Atempause für Österreichs Kirche

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Österreichs Bischöfe haben gesprochen, wie auch 1998. Doch die Erinnerung an frühere Kirchenkrisen zeigt: Der Rückzug Gerhard Wagners löst noch wenig.

Allgemeines Aufatmen ging durch die katholische Kirche des Landes: Zuletzt waren es – in den 90er Jahren – die Pressekonferenzen des damaligen Bischofsvorsitzenden Johann Weber gewesen, die solches Medienecho und Blitzlichtgewitter hervorgerufen hatten wie vergangenen Montag, als Kardinal Christoph Schönborn vor die Presse trat. Nach dem außerordentlichen Treffen der Diözesanbischöfe – die Weihbischöfe, darunter der extremkonservative Andreas Laun aus Salzburg, waren nicht geladen – präsentierte Schönborn einen Hirtenbrief, der für bischöfliche Verhältnisse, so der Tenor der Bewertungen, revolutionär klang:

Da wurde frank und frei davon gesprochen, dass man „den Menschen ein Wort der Klärung“ schulde, denn die Gläubigen hätten „Kritik, auch Spott und Ablehnung erfahren müssen, die zum Teil durch Fehler in der Kirche verursacht waren“. Neben Äußerungen zur Begnadigung der vier lefebvrianischen Bischöfe nahmen Österreichs Hirten zu den Vorgängen rund um die Bischofsernennung von Gerhard M. Wagner zum Linzer Weihbischof und dessen zwischenzeitliche Bitte um Rücknahme derselben Stellung. Das Verfahren zur Kandidatensuche sei „verkürzt“ worden, so Schönborn auf der Pressekonferenz. Im Hirtenwort heißt es, die Entscheidung, wer Bischof wird, müsse „sorgfältig und mit pastoralem Gespür“ vorgenommen werden. Die Bischöfe würden alles Mögliche tun, damit die „bevorstehenden Bischofsernennungen“ – vier Bischofsstühle sind in den nächsten Jahren zu besetzen – nicht „‚gegen‘ sondern ‚für‘ eine Ortskirche“ stattfinden.

Bischöfe als Krisenfeuerwehr

„Schönborn hilft Kirche aus Krise“ jubelte die Kronen Zeitung, aber auch die Presse traf den allgemeinen Ton mit „Die Stunde des Kardinals“. In den letzten Tagen hatte sich der Kirchenwind in Österreich fast täglich gedreht, immer mehr Hirten waren von nobler Zurückhaltung auf klare Sprache umgeschwenkt – von Salzburgs Erzbischof Kothgasser, der warnte, die Kirche drohe zu einer Sekte zu werden, bis zu Paul Iby aus Eisenstadt, der die Bestellung Wagners als „unerklärlich“ brandmarkte. Dann die Bitte um Rücknahme der Ernennung durch Wagner am Sonntag und der unerwartet deutliche Hirtenbrief am Montag.

Es sei ein „absolut einmaliger Vorgang der jüngeren Kirchengeschichte“, dass Rom „eine Bischofsernennung nicht durchsetzen kann“: So charakterisiert der Pastoraltheologe Rainer Bucher im FURCHE-Gespräch die Vorgänge.

Wie kann nun die Dynamik der Entwicklungen der letzten Wochen gedeutet werden? Die Ereignisse von Linz, aber auch der globale Rumor rund um die Begnadigung der lefebvrianischen Bischöfe zeigten in Österreich Wirkung. Von einer Austrittswelle war die Rede, von Feuer am Dach der Kirche.

Es mag hilfreich sein, hier an Österreichs letzte große Kirchenkrise, die aus dem Jahr 1998 datiert, zu erinnern: Auch in den Februartagen jenes Jahres brauste ein Entrüstungssturm samt Austrittswelle über die katholische Kirche. Die Affäre Groër brandete ein zweites Mal auf, und auch damals sahen sich die wesentlichen Player unter den Bischöfen genötigt, spektakulär zu agieren: Am 27. Februar 1998 erklärten die (Erz-)Bischöfe von Wien, Salzburg, Graz und Klagenfurt, sie seien zur „moralischen Gewissheit“ gelangt, die Vorwürfe gegen den Alterzbischof von Wien, Kardinal Groër, würden „im Wesentlichen“ zutreffen. Zwei der vier Bischöfe – Christoph Schönborn und Egon Kapellari – sind heute noch im Amt.

Das Problem von 1998: Die bischöfliche Erklärung hatte keine Konsequenzen, Rom reagierte nicht (oder bestenfalls verhalten), der damals ausgerufene „Dialog für Österreich“, der unter Österreichs Katholiken überwältigende Voten für eine moderate Kirchenreform brachte, verlief im Sand, und die konservative Speerspitze des Episkopats unter Bischof Kurt Krenn von St. Pölten konnte nicht ausgehebelt werden. Im Gegenteil.

2009 ist zweifelsohne anders als 1998, die Situationen sind nur bedingt vergleichbar. Die historische Reminiszenz mag aber den Hinweis liefern, dass für Euphorie des Kirchenvolks kein Anlass besteht, solange nicht entsprechende Zeichen aus Rom kommen. Dass auch Tage nach der Rücktrittsbitte des designierten Weihbischofs Gerhard Wagner keine offizielle Reaktion aus Rom folgte (bei Redaktionsschluss der FURCHE stand sie noch immer aus), nährt die Erinnerung an 1998, als Österreichs katholische Kirche auch auf ein erlösendes Wort aus Rom wartete. Das kam aber niemals.

Dauernde Auseinandersetzungen

Auch ein Blick in die Sprachrohre der innerkirchlichen Unterstützer Gerhard M. Wagners nährt die nüchterne Einschätzung, dass die Auseinandersetzungen lange nicht vorbei sind. Zunächst strickten etwa Kommentatoren der einschlägigen Internetseiten kath.net und – noch viel rabiater – kreuz.net an Opfermythos und Dolchstoßlegende. kath.net-Aktivist Johannes M. Schwarz, als „Priester der Diözese Linz“ vorgestellt, schreibt beispielsweise: „Sie haben es geschafft – die unheilige Allianz der intoleranten Kirchenmänner, kirchensteuerfinanzierten Funktionäre und Medien, unterstützt von einigen Bischöfen, die sich nicht um Brüderlichkeit … bemühten.“

Schließlich verstieg sich der Salzburger Weihbischof Andreas Laun in einem kath.net-Kommentar dazu, die Angriffe gegen Wagner mit dem „Kreuzige ihn!“ der Passionsgeschichte zu vergleichen. In anderen kath.net-Beiträgen – die etwa auf der gleichfalls extremkonservativen, in Würzburg erscheinenden Tagespost fußten, wird darauf hingewiesen, dass der Vatikan sich bislang nicht zu Wagner geäußert hat. Ein „Vatikanist“ wird dazu zitiert: Es sei keinesfalls ausgemacht, wie Rom zur Rücktrittsbitte Wagners stehen werde. Schließlich, so kath.net, sage auch das Kirchenrecht, dass ein Rücktritt aufgrund „widerrechtlich eingeflößter Furcht“ ebenso nicht angenommen werden dürfe wie ein Amtsverzicht, der „nicht auf einem angemessenen und gerechten Grund“ beruhe.

So lange also Rom nicht gesprochen hat, wird in die Causa keine Klarheit kommen. Dass der Fall – trotz Hirtenbriefs – ungelöst bleibt, meint auch Hans Peter Hurka von der Bewegung „Wir sind Kirche“. Für den Kirchenvolks-Begehrer sind nämlich trotz der „schönen und guten Absichten“ der österreichischen Hirten die strukturellen Probleme bei Bischofsernennungen nicht gelöst.

Hurka betont, dass es zurzeit vordringlich darum geht, die unterschiedlichen Positionen in der Kirche miteinander ins Gespräch zu bringen. Die bisherige Praxis, die Positionen „konservativ“ und „reformorientiert“ nebeneinander stehen zu lassen, bringe nichts – und führe zu weiteren Verwerfungen. Er erzählt der FURCHE von einem Telefonat mit einem konservativen Kritiker von „Wir sind Kirche“, der nach der TV-Diskussion am Sonntag angerufen und erklärt habe, er werde nun aus der Kirche austreten „wegen Zulehner, Hurka und Iby“. Kirchenaustritt von rechts – auch das ist eine Facette der aktuellen Situation.

Verständigung in Gang bringen

Das von Hurka angesprochene Anliegen eines wieder in Gang zu bringenden Verständigungsprozesses teilt auch Pastoraltheologe Rainer Bucher. Der in Graz lehrende Professor würdigt ausdrücklich den Versuch der österreichischen Bischöfe, die Kirchenlage zu beruhigen. Bucher dringt aber darauf, die Diskussion um die katholische Kirche „unaufgeregt, aber ehrlich und engagiert“ wiederaufzunehmen und weiterzuführen.

Die Turbulenzen um die Causa Wagner, aber auch um die Auseinandersetzungen nach der Begnadigung der Lefebvrianer (vgl. dazu Seite 4/5) sind keineswegs zu Ende. Vielleicht – und das ist in der gegenwärigen Lage schon ein Fortschritt – haben die bischöflichen Aktivitäten der österreichischen Kirche eine Atempause verschafft.

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