25 Jahre Affäre Groër: Katharsis um Gottes willen
Die Affäre Groër, die vor 25 Jahren Österreichs katholische Kirche in ihre größte Krise stürzte, war der weltweit erste Missbrauchsskandal an der Spitze einer Ortskirche. Eine Nacherzählung.
Die Affäre Groër, die vor 25 Jahren Österreichs katholische Kirche in ihre größte Krise stürzte, war der weltweit erste Missbrauchsskandal an der Spitze einer Ortskirche. Eine Nacherzählung.
Religionssendungen in TV und Radio haben zurzeit Quote wie zu den Hochfesten: Meldungen wie diese verwundern in der augenblicklichen Corona-Lage
kaum: Das Bedürfnis nach (religiösem) Halt fordert auch eine Institution wie die katholische Kirche, die zuletzt mehr über ihre Turbulenzen wahrgenommen wurde als über ihre auch gesellschaftsprägende Kraft. Der Schatten über der Kirche geht hierzulande nicht zuletzt von einer Affäre aus, die vor 25 Jahren begann, und von der sich die katholische Kirche bis heute nicht erholt hat – und zwar nicht nur hierzulande, sondern im globalen Maßstab.
Am 28. März 1995 veröffentlichte das Profil eine Titelgeschichte, in der Josef Hartmann, ehemaliger Zögling des Erzbischöflichen Knabenseminars Hollabrunn, dessen damaligen Leiter Hans Hermann Groër des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Die Enthüllung traf die gerade tagende Bischofskonferenz wie ein Keulenschlag: Zunächst ließ sich Groër als deren Vorsitzender wiederwählen, als aber die Wogen immer höher schlugen, trat er gleich wieder davon zurück, der Grazer Bischof Johann Weber übernahm den Vorsitz.
In den Tagen danach überschlugen sich die Ereignisse: Am Gründonnerstag, 13. April 1995, wurde der Wiener Weihbischof Christoph Schönborn zum Wiener Erzbischof-Koadjutor ernannt, nach Groërs 75. Geburtstag folgte er ihm am 14. Oktober auf dem Wiener Bischofsstuhl nach. In der Karwoche 1995 entstand auch das „Kirchenvolks-Begehren“, dessen Forderungen nach einer geschwisterlichen Kirche samt Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester, Mitsprache bei Bischofsernennungen, Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene, Ämter für Frauen und eine weniger rigide Sexualmoral dann im Juni 1995 von einer halben Million Österreicher(inne)n unterzeichnet wurde. Die meisten der Forderungen von damals liegen heute noch auf dem Forderungstisch der Kirchenreformer.
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