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Hoffnungen

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Manche historisch gewachsenen Verbindungen überdauern alle Wid­rigkeiten der Geschichte. Zum Beispiel bedeutet der Name des fer­nen Österreichs für die Christen des Nahen Ostens noch immer eine Hoffnung. Jetzt zum Beispiel hoffen die Kopten Ägyptens auf die Für­sprache von Bundeskanzler Kreisky bei seinem Ägyptenbesuch.

Die Umorientierung des Nil- Staates von Moskau nach Washing­ton hat für die Kopten Ägyptens

bisher keine sonderlich positiven Auswirkungen gehabt. Die Welle der Re-Islamisierung schwappt auch über Ägypten hinweg. Die Kopten, die sich - als der dem Chri­stentum treu gebliebene Bevölke­rungsteil - für die ursprünglicheren Ägypter halten, werden diskrimi­niert.

Bei allen sonstigen Meriten Prä­sident Sadats ist nicht zu übersehen, daß die koptischen Christen lang­sam , aber sicher wieder auf den Sta­tus von-Bürgern zweiter Klasse her-

üntergedrückt werden sollen, wie es die islamische ,,Rechtstradition" vorsieht.

Das wird in Kairo zwar beharr­lich geleugnet. Aber die Tatsachen sprechen ihre eigene Sprache.. Die Schuldigen für die heftigen anti­christlichen Ausschreitungen des Vorjahrs sind noch immer nicht er­mittelt, es gibt laufend Drohungen gegen Kopten und koptische Ein­richtungen.

Im Staatsapparat sind die Kop­ten weit unterrepräsentiert - nicht zuletzt deshalb, weil die offiziellen Statistiken ihre Zahl bewußt auf 2,5 Millionen reduzieren, obwohl in Ägypten mindestens acht Millionen koptische Christen leben. Es wären vermutlich noch mehr, wenn in Ägypten das Grund- und Men­schenrecht auf Religionsfreiheit voll verwirklicht wäre.

In dieser Situation erinnern sich die Kopten daran, daß sich schon das alte Österreich für ihre Rechte eingesetzt hat. Daher die Hoffnun­gen auf Kreisky. Schließlich ist die Verwirklichung von Menschenrech­ten nie eine bloß,,innere Angelegen­heit", sondern für Frieden und Zu­sammenarbeit höchst bedeutsam. Es ist zu hoffen, daß die Hoffnung der Kopten nicht enttäuscht wird.

Daß hier der Bischof noch faktisch eingreifen könnte, ist eine Illusion. Aber sind wir dann noch auf dem Bo­den der katholischen Kirche? Ist es noch verstehbar, daß Christus unver­fügbar die Gemeinde baut und der Prie­ster ihn zu repräsentieren hat?

Daher ist zu bedenken: Wer unsere Orte und Gemeinden kennt, weiß, daß es auch in ihnen Gruppen und Kräfte gibt, die sehr wohl interessiert sind, ei­nen bestimmten Pfarrer durchzudrük- ken. Dies hört dann beim Bischofsamt auch nicht mehr auf.

Soll die mühsam im Investiturstreit und in späteren Jahrhunderten erwor­bene Freiheit neuerlich durch Bischofs­und Pfarrerwahlen aufs Spiel gesetzt werden? Diese Frage ist nicht nur in Ländern der Unterdrückung, sondern auch bei uns zu stellen.

Und schließlich: Wie ist das nun mit der Versorgung der Gemeinden? Mir will scheinen, daß sich hier die Verfech­

ter des überzogenen Gemeindeprinzips in ihren eigenen Netzen verfangen. Ist die Gemeinde einzige Möglichkeit, daß Jesus Christus erkannt wird?

Treibt dann nicht die Eigendynamik dahin, daß alles dem Funktionieren der Gemeinde zu dienen hat - ausgerechnet

in einer Zeit, in der Menschen immer weniger an einem bestimmten Ort le­ben? Haben wir uns nicht selber in Vor­stellungen von Kirche verfangen, die fa­tal immer mehr einem guten Manage­ment mit möglichst klar ausge­richteten Filialen ähnelt? Wird nicht das Mißbehagen am ständig mehr ver­einnahmenden Gemeindebetrieb grö­ßer?

Ist das Klagen über die vielen Sitzun­gen und Aktivitäten ein bloß überse­henswertes Symptom oder rührt sich dahinter Ernsteres? Bemüht man sich ernstlich, die Diözese als Teilkirche zu verstehen, die als Ortskirche lebt und

auch das Leben in den Gemeinden mög­lich macht, und daß sie die erste Sicher­stellung der Kirche ist?

Damit sind wir nun wohl am Kern des Problems angelangt: Die Tatsache, daß es relativ wenig Priester gibt, ist zu­nächst ein Notstand und soll nicht zur Hintertür gemacht werden, um be­stimmte - zunächst davon unabhängige - Änderungen hereinzulassen.

Der Papst hat es vor den deutschen Bischöfen so gesagt: „Daß der Sinn Für die evangelischen Räte und für die prie­sterliche Ehelosigkeit weithin ab­nimmt, bedeutet ebenso einen geistli­chen Notstand wie der Priesterman­gel.“ Das heißt, anders gesagt: Es geht um die Entschlossenheit der katholi­schen Kirche, weiter auf ihre Weise dem Herrn Jesus und damit den Men­schen zu dienen!

Sie tut es mit dem Amt, das nicht produziert, demokratisch herausgefil­tert, sondern das in der Berufung ge­schenkt wird. Darum geht es also: Hält die Kirche weiterhin an ihrem Priester­amt fest, am Diener, am Mann des Glaubens, am Hirten, der im Auftrag des Herrn, des guten Hirten, steht - be­rufen, ihn darzustellen? Hier werden wir nicht herumkommen, daß unsere Rede Ja oder Nein ist.

So meine ich, daß der eingangs er­wähnten These entschieden und gedul­dig widersprochen werden muß. Zu den deutschen Bischöfen sagt der Papst:

„Eure Tradition der Seelsorge läßt sich nicht einfachhin vergleichen mit den Verhältnissen in Afrika und La­teinamerika. Und dennoch gibt es mir zu denken, daß ich dort weithin einen größeren Optimismus bei wesentlich geringeren Zahlen von zur Verfügung stehenden Seelsorgern getroffen habe als im westlichen Europa.“

Deshalb ist nochmals zu fragen: Sind unsere Kirchen und die Pfarren Stätten der Wärme Gottes, des stillen Trostes, der Frömmigkeit, der geistlichen Kraft, der selbstvergessenen Brüderlichkeit, Boden für Heiligkeit?

Die Antwort hat eine weitere Dimen­sion zu beachten als Gemeindeleiter, Versorgung, regelmäßige Eucharistie. Es gibt viele, sehr viele, die ohne Lohn und mit Einsatz des Herzens mithelfen wollen. Die geistlichen Kräfte des Vol­kes Gottes sind erst zum geringeren Teil geweckt. Und es gibt viele, die es riskieren wollen, kirchliche Berufe aus­zuüben und ihre eigene Familie mit hin­einzuziehen.

Die Kirche ist durch das Entstehen so vieler Laienberufe und des Diakonats mit einer neuen Gnade beschenkt wor­den, die nicht verspielt werden darf,

wenn wir fixiert allein auf die Priester­weihe hinschauen. Diese vielen wird es aber nicht geben, wenn es nicht den durchsichtigen, tröstenden, standhaf­ten, vom Siegel Gottes getroffenen Bru­der Priester gibt.

Es gilt, nicht nur die Gemeinden zu leiten, sondern ein verfügbares Herz in diesen Gemeinden zu sein. Alles andere läuft letzten Endes auf eine Verbürger­lichung der Kirche hinaus.

Deshalb ist einfach die Ermutigung auszusprechen: Suchen wir mit offe­nem Auge, ohne Zwinkern und ohne Düsterkeiten, die Berufung zum prie­sterlichen Dienst, so wie die Kirche sie kennt!

Es geht um Ermutigung zum Prie­sterberuf, gezeichnet von den evangeli­schen Räten: in Freiheit um des Him­melreiches willen, ohne persönliche Bindung, im Bemühen um Schlichtheit, dem armen Jesus zuliebe, im Gehorsam der Übereinstimmung mit der Kirche der Welt. Oder anders gesagt: Damit der Herr Jesus besser zu sehen ist.

Dies ist der unersetzliche Dienst, den wir für das Erwachen jener Gnade tun können, die den „Laien“ in der Taufe und in der Firmung gegeben wurde. Wenn unser Gebet und unser Wollen großmütig sind, dann wird es auch die Kirche mit vielen Zweigen, mit Blüten und Früchten in unprogrammierter Fülle geben.

Wir haben angestrengt zu hören, was Gott wohl meinen könnte in unserer Zeit: von der versorgten Kirche und von der Angst, ob sie wohl hinreichend ver­sorgt sei, weiterzuwachsen zur geist­lich-dynamischen Kirche. Beiden Mön­chen von Taizé sammeln sich junge Leute, nach einer Mutter Teresa halten die Menschen Ausschau. Das soll uns zu denken geben.

Am Schluß sei mir noch ein Wort in eigener Sache gestattet. Ich bin Bi­schof, und deshalb wird mich mancher in dieser Angelegenheit als „Partei“ be­trachten. Mag sein.

Ich möchte nur bemerken, daß ich Bischof einer großen, fordernden und geprüften Diözese bin. Daß ich andere Lösungen sehr überlegt habe. Daß es das Bischofsamt mit sich bringt, sich auch sehr große Sorgen zu machen. Und daß schließlich aus dem Hinhören auf die Seelen der Menschen und auf das Evangelium Überzeugungen wach­sen, und allein diese Überzeugung wollte ich hier darlegen.

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