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Wien: Erzbischof-Koadjutor gut, alles gut?

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Der Salzburger Neutesta-mentler Wolfgang Beilner, Priester der Erzdiözese Wien, rechnet damit, daß die römisch-katholische Kirche in Osterreich bis zu seinem Lebensende - „ich möchte noch 29 Jahre leben” - an den Folgen der heutigen Krise zu tragen haben wird: „Jetzt sind wir alle zusammen gefordert”, kein einzelner, auch nicht der neu ernannte Wiener Erzbischof-Koadjutor Christoph Schönborn, sei allein der Aufgabe gewachsen, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen. „Der ziemlich einzige Vorteil der jetzigen Lage ist, daß wir demütig werden müssen”, betont Beil-ner, die Kirche brauche „Demut, Ehrlichkeit, Barmherzigkeit und Kooperation”.

Die aus Rom am Gründonnerstag verlautbarte Designie-rung Schönborns zum baldigen Nachfolger Kardinal Groers halten weder Reilner noch der Grazer Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann, derzeit Dekan der dortigen

Theologischen Fakultät, bereits für den geeigneten Schlußstrich unter die „Causa Groer”. Was den 50jährigen, international renommierten, stark an Thomas von Aquin und Hans Urs von Ralthasar orientierten Dominikaner-Theologen Schönborn betrifft, sieht Liebmann dessen Reru-fung als „naheliegend” an, Reilner sieht an ihm zwei Seiten, einerseits eine von 1968 geprägte liberale, anderseits

die in Schönborns redaktioneller Arbeit am Weltkatechismus gezeigte konservative. Beilner: „Dem Versuch einer Synthese sollte man nicht im Wege stehen.”

Etliche Fragen und Wünsche bleiben nach dieser Ernennung offen: ob eine Klärung der „Causa Groer” möglich ist, wie weit die Haltung der Kirche zur Sexualität noch ernstgenommen wird, wie in Zukunft Bischöfe aus-

gesucht werden.

Während Wolfgang Beilner meint, in Fällen von sexuellem Mißbrauch Minderjähriger müßte die Kirche rigoros einschreiten, Vorwürfe müßten geklärt werden, hält Liebmann speziell in der „Causa Groer” eine Klärung für unrealistisch und einen diesbezüglichen Untersuchungsausschuß für eine unglückliche Lösung, die nur eine Belastung für den neuen

Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Johann Weber, darstelle. Der Ausschuß hätte keine echten Kompetenzen, könnte niemanden vorladen und zu Aussagen veranlassen. Am besten wäre natürlich ein wirklich klärendes Wort von Kardinal Groer, meint Liebmann, wenn aber ein solches nicht erfolge, dann gebe es „keine bessere Lösung, als daß Rom die Sache an sich zieht”.

Die Kirche sei insgesamt eine „Kirche der Sünder”, betont Liebmann, aber nicht alles, was sie den Menschen an Lasten auferlege, gerade im Bereich der Sexualmoral, werde von den Leuten als sündhaft verstanden. Bezüglich der Sexualität täte der Kirche mehr Offenheit gut, sagt Wolfgang Beilner unter Hinweis auf seine 41jährige Erfahrung als Seelsorger und auf das Papstwort von der Kirche als „gläsernem Haus”. Die von der Kirche verlangte Moral müsse in der Praxis lebbar sein.

Unisono befürworten Liebmann und Beilner ein Umdenken in der Frage der Bi-

schofsernennungen und mehr Mitsprache für die Ortskirche, zumindest für die Domkapitel. Auf die Wahl seines Studienkollegen Ivo Fürer zum Bischof von St. Gallen durch das dortige Domkapitel - anspielend, meint Beilner: „Was für St. Gallen recht ist, könnte für Wien billig sein.”

Über die Hintertreppe?

Liebmann hält es für nötig, das Prinzip der Hierarchie in der Kirche durch demokratische Strukturen zu ergänzen. Ganz fatal sei der jetzt manchmal entstehende Eindruck, „wer den besten Zugang zur Hintertreppe ins Papstzimmer hat, wird Bischof”. Und Beilner, auf die umstrittenen Rischolsernen-nungen der letzten Jahre in Österreich anspielend, mahnt: „Jene Leute, die uns 1986 diese berühmte Wende gebracht haben, sollten jetzt - unabhängig vom Anlaßfall - sehr nachdenklich werden.”

Daß Kardinal Groers Hirtenbrief über die „Knabenschänder” und „Lustknaben” die Sache ausgelöst hat, daran hat Beilner seine Zweifel, er hält auch eine „innerkirchliche Zündung” für möglich und ergänzt empört: „Wer immer das gespielt hat, hat gegen die legitimen Interessen der betroffenen Personen gehandelt.”

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