Welcher Bischof wird geschätzt?

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Hohe oder geringe Wertschätzung der Bischöfe bedeutet auch mehr oder weniger sozialer Kredit für die österreichische Kirche.

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Hohe oder geringe Wertschätzung der Bischöfe bedeutet auch mehr oder weniger sozialer Kredit für die österreichische Kirche.

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Am 1. Jänner 1991 erreichte mich ein Brief aus der Wiener Kirchenleitung: Er bezog sich auf die Veröffentlichung von Daten über Bekanntheit und Wertschätzung der österreichischen Bischöfe in der Tageszeitung Die Presse. Diese hatte dazu den Jahreswechsel gewählt. Grundlage war eine Repräsentativstudie, in der Frauen und Männern in Österreich die bei Politikern üblichen Fragen gestellt worden waren: Kennen Sie diesen Bischof, schätzen Sie ihn, oder haben Sie von ihm keine gute Meinung?

Die Daten wurden schon Monate vorher erhoben. Die Ergebnisse waren eingeschrieben jedem einzelnen Ortsbischof zugegangen, blieben somit vertraulich unter Verschluss. Einzelne Bischöfe haben sich dafür bedankt. Irgend jemand hat dann die Daten der Presse zugespielt. Sie lösten ein kirchliches "Schneewittchenspiel" aus und danach eine Debatte darüber, ob es in Österreich nach der Ära König einen "neuen Kirchenkurs" gebe.

Im Brief aus der obersten Wiener Kirchenleitung wurde mir eine scharfe Schelte übermittelt. Schon nach der Beliebtheit von Bischöfen zu fragen! Und dann noch dazu die Daten zu veröffentlichen - das verstoße gegen "Geschwisterlichkeit" und gegen "christlichen Umgangsstil". Die Menschen würden bei Befragungen doch nur nachplappern, was man ihnen vorgesagt hat. Wer kenne einen Bischof schon so gut, dass er über ihn ein Urteil abgeben könne? Am Ende vermerkte der Schreiber noch, dass diese Veröffentlichung Kardinal Groer sehr gekränkt habe. Mündlich erfuhr ich, dass man ihn nur mit Mühe abhalten konnte, zurückzutreten. Was hätte er sich nur erspart!

Im Herbst 1994 erhoben wir die Daten neuerlich, publizierten sie aber nicht. Die Lage hatte sich in den bewegten Jahren der österreichischen Kirchengeschichte nicht entscheidend verändert. Im Juli 2000 fragten wir erneut. Hier werden die Daten aus allen drei Untersuchungsjahren erstmals im Überblick veröffentlicht. Weihbischöfe mit großem Interesse an ihren Daten werden uns fragen.

Noch wichtiger als die Daten selbst sind solche Reaktionen auf deren Veröffentlichung. Sie zeigen, wie schwer sich die Kirche tut, hinzunehmen, dass Bischöfe in der medialen Auslage stehen. Aber moderne Institutionen werden eben (so leid es uns freut) fast ausschließlich über Personen wahrgenommen. Die Kirchen machen da keine Ausnahmen mehr. So ist es für die katholische Weltkirche wichtig, wer Papst ist, für die Erzdiözese Wien, wer ihr vorsteht und so weiter. Keine politische Partei kann es sich mehr leisten, Leute, die in der Öffentlichkeit nur wenig oder gar nicht angenommen werden, an die Spitze zu setzen.

Auch den Diözesen tut es gut, wenn der Bischof respektiert wird. Das heißt nicht, dass er es allen recht machen muss. Respekt hat, wer in seiner Position erkennbar ist, und der seinerseits die Freiheit der Menschen respektiert. Dass es solche Bischöfe auch in Österreich gibt, zeigen die Daten. An der Spitze steht Kardinal König, der durch alle drei Erhebungen hindurch Spitzenwerte sowohl in der Bekanntheit als auch in der Respektierung hat. Aber nicht nur er hat in seinem langen Leben dazu beigetragen, dass die katholische Kirche in Österreich von vielen Menschen im Land, von Mitgliedern, Nahestehenden, Sympathisierenden und auch Gegnern respektiert wurde. Ganz gleich, ob es sich um Zak, Zauner, Wechner oder Weber handelt: deren Wertschätzung bedeutete immer auch sozialen Kredit für die Kirche als ganze.

Das hat sich nach dem Ende der Ära König deutlich verändert, wie unsere Daten zeigen. Es tauchen jetzt Bischöfe mit beträchtlichen Minuswerten auf. Nun kann es ein gutes Zeichen sein, wenn sich jemand im Namen des Evangeliums unbeliebt macht: dies war das Schicksal der Propheten, einschließlich Jesu. Aber hier werden ja die Minuswerte nicht vergeben, weil ein Bischof für das Evangelium eintritt, sondern weil ihm offensichtlich aus der Perspektive der Leute der pastorale Brückenbau zwischen dem Evangelium und den Erfordernissen unserer Kultur nicht gelingt. Dass es eine Reihe von Bischöfen in Österreich gibt, von denen beträchtlich viele Menschen im Land "keine gute Meinung" haben, ist vor allem ein Votum nicht über die Person, sondern über den Kirchenkurs, für den sie stehen.

Unsere Daten machen eine weitere Schwachstelle der katholischen Kirche in Österreich sichtbar: Sie hat zur Zeit keine handlungsfähige Bischofskonferenz. Die Leute sind weit scharfsichtiger in ihrer Einschätzung der Kirche als mein Briefschreiber aus dem erzbischöflichen Ordinariat bereit war anzunehmen. Sie sehen deutlich, dass es zur Zeit in Österreich nicht nur beliebte und unbeliebte Bischöfe gibt, sondern dass diese auch zwei Pole in der Kirche bilden. Das wäre an sich auch noch kein Problem, würde wie bei der Elektrizität diese Polarität über Spannung Energie erzeugen. Das ist aber nicht der Fall.

Vielmehr gab es rund um die Causa Groer und den darauf folgenden "Dialog für Österreich" eine Art von Rom ausgelösten Kurzschluss. Die Folge: Es ist dunkel geworden. Die Kirche hat in der Bischofskonferenz kein Energiezentrum mehr. Es gibt nur noch einzelne für sich handelnde Bischöfe. Das ist in der derzeitigen politischen Lage Österreich geradezu fatal. Die Kirche in Österreich hat, sieht man von guten Aktivitäten der Katholischen Aktion oder der Caritas ab, und übersieht man nicht die guten Hintergrundaktivitäten von Kardinal Schönborn, zur Zeit keine Kraft, sich als ganze in der schicksalhaften Zeit des Landes mit einer starken Stimme einzubringen.

Für diese prekäre Lage gibt es viele Verursacher. Der Vatikan ließ die österreichischen Bischöfe in der Causa Groer (wider besseren Wissens) im Regen stehen. Zur gleichen Zeit machte das Kirchenvolks-Begehren von der anderen Seite über die Medien Druck auf die Bischöfe. Auch die Plattform "Wir sind Kirche" hat - es ist eine unbeabsichtigte Nebenwirkung - die Bischofskonferenz ungewollt plattgeformt.

Die österreichische Kirche braucht wieder eine handlungsfähige Bischofskonferenz! Die Lösung wäre einfach: Es braucht einen unbeugsamen Vorsitzenden und den Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip. Die französische Bischofskonferenz praktiziert das schon lange und fährt damit gut. Solches Erstarken der Bischofskonferenz wird umso eher gelingen, je mehr sich die Kirche im Land neuen Themen zuwendet: der EU-Osterweiterung, dem Nationalegoismus, der angstbesetzten Fremdenabweisung, der Spaltung des Landes in Modernisierungsverlierer und Modernisierungsgewinner.

Die österreichische Kirche kann gesunden, wenn sie sich den Schwachen zuwendet, sich entprovinzialisiert, und das alles aus einer riskanten Frömmigkeit, die sich der Kraft der Bergpredigt und nicht nur einer mitunter bequemen zeitgenössischen Ethik aussetzt. Wenn sie dann in aller Stille und Schlauheit die herumliegenden Strukturprobleme bereinigt, ist sie gut beraten.

Vor allem aber wird die Kirche begreifen müssen, dass weniger die Irritationen durch die Probleme, die die Kirche derzeit hat, die Menschen von der Kirche entfernen, als vielmehr der Mangel an Gratifikationen: Die Menschen haben zuwenig davon, dass sie bei der katholischen Kirche sind! Derzeit steht die Waage für viele, vor allem jüngere Menschen, zu schwer auf Seiten der medial gut bespielten Irritationen: Kaum ein junger Mensch hat heute das Gefühl, dass er Glück hat, wenn er bei einer kirchlichen Jugendgruppe ist. Dabei lernt er soziale Kompetenz wie kaum sonst jemand in seinem Alter, kann seinen Horizont entprovinzialisieren in einem Land, das immer mehr provinzialisiert (wozu die Haiders im Land und die EU unglaublich gut zusammenwirken), kann während seiner Mitgliedschaft bei einer kirchlichen Jugendgruppe lernen, sich in einer anderen Weltreligion auszukennen. Was gäbe es doch für Gratifikationen in der Kirche! Und wir bewerben die Kirche selbstmörderisch mit den leidigen Irritationen wie Sexualmoral, Rolle der Frauen, Problemen mit synodaler Partizipation, Modernitätsproblemen. Nicht, dass diese Probleme nicht schon längst gelöst sein müssten - aber wieso lassen wir es zu, dass sie uns bei unserer Arbeit behindern? Wieso bemühen wir uns nicht darum, diese Stolpersteine zu beseitigen - und weisen zugleich und mit vereinten Kräften darauf hin, was wir für dieses Land Österreich alles bedeuten und tun!

Unsere Daten verlangen schließlich nach lokaler kirchenpolitischer Wachsamkeit. Einzelne Bischöfe aus dem Umkreis des neuen Kirchenkurses haben in den letzten Jahren Minuswerte abgebaut. Das ist vom Gesamtimage der Kirche her erfreulich, weil die Angriffsflächen kleiner werden. Zugleich gibt es aber verlässliche Anhaltspunkte, dass diese äußere Beruhigung durchaus mit der unveränderten kirchenpolitischen Vorgangsweise verträglich ist. Es gibt eben nun nicht mehr Wölfe und Schafe, sondern auch kleine Wölfe im Schafsfell. Das Sympathische und medial Wirksame an Bischof Krenn ist, dass er Schafsfelle nicht liebt. Kleine Wölfe im Schafsfell aber sind zumeist medial unauffällig und im Umgang mit den Gemeinden leutselig; sie gestalten aber gleichzeitig die Diözese über harte Personal- und Finanzpolitik in ihrem kirchenpolitischen Sinn um. Man weiß nicht, wer es besser hat: die Diözesen mit Wölfen ohne oder jene mit Wölfen im Schafsfell?

Der Autor, Pastoraltheologe, ist Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien.

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