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„Flächenbrand" ohne Feuerwehr

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Nur in Rom scheint - wenn überhaupt - eine echte Klärung der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Kardinal Hans Hermann Groer möglich zu sein.

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Nur in Rom scheint - wenn überhaupt - eine echte Klärung der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Kardinal Hans Hermann Groer möglich zu sein.

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Die Zeichen für die Kirche stehen „auf Sturm”, meint Bischof Johann Weber, seit einem Monat Vorsitzender der Österreichischen Bischofskönferenz und seither bemüht, die Wogen nach dem Ausbrechen der „Causa Groer” zu glätten. Allein in seiner Diözese, Graz, sind die Kirchenaustrittszahlen im April gegenüber dem Vorjahr um 38 Prozent gestiegen. Auf einer Pressekonferenz in Wien faßte Weber die Ergebnisse des jüngsten Treffens der österreichischen Bischöfe in St. Georgen am Längsee zusammen.

Die Prüfung der Vorwürfe von sexuellem Mißbrauch, die gegen den Wiener Erzbischof erhoben wurden, falle, so Weber, in die Kompetenz des Papstes: „Das ist unsere Ordnung, über die ich nicht springen kann und will.” Kardinal Groer sei, von vielen darin auch bestärkt, „das Bisiko des Schweigens” eingegangen. Es gäbe aber viele Stimmen, die es nicht gut finden, „wenn sich das Schweigen des Kardinals nach oben fortsetzen würde”. Weber selbst reist demnächst nach Born, um mit dem Papst zu reden.

Einen österreichischen Untersuchungsausschuß oder „Weisenrat” zu dieser Affäre wird es nur insofern geben, daß ein bestehendes Instrument, die Pastoralkommission Österreichs, der Geistliche und Laien angehören, bis zur Herbstsession der Bischofskonferenz Vorschläge erarbeiten soll, wie die Kirche in Österreich der gegenwärtigen Situation am besten begegnen soll. Die vorrangigen Fragen lauten: Wie konnte ein solcher „Flächenbrand” in der heimischen Kirche ausgelöst werden? Wie steht es um den Vorwurf, es gebe in der Kirche eine Doppelmoral? Welche Bausteine eignen sich zum Wiederaufbau von Vertrauen?

Was die Leute beschäftigt, ist - so Weber - nicht in erster Linie die Frage von Schuld oder Schuldlosigkeit des Kardinals, sondern die Zweifel am anständigen Umgang der Kirche mit der Wahrheit. Hier sei in jüngster Zeit viel Vertrauen beschädigt worden, und zwar nicht nur Vertrauen in die Vertreter der Kirche („ob das nette Leute sind”), sondern jenes Vertrauen, „das durch die Kirche zu Gott geht”. Mit einem Wort: Der Zugang zum christlichen Glauben selbst steht auf dem Spiel.

Zu den nun geplanten vertrauensbildenden Maßnahmen zählt die Einrichtung von „Ombudsstellen”, die auf Vorwürfe von sexuellem Mißbrauch binnen 24 Stunden reagieren sollen und Vorerst in zumindest drei Diözesen - Graz, Klagenfurt und Eisenstadt - ihre Arbeit aufnehmen werden. Bischof Weber erklärte ausdrücklich, es tue ihm leid, daß in den ersten Tagen eine „Aburteilung” jenes Josef Hartmann erfolgte, der die ersten und schwersten Vorwürfe gegen Kardinal Groer erhob.

Insgesamt betonte Weber, er habe als Kind gelernt, man solle einen Knoten nicht durchschneiden, sondern, auch wenn es langsam und mühsam sei, geduldig aufknüpfen. Er befürchte nicht das Aussterben der Kirche, sondern arbeite für eine

Kirche der Zukunft, die vor allem drei Punkte berücksichtige: den Konzilstext, wonach die Gefühle der Menschen auch in der Kirche Platz haben (Gaudium et spes), die Aussage des gegenwärtigen Papstes von der Kirche als einem „gläsernen Haus” und ein Reden mit mehr Demut von Gott und Christus.

Den Initiatoren des „Kirchenvolksbegehrens” will der Grazer Bischof nicht die gute Absicht absprechen, meint aber, die Erneuerung müsse tiefer ansetzen. Die Methode sei der Kirche wesensfremd, inhaltlich werde „auf den Wagen zuviel aufgeladen”. Deshalb könnten sich die Bischöfe wie auch andere Gruppen, die sich schon zu Wort gemeldet hätten, diesem Begehren nicht anschließen.

Sorge um Ökumene

Bedauern äußerte der Bischofskonferenz-Vorsitzende hinsichtlich der jüngsten Mißstimmung in der Ökumene, er werde persönlich versuchen, hier noch etwas zu „reparieren”. Die nächste europäische ökumenische Versammlung (ein Folgetreffen von Basel) werde übrigens im Juni 1997 höchstwahrscheinlich in Graz stattfinden und dem Thema „Versöhnung” gewidmet sein. Journalisten, denen in der Erklärung der Bischöfe zu „50 Jahre Kriegsende” ein Hinweis auf die Mitschuld der Kirche an manchen Entwicklungen fehlte, riet Bischof Weber, seine Predigt am 15. Mai beim Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom abzuwarten.

Schließlich verwies Weber noch auf den dieses Bischofstreffen einleitenden Studientag über den Priesterberuf und auf eine bevorstehende - routinemäßige - Visitation der österreichischen Priesterseminare durch den Wiener Erzbischof-Koad-jutor Christoph Schönborn und den Salzburger Generalvikar Johann Paarhammer. Sorgen bereitet der Kirche die Situation bei den Ordensfrauen. In wenigen Jahren ist ihre Zahl in Österreich von 10.000 auf 7.000 zurückgegangen.

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