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An der Schwelle zum Konzil

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Ich würde wünschen, daß das Konzil mit einem Schuldbekenntnis begänne, wie Daniel, 9: Wir haben den Osten, den Großteil der nordischen Länder, das liberale Bürgertum und das Proletariat verloren, und sie alle, die das Siegel der Taufe trugen und noch tragen, aber nicht mehr in der Kirche leben, sind uns davongelaufen, und wir haben sie gehen lassen und oft selbstzufrieden die Kirche zu bauen versucht.

Robert G r o s c h e Theologieprofessor und Seelsorger in Köln

Die Kirche ist heute auf dem Weg ihrer Selbstfindung weit vorangekommen. Dies zeigt sich in Theologie und Leben. Das Konzil muß diesem Reifestadium in folgenden Momenten Rechnung tragen: Das Konzil muß frei sein: „frei“ im Christlichen meint nicht bloß das Gegenteil zu „gebunden“. In diesem Sinn muß das Konzil selbstverständlich auch frei sein. Es darf nicht — weder von innen noch von außen — „vorbeherrscht“, seine Entscheidungen dürfen nicht vorentschieden sein. — Freiheit, wie sie die Offenbarung kennt, bedeutet „erlöst“, Anteil haben an Christus, Christsein (vgl. Joh. 8, 36: „Wenn der Sohn euch frei macht, seid ihr wahrhaft frei.“). — Das Konzil muß frei sein, sagt in diesem Sinn: es muß in erster Linie eine Versammlung von Christen sein, eine Zeichensetzung für die Heilstatt Gottes in Jesus Christus. Es darf nicht mißbraucht werden zu einem Panoptikum menschlicher Macht und Pracht. Es muß im Heiligen Geist zusammentreten und nach den Gesetzen des Geistes (nach dem Vorbild inApg. 15). Es muß eine brüderliche Versammlung sein, die niemand ausschließt, der zu Christus gehört. Menschliche Grenzwälle müssen geschleift werden. Priester und Volk gehören zum Konzil, Klerus und Laien, jeder mit seiner Vollexistenz in Christus. Das Konzil muß allgemein sein: es muß'von Grund auf katholisch sein, das hdißt Zeichen' der weltweiten Sendung und Zusammenfassung der Gesandten. Weltweit sagt: die Dimension der Welt erfassen nach Raum und Zeit. Neue Räume, neue Zeiten sind da. In ihre Offenbarkeit hinein muß sich die Offenbarung aussprechen. — „Zusammenfassung der Gesandten“ sagt: auch an den anderen in Christus glauben. Die Interessen der getrennten Christen müssen zumindest durch katholische Experten vertreten werden.

Winfried Gruber Professor für Dogmatik an der Grazer Universität

Ich würde es begrüßen, wenn das Konzil zu dem Problem der Zugehörigkeit des katholischen Christen in den verschiedenen, ihm in der modernen Gesellschaft angebotenen Formen der organisatorischen Zusammenschlüsse Stellung nehmen könnte. Der Grundgedanke des Can. 684, die Ablehnung sowohl des Integralismus wie eines konfessionellen Neutralismus, würde dabei sicherlich nicht aufgegeben werden.

Gustav E. Kafka Soziologe, Professor an der Hochschule für Welthandel, Wien

Bei aller Sorge um die Reinerhaltung der Lehre und die Abgrenzung gegenüber zeitbedingten Irrtümern, bei aller Abwehr von Auflösungstendenzen eines ungesunden Liberalismus müßte doch die Freiheit der gewissenhaft fundierten Meinung ausdrücklich anerkannt werden, damit vor aller Welt klar wird, daß die Kirche nicht die mindeste Angst hat vor der vollen Wahrheit, gleichgültig auf welchem Gebiet.

Alfons Kirchgässner

Dozent für Liturgik in Frankfurt

Unsere Zeit braucht eine Lehre von der Menschheit und ihrer Geschichte, die den Heilsplan in die Mitte stellt und weiß, daß Evangelium Frohe Bot- sth'äft-'heißt. Seit detn Jansenismus ist das .Christentum-zu oft so verkündet worden, daß von der Frohbotschaft nichts übrigblieb, sondern im Gegenteil mancher froh gewesen wäre, wenn er von dieser Botschaft nichts gehört hätte. Wendungen, wie „einem die Leviten lesen“, „eine Predigt halten", „abkanzeln", erinnern lebhaft daran. Die Verkündung des Heiles als froher Botschaft (etwa in Anlehnung an das Proprium der Sonntagsmesse) scheint mir dringend notwendig.

Ernst Kolb

Österr. Bundesminister a. D., Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Innsbruck

Das vordringlichste Problem des kommenden Konzils wird nach meiner Ansicht die Inkarnierung des christlichen Glaubens und der Kirche in das technische Zeitalter unserer Tage und in die neue Ökumene, die Welt aller Rassen und Kulturen, sein. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, daß die geistigen Anstrengungen forciert werden, um das natürlich Christliche aus den vor- und außerchristlichen Denkstrukturen der großen Weltkulturen ebenso intensiv für das Christentum zu nützen, wie es die Kirchenväter mit griechisch-römischem Denken getan haben. Dabei wird es nötig sein, bei der Sicht der auftretenden theologischen Fragen die mittelalterlich-abendländische Brille abzulegen und Anschluß an die vorkonstan- tinische Zeit zu suchen.

Hans K r i e g 1

Gymnasialdirektor, Präsident der Katholischen Aktion Österreichs

Das Entscheidende ist: der Geist, in dem das Konzil arbeiten wird. Das gescheiterte fünfte Laterankonzil — auch dieses in einer entscheidungsvollen Weltstunde — zeigt uns, was für Katastrophen der Kirche drohen können, wenn sie nicht gewillt ist, sich ernsthaft auf das Evangelium zu besinnen. Auch nur zwei oder drei kühne Taten in diesem Geist des Evangeliums könnten das Angesicht der Kirche ' erneuern. 'Tst man ein' hoffnungsloser Illusionist, wenn man solches vom Konzil erwartet?

Hans K ü n g

Ordinarius für Fundamentaltheologie in Tübingen

Kirche zwischen Anpassung an eine „radikal gewandelte Welt" und ehern objektiver Wahrheit — das ist wohl die gegenwärtige Lage. Anpassung mag als Sache von Seelsorge erscheinen. Aber einer Welt gegenüber, die kaum noch eine Form hat, sondern „radikale Wandlung", immer neu und immer anders, ist, gerät Anpassung leicht in den Modetaumel je neuer Wandlung. Eherner Objektivismus, wie ihn seinerzeit der Integralismus verfocht, hat gewiß das Majestätische des Geistes des Credo für sich, führt aber allzu leicht zur Kirche eines engen, hochmütigen Gettos. — Da das Konzil, im Unterschied zu allen früheren, keine ausgesprochen dogmatische Frage vor sich hat, bleibt wohl nur diese taktische Frage zwischen „Anpassung“ und „Unveränderlichkeit“ als Frage zwischen „Modernismus“ und „Integralismus“. Der heilige Pius X. hat auf den Modernismus autoritär geantwortet. Der Integralismus aber, der geradezu ein Inquisitionsfieber als Reaktion auf den Modernismus verursachte, wurde erst durch den Nachfolger dieses heiligen Papstes, durch Benedikt XV., beseitigt. Aber Modernismus wie Integralismus haben bis heute keine innerlich überwindende Antwort empfangen, während sie im geheimen weiterschwelen. Hier läge, wie mir scheint, eine wahre Aufgabe des Konzils.

Erich P r z y w a r a SJ. Theologe und wissenschaftlicher Publizist

Das Konzil wird die außerordentliche Gelegenheit sein, zu überprüfen, ob die christliche Kirche der Herausforderung durch, ein neues Weltalter gewachsen ist. Dabei sollten wir freilich nicht fragen, ob unsere Verteidigungsbastionen gepanzert genug sind, sondern ob das Licht der Wahrheit hell und das Feuer, der Liebe stark genug ist, um die so viel größere eine Welt zu erleuchten und zu erwärmen. Die Parole kann also nicht „Defensive“ oder „Offensive" sein — um im militärischen Jargon der unglückseligen ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zu sprechen. Die Welt muß vielmehr in den Christen erkennen können, daß sie weder der Selbsterlösung bedarf noch zum Scheitern in Sinnlosigkeit verdammt, sondern in Christus zum Heil erlöst ist.

Gunthar Lehner

Leiter der Hauptabteilung für Kultur und Erziehung beim Bayrischen Rundfunk

Die Reform der „Ecclesia semper reformanda“ ist die wichtigste Aufgabe des Konzils. Eine zweitausendjährige, zuzeiten sehr mächtige, durch ein hohes moralisches Prestige auch heute getragene Institution, die außerdem noch die Gewißheit der Unbesiegbarkeit besitzt — heißt es nicht Übermenschliches fordern, verlangt man von ihr Selbstreform? Sorge um die Zukunft der Kirche ist. es auch gar nicht in erster Linie, was den Ruf nach Reform so drängend macht, sondern Sorge um die Zukunft der Menschheit, die ohne Hilfe der Kirche nicht überleben kann. Die Selbstreform — und das unterscheidet die heutige Situation ziemlich gründlich von der Situation früherer Reformkonzilien — ist weniger nötig zur Verbesserung des Binnenklimas der Kirche (obwohl auch dies eine wichtige Sache ist) als zur Steigerung der Vitalität, der Strahlkraft und spirituellen „Einsatzfähigkeit“ der Kirche. Die Kirche solle durch das Konzil einladender gemacht werden für die, die draußen- stehen, sagte Johannes XXIII. Indem dies erreicht wird, wird die Kirche aber auch einladender für die, die (noch oder schon) drinnen sind — und auch das ist unerläßlich, damit alle, die drinnen sind, bereit und fähig gemacht werden können, ihr Teil an der Weltaufgabe der Kirche zu leisten.

Otto B. Roegele Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“, Köln

Der Apcst-l'che Nuntius in Österreich, Erzbischof Dr. Opilio Rossi, ist in Wien eingetroffen. Er wurde von Erzbischof-Koadjutor Jachym und Generalvikar Weinbacher im Namen von Kardinal König begrüßt. In einer Erklärung übermittelte er dem österreichischen Volk seine herzlichsten Grüße und bezeichnete es als eine besondere Ehre, als Vertreter des Heiligen Vaters zu einer Nation gesandt zu sein, die überaus reich sei an alter und ruhmreicher katholischer Tradition, reich auch an Geschichte und Kultur. Er wolle seine Mission, sagte Nuntius Rossi, von dieser Stunde unter den Schutz der Gottesmutter stellen, die als Magna Mater Austriae in Mariazell verehrt werde. In ehrenden Worten gedachte Nuntius Rossi auch seines Vorgängers, des verstorbenen Erzbischofs Dellepiane.

Die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Studentenorganisationen richtete an die Österreichische Hochschülerschaft die Aufforderung, in einem Appell an die Weltöffentlichkeit gegen die Ermordung dejG , österreichischen Studentu Dieter Wofilfährt an der Sektorengreöi’e von Berlin' zu protestieren. Bei dieser Tat handle es sich um ein Verbrechen, dessen Dimension noch dadurch gesteigert wurde, daß man den Schwerverletzten ohne Beistand auf offener Straße sterben ließ. An die Katholische Hochschulgemeinde West-Berlins wurde von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenorganisationen ein Telegramm gerichtet, in dem die verbrecherische Tat an dem Mitbürger und Kollegen Dieter Wohlfahrt verurteilt wird. Die Wiener Hochschüler opferten Gebet und Meßopfer für den Verstorbenen auf.

Die Christmette am Heiligen Abend wird der Österreichische Rundfunk ab 23.45 Uhr im II. Programm aus der Basilika des Stiftes Seckau in der Steiermark senden. Im Fernsehen wird die Christmette über Eurovision aus der St.-Ludwigs-Kirche in Berlin-Wilmersdorf um 23.50 Uhr übertragen. Die Weihnachtsansprache im Fernsehen hält Bischof Dr. Stefan Läszlo am 24. Dezember um 19.55 Uhr. Der Österreichische Rundfunk sendet die Ansprachen der Bischöfe an ihre Diözesen im I. Programm am Heiligen Abend um 18.50 Uhr.

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