Dialog als Nagelprobe

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Daß statt Johann Weber nun Christoph Schönborn Österreichs katholischen Bischöfen vorsteht, bedeutet eine Zäsur.

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Daß statt Johann Weber nun Christoph Schönborn Österreichs katholischen Bischöfen vorsteht, bedeutet eine Zäsur.

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Wenn es stimmt, daß die Menschen heute "auf nichts mehr warten als auf glaubwürdige Zeugen, in denen Gottes Gegenwart greifbar wird", wie es der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, unlängst bei der Priesterweihe im Wiener Stephansdom formulierte, dann können auch personelle Vorgänge in der Kirche niemandem völlig gleichgültig sein.

Daß die Suche nach Sinn, nach Heilsverheißungen boomt, ist unbestritten. Will sie sich auf dem heutigen Markt der Weltanschauungen behaupten, benötigt auch die christliche Botschaft vor allem verläßliche Boten, deren Worte und Taten übereinstimmen, die ihren Glauben nicht nur bekennen, sondern auch leben. Natürlich sagt es theoretisch nichts über die Richtigkeit einer Lehre aus, wenn jene, die sie verkünden, sich selbst nicht daran halten, doch ohne "glaubwürdige Zeugen" wird eine Lehre ständig auf Zweifel und Skepsis stoßen.

In der katholischen Kirche kommt dabei den Bischöfen, insbesondere dem Mann an der Spitze der Bischofskonferenz, besondere Bedeutung zu. Mit dem ihm eigenen Charme und Humor hat vorige Woche der Grazer Bischof Johann Weber den Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz an Kardinal Schönborn abgetreten. Er wolle nicht den richtigen Zeitpunkt der "Hofübergabe" versäumen, er spüre die "Geburtswehen einer neuen Gestalt von Kirche".

Webers Schritt kommt nicht überraschend. Daß in Österreich der Wiener Erzbischof den Vorsitz innehat, ist der Normalfall, von dem nur in Übergangsphasen - von Theodor Innitzer auf Franz König, von König auf Hans Hermann Groer und eben in den Groer-Turbulenzen - abgerückt wurde, wobei früher in der Regel der zweite österreichische Metropolit, der Erzbischof von Salzburg, zum Zug kam.

Der jüngste Wechsel läuft auf eine echte Zäsur hinaus. Mit Weber, der 1969 Bischof von Graz-Seckau wurde, tritt jene Generation ab, die direkt vom Konzil und dem Aufbruch danach geprägt wurde. Schönborn, während des Konzils in den Dominikanerorden eingetreten, ist erst später geweiht worden. Unter der Groer-Affäre leiden bis heute beide, beide waren nach Kräften um Schadensbegrenzung bemüht.

Sehr grob könnte man die letzten Jahrzehnte in Österreichs Kirche so gliedern: in die Ära König, für die das Konzil Aufbruch bedeutete, und in die Ära Groer, als jene, die in etlichen Bereichen zu vorkonziliaren Zuständen zurückkehren wollten, wieder Oberwasser bekamen, aber auf hinhaltenden Widerstand der "Konzilsgeneration" stießen. Folgt auf die "These" König, die "Antithese" Groer und die kurze Phase, als Weber um Glättung der Polarisierung bemüht war, jetzt die "Synthese" Schönborn: die Versöhnung der Lager?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Weder sind Kardinal König und Bischof Weber mit großen Reformen vorgeprescht, noch darf man in Kardinal Schönborn einen unbeweglichen Verfechter aller gegenwärtigen Lehren und Strukturen in der Kirche sehen. Wie er nun den "Dialog für Österreich" weiterführt, wird für ihn zur Nagelprobe. Als Redakteur des "Weltkatechismus" kennt er natürlich die Haltung Roms zu den in den "Dialog"-Eingaben am häufigsten genannten Themen (Zölibat, Frauenpriestertum, wiederverheiratete Geschiedene). Doch der "Dialog" bringt nur dann etwas, wenn auch diese Themen offen diskutiert werden und sich nicht die auch im jüngsten römischen Dokument sichtbare Linie durchsetzt, daß auch undogmatisierte Lehrmeinungen tabu seien.

Christoph Schönborn genießt in der Öffentlichkeit viel Sympathie. Das liegt in hohem Maß an seiner Persönlichkeit, aber auch an der Medienpolitik seiner Mitarbeiter, die freilich manchmal etwas "vorschnell" (so Schönborn selbst zum jüngsten Revirement in der "Wiener Kirchenzeitung") wirkt und innerkirchlich, aber auch im ökumenischen Bereich und darüber hinaus nicht unumstritten ist. Die Leitung der diözesanen Kirchenzeitung und der Katholischen Presseagentur in eine Hand zu legen, ergibt zumindest eine schlechte Optik.

Daß es auch Kardinal Schönborn nicht allen recht machen kann, ist klar. Ein großer Schritt in Richtung der genannten "Synthese" kann aber nur gelingen, wenn der "Dialog" sehr breit angelegt wird, wenn sich auch die Vertreter des Kirchenvolks-Begehrens ernst genommen fühlen und sich nicht der Eindruck verdichtet, der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz setze allzu sehr auf besonders aktive "movimenti" und gehe zu wenig den kritischen (oder: verirrten) Schafe in der katholischen Herde nach.

Johann Weber war und ist als ruhender Pol in einer stürmischen Zeit eifrig um seine Herde und um das konzilsgemäße "Aggiornamento" bemüht gewesen. Österreichs Kirche hat dem abgetretenen Vorsitzenden der Bischofskonferenz viel zu danken.

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