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Die Wahrheit macht frei

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Die Tage von Kardinal Hans Hermann Groer als Erzbi-schof von Wien dürften gezählt sein. Daß der Schaden für die Kirche aufgrund dieser „Causa” mit jedem Tag zunimmt, hat der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Grazer Bischof Johann Weber, richtig erkannt.

Rom kann es sich, da der Kardinal die Altersgrenze von 75 Jahren bereits übeschritten hat, leicht machen und einfach dessen vorliegendes Rücktrittsgesuch annehmen. Daß dies in Kürze passiert, ist viel wahrscheinlicher, als daß der Heilige Stuhl die Sache offiziell untersucht (und damit in die Länge zieht) oder es dazu kommen läßt, daß ein von der Österreichischen Bischofskonferenz eingesetzter „Weisenrat” (der nur beraten, aber nicht entscheiden könnte) sich des Falles annimmt.

So wünschenswert es im Interesse der Kirche wäre (schon damit keine „Dolchstoßlegenden” aufkommen), daß dieser Fall restlos geld^^^^d^s^^rm^^^^nlich'

der Beschuldigte schweigt, Aussage steht gegen Nicht-Aussage. Was der Kardinal glaubt, sagen zu müssen, teilt er lieber - als sehr pauschale Zurückweisung - der „Kronenzeitung” als seinen Mitbrüdern im Bischofsamt mit.

Hut ab vor dem Salzburger Pfarrer, der sich zu einer Verfehlung, wie sie Groer vorgeworfen wird, bekannt hat. Ob nun der Kardinal ein solches Bekenntnis nicht ablegen kann (weil er sich eben keiner Schuld bewußt ist) oder nicht ablegen will (weil es ihm peinlich wäre), sei dahingestellt, menschlich ist die Causa Groer sicher eine Tragödie. T st der Kardinal schuldlos, so hat I er - vielleicht auch wegen _L schlechter Batgeber - völlig falsch auf die Vorwürfe reagiert und unnötig jene Glaubwürdigkeit verspielt, die ein Spitzenrepräsentant der Kirche braucht. Sollte er aber schuldig sein, so muß er jahrelang - stets in der Furcht, daß die Sache aufkommt, und erpreßbar für Mitwisser, die mit seiner Hilfe Karriere machen wollten -schrecklich gelitten haben.

Das Wichtigste an dieser „Causa” für die Kirche wären zwei Konsequenzen. Erstens müßte man in Rom einsehen, daß die Ortskirche bei Bischofsernennungen ein stärkeres Mitspracherecht braucht. Zweitens müßte Österreichs Kirche offensiv in den eigenen Reihen gegen den sexuellen Mißbrauch Minderjähriger vorgehen. Da gehören alle Sümpfe und sauren Wiesen schleunigst trockengelegt. In allen Diözesen müßten Stellen eingerichtet werden, die entsprechenden Hinweisen schonungslos und ohne Ansehen des Ranges nachgehen.

Es ist möglich, daß dabei noch viel Unerfreuliches für die Kirche zutage tritt, aber die Öffentlichkeit wird es honorieren. Die Kirche wird wieder Glaubwürdigkeit und Selbstwertgefühl bekommen - getreu dem Wort Jesu: „Die Wahrheit wird euch freimachen!”

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