

Reform aus den Quellen heißt weiter: die Entdeckung, daß jeder, der getauft und gefirmt ist und sich zur Kirche bekennt, an seinem Platz Salz der Erde ist. Das Priesterproblem ist brennend, aber es darf nicht die Sorge um das Laienapostolat zudecken. Das Apostolat der Laien muß in unserem Land schlicht neu entdeckt werden — die Weitergabe des Glaubens durch Eltern, Großeltern, Arbeitskollegen, Nachbarn, wo immer wir leben, von mir zu dir, von uns in die Struktur der Gesellschaft.

Mit Appellen allein wird wenig getan sein. Die existentielle Ent-

deckung, daß ich dort, wo ich lebe, ein unersetzbares Stück der Kirche bin, ist vonnöten. Und der Dienst der Priester wird ganz besonders darin bestehen, Männer, Frauen, Jugendliche darin zu bestärken, zu ermutigen, dafür überhaupt zu erwecken.

Einer Kursänderung bedarf die Kirche in Österreich im Hinblick auf die geistlichen Berufe. Von sehr vielen ist die Brisanz des Problems noch nicht erkannt. Manche plädieren für eine Anpassung des Priesters an die lai- kalen Lebensumstände. Doch es ist schon so: Kaum etwas zeigt deutlicher den Glauben an die Auferstehung in einem Land, als die Ermutigung und der Mut zum geistlichen Beruf.

Reform aus den Quellen heißt Erneuerung der Communio der Gläubigen untereinander. Sie leben in den verschiedensten Lebensbereichen, allein oder sie tun sich zu Gemeinschaften zusammen. Sie leben nicht nur dort, sondern sie sind dort Glieder der Kirche. Umgekehrt ist es nötig, daß sie ihr Leben und ihre Erfahrung in die Kirche hineingeben. Alles, was trennt, an der Gesamtkirche vorbeilebt, führt zu Aggression, Zerstörung, Unfruchtbarkeit.

Die ersten Hüter dieser Communio sind die Bischöfe mit dem Papst. Wer Wind sät, wird Sturm ernten (Hos 8,7). Aus kleinen giftigen Bemerkungen können Affekte werden, aus Affekten wird Entfremdung. Damit darf sich niemand abfinden, auch nicht die Bischöfe. Sie haben ihren Auftrag zu wahren: nicht Herrscher über den Glauben (2 Kor 1,24) zu sein, sondern Hirten, die die Herde Zusammenhalten.

Abzusagen ist einer bloß soziologischen Sicht der Ämter und Verantwortung in der Kirche. Das Haupt des Leibes ist Christus. Er hat üns seine Wahrheit, seinen Weg und sein Leben vermacht. In dieser erneuerten Communio des Zusammenstehens, des Vertrauens, wird die Kirche erneuert werden: weder eine klerikale noch eine laikale, weder eine progressive noch eine konservative — sondern eine Kirche, die das Evangelium unermüdlich weitergibt: Dann ist sie eine leuchtende, so wie ein Baum mit seinen vielen Ästen im Frühling zu leuchten beginnt.

Ich glaube, die Kirche in Österreich besitzt stille Reserven, deren sie sich oft gar nicht bewußt ist: eine Unzahl von Menschen, die in ihrer Seele die Geduld des Glaubens und die Liebe zur Kirche bewahrt haben. Vielleicht haben sie sich mitunter vom Kirchenbetrieb etwas zurückgezogen. Sie haben vielleicht einen feinen Spürsinn dafür, daß ihre eigentlichen Träume und Probleme übersehen werden, weil erfolgheischende Aktivitäten so viele Kräfte verbrauchen. Eine Reform aus den Quellen kann sie aufhorchen lassen, und sie werden die Schätze ihrer Treue bringen.

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