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ökumenische Erwartung

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Das ökumenische Konzil kann unter Umständen ein'en weltgeschichtlichen Einschnitt bedeuten; mit dieser Möglichkeit muß auch der Zweifler rechnen. Setzen wir einmal den Fall, das Konzil zeitige wirklich weltweite positive Ergebnisse. Gibt es dann trotzdem etwas zum Konzil Gehöriges, das auch dann gefährdet sein könnte? Ja: und zwar die Vorbereitungszeit. Man tut jetzt schon gut daran, darauf bedacht zu sein, daß dieses Vorstadium nicht später vergessen werde. Diese Vorbereitungszeit durchleben wir soeben. Sie dauert nun seit der ersten Bekanntgabe der Tatsache, daß das Konzil stattfinden werde, und sie wird mit dieser ersten Oktoberwoche abschließen. Später wird man sich wohl einmal fragen: was ging dem weltgeschichtlichen Ereignis voraus? Dann müht man sich, oft mit geringem Erfolg, mit dem Suchen von Materialien, Aktenstücken und dergleichen ab. Wo aber wird man dann Angaben finden über das „atmosphärische Klima“ einer Vorbereitungszeit? Was auf dem folgenschweren Konzil zu Konstanz vorging, weiß die Geschichte wohl zu berichten. Doch mit welcher Stimmung das Volk damals die Eröffnung des Konzils erwartete — das verliert sich im Dunkel.

Hier seien ein paar Streiflichter aufgezeigt, die sich im Spiegel westdeutscher Pressemeldung kundgeben. Die Bundesrepublik — als „gemischtkonfessionelles“ Gebiet, mag hier stärker interessieren als ein rein katholisches Land, in welchem der, dem Konzil geltende, ständige Hinweis der Kanzelredner in Stadt und Land ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist. In Westdeutschland bewegt die Möglichkeit einer Einigung der getrennten Christen tatsächlich jene Gemüter, denen das religiöse Leben ein entscheidendes Anliegen ist, so stark, daß Männer und Frauen, die mitten im Leben stehen, und zu keinerlei optimistischer Phantasterei neigen, diesen gewaltigen Unionsgedanken für eine realisierbare Möglichkeit halten. Die Erwartungen sind wirklich hochgespannt.

Schon im Juli 1960 hatte sich in der traditionsreichen Universitätsstadt Marburg ein das Konzil diskutierender „Gesprächskreis“ zusammengetan, obwohl damals noch niemand vom Datum, zu dem es würde einberufen werden, etwas ahnen konnte. Wir entnehmen der „Nürnberger Zeitung“ vom 4. Mai 1961 eine Einzelheit, die wohl als ergreifend zu bezeichnen ist:

„In Marburg besteht seit dem Sommer 1960 ein evangelisch-katholischer Gesprächskreis, der mit 30 Teilnehmern begann und inzwischen auf das Zehnfache angewachsen ist. Ohne offizielle Beauftragung haben es zwei Theologen der beiden Konfessionen auf wiederholte Anregung aus den Gemeinden... unternommen, Einzelthemen im Blick auf die Einheit der Christenheit zu behandeln... so die Einzelbeichte, Das Opfer Christi in Messe und Abendmahl, Das allgemeine und das besondere Priestertum, Die apostolische Sukzession.“

Es versteht sich von selbst, daß die Teilnehmerzahl der Marburger Gesprächskreise nicht bei 300 (dem Stand vom März 1961) stehengeblieben ist!

Fast in den gleichen Tagen, da diese Mitteilung der „Nürnberger Zeitung“ ihr Publikum aufhorchen ließ, stellte sich der Fastenhirtenbrief (es war damals März) des inzwischen verstorbenen Bischofs von Münster völlig in den Dienst des Einigungsgedankens. Dr. Michael Keller faßte den denkwürdigen Inhalt der Botschaft an seine Diözesanen in die Worte zusammen:

„Die Katholiken sollen sich vor jeder Überheblichkeit hüten, sollen den evangelischen Christen liebevoll Verständnis entgegenbringen und mit ihnen zuscfwmenar.beiren, wo es um die Bewahrung u n d R c 11 u n g der christlichen Substanz geht.“

Der in Würzburg erscheinenden „Main-Post“, Jahrgang 1961, Nr. 66, entnehmen wir eine Schilderung eines „Gespräches unter Christen.“ Im Balkonsaal des Würzburger Studentenhauses saß „dem Chefredakteur des .Rheinischen Merkur', Dr. O. Roegele, ... Heinz Flügel gegenüber, Mitarbeiter der Akademie Tutzing, nicht also zwei qualifizierte Theologen, sondern Laienexperten des Alltags ... Dr. Roegele befürwortete . . . einen regionalen Zusammenschluß der Bischöfe, wie er etwa in den ständigen Bischofskonferenzen in Südamerika und Afrika bestehe, ohne an der Vormachtstellung Roms zu rütteln ... für das Verhältnis zwischen evangelischen und katholischen Christen habe die Stärkung des Bischofsamtes durch den Druck Hitlers wesentliche Bedeutung gehabt .. . wenn es in Australien möglich sei, daß evangelische, katholische und anglikanische Kirche gemeinsam Hirtenbriefe verfassen, so müsse durch Betonung des Gemeinsamen auch in Europa die Möglichkeit einer Zusammenarbeit gegeben sein ... eine Aufklärung über das Konzil sei dringend erforderlich.“

Ebenfalls die „M a i n - P o s t“ ist es, die unterm Datum des 15. April 1961 Stellen eines Berichtes über die Weltjugendkonferenz in Lausanne brachte. Verfasserin des Berichtes ist die Dekanatsjugendleiterin Christiane Günther:

In Lausanne ist ... erstmalig ein gemeinsames Abendmahl, trotz vieler Auffassungsverschiedenheiten, gefeiert worden.“ Hier mag man, sich des bekannten Vorschlags eines katholischen Priesters in Polen erinnern. Er meinte, das Konzil möge darüber beraten, ob nicht zwischen Christen aller Bekenntnisse eine Art „Aitar-gemeinschaft“.. denkbar sei: so.,,daß also, unter besonderen Umständen (etwa in einem Land, wo christliche Bekenntnisse Verfolgung erleiden), auch ein katholischer Christ von einem protestantischen Pfarrer gültig das Sakrament empfangen könne. Wie immer man über eine solche Anregung denken mag: die eben erwähnte Meldung vom ..gemeinsamen Abendmahl“ scheint einen Weg in dieser Richtung zu bedeuten.

Es ist in allen Fällen bezeichnend, welch breiten Raum westdeutsche Zeitungen solchen Meldungen, deren Realisierung noch jahrelang auf sich warten ließ, einräumten. Dies gilt auch für den eingehenden Bericht, den die „Nürnberger Zeitung“ (22. Juli 1961) über die Rede Präsident Lübkes, gehalten anläßlich seines Besuches in der Evangelischen Akademie Tutzing, publizierte. Lübke, der ein bewußter Katholik ist, betonte, als Gast dieser ausschließlich protestantischen Institution: „den bedeutenden Beitrag zur Festigung des Staatswesens“, den die Christen aller Bekenntnisse dann leisten könnten, „wenn sie überall gut vorgebildete, mutige Streiter einsetzten.“ „Begegnung“, so sagte damals Präsident Lübke, „bedeutet aufeinander zugehen, sich auseinandersetzen, um im Dialog die jeweils richtige und zweckmäßige Lösung zu finden.“ Damit sprach der Präsident Westdeutschlands Hunderttausenden aus der Seele, die eben von solcher „Begegnung“, anläßlich des Konzils, die große, die weltgeschichtlich wirksame Stärkung der christlichen Position im 20. Jahrhundert erwarten.

Am 11. April 1961 konnte die „Main-Post“ berichten, der Landessekretär der „Unio Catholica“ für Deutschland, Pater Mitnacht, sei zum Konsultor der vorbereitenden Kommission des 2. ökumenischen Konzils für ostkirchliche Fragen gewählt worden. Pater Mitnachts „Unio Catholica“ ist jene Instanz, deren Ziel die Annäherung und das Finden der Beziehungen zur Ostkirche ist. Im gleichen Augenblick, da eine so intensive „Begegnung“ (in Lübkes Sinn) zwischen Katholiken und Protestanten stattfand, wurde also auch der Experte für die Beziehungen zur Ostkirche an einen ihm gebührenden Platz berufen.

Vollständig übereinstimmend mit der These, es sei die Vorbereitungsperiode des Konzils von größter Wichtigkeit, mutet die Aussage Professor K ü n g s an. Er lehrt Fundamentaltheologie an der Tübinger Universität. Er sagte anläßlich einer Tagung in Königstein. veranstaltet von der Katholischen Rabanus-Mau-nis-Akademie der Diözesen Fulda, Limburg und Mainz, ^daß die Vorbereitungsperiode des Konzils vielleicht wichtiger als die eigentliche Tagungsperiode sei. Es sei notwendig, alles zu unterlassen, was die Kluft zwischen den getrennten Christen vergrößern' könnte, und alles zu tun, was der Annäherung diene.“ (Main-Post, 20. April 1961). Aus der gleichen Quelle erfährt man: Professor Dr. Jean-Louis L e u b a, Neu-chatel, antwortete hierauf: „man sollte ... hinsichtlich des Konzils ... von den Bemühungen um eine Einigung in ,noch abweichenden theologischen Auffassungen' sprechen.“ Sowohl eine solche Tagung als auch eine Diskussion dieser Art, wären noch vor ein paar Jahrzehnten schlechthin unmöglich gewesen! Es existieren manchmal unbeachtete, kaum zur Kenntnis der großen Öffentlichkeit gelangende Entwicklungen, die wirklich so etwas aufweisen wie einen „Menschheitsfortschritt“.

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