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Synode des guten Willens

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Die Gäste der Beratungen wurden gebeten, innerlich mitzutun, — schwebend auf einer Empore des Kongreßhauses das Ganze überschauend, fern den „unter Dach" befindlichen Presseleuten und nahe dem uralten, alles beherrschenden Kreuz. Darunter saßen diejenigen, die die Hauptlast der Veranstaltung zu tragen hatten: der Erzbischof, der Weihbischof als Promotor und die Mitglieder der Zentralkommission. Im Saal die Synodalen. Alle ernst und etwas blaß, weil es um schwerwiegende Dinge ging.

Natürlich wäre es unsinnig zu meinen, daß, wenn sich auch einstmals Konzilsväter in die Bärte gerieten, bei einer Synode Kampf wohl nicht üblich sei. Es gab auch hier Opfer im eigentlichen Sinne. Solche, für deren Worte — nicht so gemeint oder in dieser Weise gemeint — man sich nach außen entschuldigte. Opfer aus den Reihen der „Traditiona listen“ oder der „Stürmer“, wenn man so will. Aber man merkte bald, daß es mit diesen Bezeichnungen nicht stimmt. Nicht nur deswegen, Weil man es in den Predigten im Dom abends immer wieder hörte, daß man sich verstehen soll, sondern weil de facto die Fronten quer durchgehen. Es ist nicht von ungefähr, daß einem bei dieser Synode das Wort von der coinciden- tia oppositorum einfiel, weil der Philosoph und Kardinal Nikolaus von Cues einstmals eine Salzburger Synode geleitet und selbst bei Spannungen vermittelt hat. Es scheint gut, an die Tradition zu denken, wenn es um die Zukunft geht — und der scheint der Zukunftsträchtigste, der Spannungen auszuhalten vermag.

Erstmals Frauen

Der Prodekan der Theologischen Fakultät ist bestimmt kein Traditionalist; aber er protestiert in aller Schärfe dagegen, daß schon mehrfach ein Bibeltext nicht wörtlich zitiert, sondern umschrieben wurde. Das „non licet“ ist nicht beliebt, er Diskussionsleiter schneidet militärisch ab. Nicht anders ergeht es dem Pfarrer, der über Glockenspenden spricht. Der Erzbischof blickt etwas erstaunt wegen des Behördentons, mit dem Einhalt geboten wird. Die Beamten bringen ihre Amtsstuben mit Aber die Zeit drängt natürlich— nur darauf kommt es an, daß man miteinander geht.

Der Generalsekretär der Katholischen Aktion hat recht, daß es letztlich auch die Front Priester—Laie nicht gibt: Da ist der verantwortliche Schulmann, der auf den Trümmern seiner Hoffnungen auf baldige Beschlüsse über den Religionsunterricht steht, der schon lange Träger eines Amtes, vielleicht eines unsichtbaren Amtes der Kirche, und dem es ein zentrales Anliegen ist, während der eine oder andere Theologe vielleicht mehr auf den Kontakt mit der Welt sieht. Wer will darüber urteilen, wer hier mehr „drinnen“, wer „draußen“ steht?

Noch eine „Front“ wird hier ausgeglichen: Nicht nur Laien männlichen Geschlechts nehmen erstmals an einer Salzburger Synode teil, sondern auch Frauen. Sie werden ferner mit den Männern in den Pfarrgemeinderäten und gemeinsam mit dem Klerus im neuen diözesanen Pastoralrat sitzen, der dem Bischof zur Seite steht — und sie werden, keineswegs nur aufnehmender Acker, sondern kritisch sein und auf das hinweisen, was von Männern manchmal oder immer übersehen wird.

Und wie ist es mit den Anhängern und Gegnern der letzten päpstlichen Enyklika? Es wär erstaunlich, daß sie nicht offiziell behandelt wurde, inoffiziell aber hörte man auf Argumente. Ein Pfarrer erzählt in der Pause von Bogota. Die Leute drüben seien für beide päpstlichen Enzykliken — und zwar in der gleichen Überzeugung, daß der Heilige Vater es gut mit ihnen meint.

Im allgemeinen gibt es für einen Verteidiger des Papstes hier nicht viel zu tun. Man hat die Synode auf Weisung Roms unternommen, zur Stärkung von Glaube und Disziplin. Man hat schon am ersten Abend im Dom beim gemeinsamen Glaubensbekenntnis sich auch „im ganzen und im einzelnen“ zu dem bekannt, was das kirchliche Lehramt in Glaubens- und Sittenfragen vorlegt.

Natürlich hat dies nichts damit zu tun, daß ‘ man insgeheim oder offen zu stürmen versucht, im Namen der Gewissensfreiheit (man weiß jedenfalls, was man damit meint), manchmal über Fundamente, aber auch über den eigenen Kirchturm hinweg, vor den sich schützend der Verantwortliche der diözesanen Finanzkammer stellt, weil er ihn ob aller Anforderungen für die Weltkirche schon als schiefen Turm zu Pisa sieht. Das scheint doch wieder gut päpstlich, dieses Stürmen. Sozialdienst statt Militärdienst? Da wird es schon schwieriger. Und es scheint, daß der Geist des verstorbenen ehemaligen Generalsekretärs und nachmaligen Militärseelsorgers umgeht, weil gar so lange darüber geredet wird. Auch für die getrennten Brüder nimmt man sich Zeit, die bisher vor allem das goldene Herz eines Stadtpfarrers angezogen und zusammengehalten hat. Jetzt freuen sich die anderen Kirchen und Konfessionen auf ein Kontaktkomitee, bei dem man Beschwerden vorbringen und über die gemeinsame Arbeit sprechen wird. Man fühlt sich sehr wohl unter den Katholiken, sagt ein Methodist. Und ein zufriedener evangelischer Pastor gesteht zu, daß man selber eigentlich noch nicht so weit ist. — Es ist schön, daß man sozusagen in persona die jeweilige Sache sieht. So einen in Korea wirkenden Salzburger mit koreanischen Mitbrüdern, der seit zwölf Jahren hinsichtlich der nötigen Opfer nicht locker läßt. Oder auch den Friedenspfarrer: Wer sollte für den Frieden eintreten, wenn nicht wirt Ein anderer: Protest gegen himmelschreiendes Unrecht: sind nicht wir zuständig?

Das Wir steht im Vordergrund, da ja die Erneuerung der christlichen Gemeinden zum Thema erhoben worden ist. Aber die Erneuerung des Wir ist nicht trennbar von der Erneuerung des einzelnen. Darum handelt es sich auch in der Verkündigung und in der Liturgie. Wenn der Firmungsrummel aufhören soll, wenn das Firmungsalter erhöht wird, kann es nur den einen Sinn haben, daß der einzelne mehr zur Besinnung kommt und Verantwortung trägt. Die gemeinsame Beichtandacht scheint dem eher zu widersprechen. Nicht aber, was der Erzabt allgemein über die Sakramente sagt: daß man sie in der Vergangenheit zu objektiv, zu magisch empfunden hat — und nunmehr auch das menschliche Mittun mehr betont wird.

Auf den einzelnen kommt es an, darauf, daß er persönlich die Kehre vollzieht, sagt auch der Erzbischof, der Vater der Synode ist, hellwach und energisch mitunter — und doch immer wieder sichtbar nach innen gewandt. Er, der nunmehr 25 Jahre lang die Last der Diözese getragen hat und zu Beginn seines Amtes in schwerer Zeit das Wort von der ewigen Wahrheit und der Lüge (der Machthaber) gesprochen hat. Und der nun, wie er in der Ansprache bei dem überwältigenden Schlußgottesdienst — zugleich Jubiläumsfeier — am Sonntag sagte, wohl bald den Stab des heiligen Rupertus an seinen Nachfolger abgeben wird. Er bittet seine Diözesanen heute schon, diesem mit, der gleichen Liebe zu begegnen, mit der sie ihn geliebt haben.

Eines ist es, was dem Erzbischof wie auch dem Weihbischof besonders auf der Seele liegt: daß die Diözesangrenzen erhalten bleiben. Daß nicht durch kalten Zentralismus der Tiroler Anteil, seit der Zeit des heiligen Bonifatius zur Salzburger Diözese gehörig, abgetrennt wird. Salzburg als Kulturzentrum, als Universitätsstadt braucht Hinterland !

Beispielhaftes Tempo

Salzburg, das alte Salzburg, das einstmals so riesig war und heute so klein. Und das seiner äußeren Erscheinung nach doch gar nicht so alt, sondern sehr jung und tatenfroh ist, wie man bei dieser Synode sieht, mit der es im deutschsprachigen Raum an zweiter Stelle steht. Es konnte voreilen unter anderem dank der Mitarbeit der 20 Kommissionen, nicht zuletzt der Theologischen Fakultät, der Pläne, die man dort schon lange im Auge hat (etwa den neuen Lehrstuhl für Katechetik betreffend). Es konnte yorstürmen dank der Mitarbeit aller. Was im einzelnen beschlossen wurde, ist noch der Genehmigung des Erzbischofs anheimgestellt. Es wird Monate dauern, bis die Beschlüsse redigiert und gedruckt sind, Jahre, bis sie durchgeführt werden. Dennoch ist man, der gezeigten Entschlossenheit nach, sicher, daß alles, was möglich ist, bald in Angriff genommen wird.

Der gute Wille ist ein zäher Wille. Der Promotor scheint ihn auch für die Zukunft in reichlichem Maße zu haben. Nicht minder der Generalvikar, Leiter der Kommission „Strukturen“. Nicht minder der Kanzler oder die Laien. Der vermag Spannungen durchzutragen, für den über dem Kreuz, das drückt, unverlierbar die Hoffnung steht.

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