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Vision einer neuen Kirche
Jene noch machtvolle Minderheit, die am alten Bild der Kirche als der Alleininhaberin aller Wahrheiten festhält, wird sich - so der Theologe P. Bernhard Häring - nicht durchsetzen.
Jene noch machtvolle Minderheit, die am alten Bild der Kirche als der Alleininhaberin aller Wahrheiten festhält, wird sich - so der Theologe P. Bernhard Häring - nicht durchsetzen.
Glauben Sie ja nicht, daß zu Ihnen ein Optimist redet, der die dunklen Seiten und Schatten der Kirche einfach nicht sehen will. Ich sehe sie und habe weltweit mitgeholfen, auf die Krankheitsbilder unserer gegenwärtigen Kirche hinzuweisen - immer im Blick auf eine Heilung.
Ich sehe, wie sich im letzten Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends die kollektive, paternistische Neurose zuspitzt, jedoch beschränkt auf eine allerdings lautstarke Minderheit. Diese von Angstneurose geplagte, lautstarke Minderheit lebt noch gedanklich und affektiv im alten Bild der Kirche als der Inhaberin, ja der Alleininhaberin aller Wahrheiten. Sie erneuert die Mentalität der Monopolgesellschaft, die glaubt, die Wünsche der Kunden ignorieren zu können. Da die Außenbeziehungen deshalb gestört sind, kommt es unvermeidlich auch zu neurotischen Innenbeziehungen. Man mißtraut sich, belohnt Denunzianten und Ehrenstreber, behebte „Jasager".
Obgleich in den vielseitigen ökumenischen Dialoggruppen ein Aufeinanderhören und Voneinander-lernen blüht, so will die Gruppe, die sich um das Ex-Heilige Offizium schart und fest an den Bischof sernennungen mitmischt, wenigstens den braven, „verunsicherten" katholischen Gläubigen das Monopol der Sicherheiten vor allem in der Sexualmoral und in vielen anderen Dingen ihr Wahrheitsmonopol anbieten, den kritischen Katholiken dagegen durch Strafsanktionen und absolute Treueeide auch gegenüber nicht-unfehlbaren Aussagen die Anerkennung ihrer Monopolrechte in allen Glaubensund Sittenfragen aufzwingen.
Ein Unternehmen, das sich nach Verlust der Monopolrechte so aufführt, als ob es noch alle Monopole besäße, seine schöpferischsten Mitarbeiter ausgrenzt, wird sehr schnell Kunden und wirksame Mitarbeiter verlieren. Die kollektive, paternistische Krise spitzt sich in diesen letzten Jahren des zweiten Jahrtausends der Christenheit zu. Bischöfe wie Kurt Krenn, Johannes Dyba scheuen sich nicht, öffentlich kundzutun, wie skandalisiert sie durch den Anblick einer Ministrantin sind, Symbol der Frauenwelt, die als Gleichberechtigte den Glauben leben, bezeugen und verkünden will.
Doch laßt uns nicht übersehen, daß es sich um eine relativ kleine (wenn auch momentan scheinbar noch machtvolle) Gruppe handelt. Überspitzungen durch die Lautstärksten verkleinern ihren Anhang.
Ich habe allen Grund trotz allem, ja gerade im Blick auf die Zuspitzung der Krise mit großer Hoffnung auf das erste Jahrhundert des dritten Jahrtausends zu blicken. Die Dynamik des Konzils wird durch die Exzesse der von Angst-, Sicherheits- und Macht-Neurosen geschüttelten Minderheit, die sich ihre Kirche immer noch, ja mehr als je als belagerte Wahrheitsfestung vorstellen, ganz neu wachgerufen. Wir sind heute wacher als vor 25 Jahren.
Was läßt uns der gläubige Blick auf die Verheißung Christi und auf die lebendigen Kräfte überall in der Kirche voraussagen? Nehmen Sie dies, bitte, als mein Glaubensbekenntnis an die Verheißung Christi, und zwar gemäß der Wertskala, die uns Christus selbst geschenkt hat.Wie könnten wir die letzten Worte, das Testament Christi an einen zweitrangigen Platz zurückdrängen! Christi Vermächtnis, sein feierliches Testament ist die Stiftung der Eucharistie. Dankend nahm er das Brot und den Kelch, dankend gab er allen seinen Jüngern seinen gnädigen letzten Willen kund: „Tut dies zu meinem Gedächtnis... alle."
Die Kirche des beginnenden dritten Jahrtausends wird allen Gläubigen, allen gläubigen Gemeinschaften, auch den kleinen und abseits gelegenen, ihre christlichen Geburtsrechte zurückgeben. Jede Gemeinschaft wird sich sonntäglich um den eucharistischen Altar scharen.Die Kirchenleitung wird dem starken Drängen aus Latein-Amerika, Afrika, Asien und teilweise auch anderen Kontinenten nachgeben: sie wird nicht mehr an einem - sei es auch ehrwürdigen -Brauch, an einer bloß menschlichen Tradition festhalten: Annahme der Zölibatsverpflichtung als absolute Vorbedingung für den Vorsteher der eucharistischen Gemeinde, sondern treu das Vermächtnis ihres Meisters erfüllen. Allüberall wird jede Glaubensgemeinde in überschaubarer menschlicher Größe ihre eucharistischen Diener haben.
Ist durch die kirchliche Autorität diese Priorität gesichert und haben alle Gemeinden und alle weit abgelegenen kleinen Orte ihr Recht auf einen eucharistischen Diener des Altars aus ihrer Mitte oder gemäß ihren berechtigten Wünschen, so wird es uns allen auch leichter fallen, all unseren gläubigen Schwestern und Brüdern klar zu machen, wie sehr sie sich und dem Reich Gottes schaden, wenn sie sich aus Trägheit und Oberflächlichkeit von der Eucharistiefeier fernhalten.
Man wird nicht mehr unter Verachtung der Vielfalt der Kulturen kleinlich eine Gleichmacherei in den Formen der Frömmigkeit und der Feier des Geheimnisses auferlegen. Die alles prägende Geistesart der Gemeinden und der einzelnen wird das „dankbare Gedächtnis" sein, das durch die Eucharistiefeier wachgehalten wird...
Papst, Bischöfe, Priester, Lehrer und alle Gläubigen werden der Verkündigung und Weitergabe des Glaubens vor allem dienen durch diskrete Zurückhaltung in bezug auf begriffliche Festschreibung des Geheimnisses des Glaubens, werden aber der Glaubensfreude, dem Geist der Anbetung angesichts des Geheimnisses des Glaubens einträchtig in aller Vielfalt der Ausdrucksweisen dienen. Im Vordergrund wird wieder der Glaube an den Heiligen Geist, den Lebensspender, der auch die Propheten zum Sprechen bringt, den Ermunterer zu allem Guten, stehen.
Der gelebte Glaube, daß der Geist des Herrn in allen, durch alle und für alle wirkt, wird befreiend wirken, den Glauben aller ständig vertiefen, Glaubensfreude und damit auch frohe Heilsverkündigung wecken. Von der in aller Vielfalt gefeierten und lebensnah erfahrenen Feier des Geheimnisses des Glaubens, des Vermächtnisses Christi, wird ein stets neues Erlebnis des Pfingstereignisses weiterhallen.
Die bußbereite Rückerstattung an alle Ortsgemeinschaften, auch an kleine, des Urrechtes auf die Feier des Testaments Christi durch gemeindenahe und lebensnahe eucha-ristische Diener und Dienerinnen läßt die Kirche allüberall als Ortskirche zusammenleben. Die Kirche von Rom (der Papst und seine zentralen Organe, Institutionen) wird sich gemäß urkirchlicher Überlieferung besser als „Vorsteherin des Liebesbundes" verstehen.
Verschiedenheiten werden nicht mehr Trotzreaktionen des paterni-stischen, kollektiven Neurosekomplexes provozieren, sondern werden dankbar als Geschenk des Heiligen Geistes angenommen, als Bereicherung, als gegenseitige Ergänzung,-als quasi-sakramenta-les Zeichen des Immanuel, des uns allen in unserer geschichtlichen Welt nahen Gottes.
Der Bischof von Rom wird auf das erst in jüngster Zeit aufgekommene Privileg verzichten, im Verein mit einer diplomatischen Gruppe alle Bischöfe der Welt zu ernennen. Künftige Päpste werden sich nur wundern, warum die Kirche von Rom so lange daran festgehalten hatte, daß chinesische Bischöfe in Rom kreiert, „geschaffen" werden sollten. Alle Bischöfe der Welt werden dem Nachfolger Petri gern Gefolgschaft in der Stiftung ver-söhnter Einheit in der Vielfalt leisten. Der Austausch der Glaubenserfahrung wird ständig die Anbetung des Geheimnisses vertiefen. Der Papst wird auch um der weltweiten Sendung der Kirche und um des Dienstes an der Versöhnung der Christenheit willen auf sein nicht in der Schrift begründetes Privileg verzichten, die Wähler seines Nachfolgers alle allein und selbst zu ernennen (zu „kreieren").
Es wird wahr werden: „Neuer Wein in neuen Schläuchen." Alle Bemühungen um strukturelle Reformen und der ganze Stil der Autoritätsausübung werden gemessen werden an ihrem Dienst an der Versöhnung und Einheit der weltweiten Christenheit verschiedener Traditionen und Kulturen.
So wird der Petrusdienst - gereinigt von allem unguten Erbe des in weltliche Machtkämpfe verwickelten Papsttums - ökumenisch angenommen und fruchtbar werden.
Aus einem am 9. Jänner 1990 in Georgsmarienhütte (BRD) verlesenen Referat des deutschen Moraltheologen und Redemptoristen.
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